Immer wieder fragen Leser, warum in Berichten über Straftaten die Herkunft nicht genannt wird. Klar ist: Automatismen führen in die Irre.

Warum nennt die Zeitung bei manchen Berichten über Straftaten die Nationalität von Beteiligten und manchmal nicht? Ein NRZ-Leser aus Dinslaken hat diese Frage aktuell aufgeworfen. Am 13. Juni hatte die NRZ auf Seite 3 über eine 13-Jährige berichtet, die von acht Jugendlichen in einem Velberter Waldstück vergewaltigt worden war; „EU-Ausländer“, wie es in der Meldung hieß.

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Am selben Tag stand auf der Seite Rund um den Globus ein großer Bericht über eine 15-Jährige, die in Viersen einer tödlichen Messerattacke zum Opfer gefallen war. Der Tatverdächtige, ein 17-Jähriger, wurde als Südosteuropäer beschrieben.

Warum, fragt der Leser, steht in beiden Fällen nicht die nationale Herkunft?

Immer eine Frage der Abwägung

Für NRZ-Chefredakteur Manfred Lachniet ist es „immer eine Frage der Abwägung, ob die Herkunft eines mutmaßlichen Täters genannt wird. Es darf nicht sein, dass die Redaktion Vorurteile bedient. Genauso wenig wollen wir aus falscher Rücksichtnahme etwas verschweigen.“ Die NRZ halte sich daran, die Herkunft nicht zu nennen - es sei denn, dass daran ein begründetes öffentliches Interesse besteht.

So erreichen Sie den Ombudsmann.
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Das müsse im Einzelfall entschieden werden. Lachniet: „Warum ist die Tötung der 15-Jährigen in vielen Zeitungen eine große Geschichte, die Tötung einer jungen Frau durch ihren (deutschen) Freund wenige Tage später aber nur eine kleine Meldung?“

Pressekodex führt zunehmend Ausnahmen

Polizeimeldungen können Meinung und Politik machen, bis hin zu dem Vorwurf, Medien verschwiegen die Täterherkunft, um das Ausmaß der Kriminalität durch Flüchtlinge und Fremde zu kaschieren. Dabei geht es in der einschlägigen Richtlinie 12.1 des Pressekodex‘ nicht um Politik, sondern darum, dass „niemand wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden darf“.

Beim Verkehrsunfall ist der „deutsche Rentner“ als Verursacher ebenso fehl am Platz wie der „Nordafrikaner“ als Verdächtiger eines Diebstahls. Die Antwort auf die Frage, warum die Nationalität nicht genannt wird, lautet mithin: warum sollte man?

Was bedeutet eigentlich "Ombudsmann"?

Unparteiische Schiedsperson

Ein  Ombudsmann (bei weiblicher Besetzung Ombudsfrau) erfüllt die Aufgabe einer unparteiischen Schiedsperson. 

Ungerechtigkeit verhindern

Ein Ombud (altnordisch: umboð „Vollmacht“) ist die Aufgabe einer Person, in einer Organisation oder in der Öffentlichkeit bei bestimmten Themen eine ungerechte Behandlung von Personengruppen zu verhindern. 

Im Interesse der Leser

So gesehen bedeutet ein solches Amt eine unparteiische Vorgehensweise bei Streitfragen – unter Berücksichtigung der Interessen von Personen, deren Belange als Gruppe infolge eines fehlenden Sprachrohrs ansonsten wenig beachtet würden (zum Beispiel von Krankenhauspatienten, Gewaltopfern).

Lösungen erarbeiten

In seiner Funktion ermöglicht der Ombudsmann, Streitfälle ohne großen bürokratischen Aufwand zu schlichten: durch unabhängige Betrachtung des Streitfalles, Abwägung der von beiden Seiten vorgebrachten Argumente, Erreichen einer zufriedenstellenden Lösung oder Aussprechen einer empfohlenen Lösung.

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Der Pressekodex führt allerdings zunehmend Ausnahmen von diesem Prinzip auf, z.B. besonders schwere Straftaten (Terrorismus), Gruppendelikte (Kölner Silvesternacht), die Bedeutung der Biografie für die Straftat oder spezifische Straftaten (Clans).

Das erfordert umso mehr die Prüfung im Einzelfall.

Unschärfe ohne Not

Beispiel „Viersen“: Dort führten Zeugenaussagen dazu, dass die Polizei zunächst einen Mann mit „nordafrikanischem Aussehen“ suchte. Was sich als Irrtum erwies, als sich der Verdächtige stellte. Weil von einer Beziehungstat auszugehen ist und auch das Opfer daher stammt, kommt es zu der Angabe Südosteuropa. All das beschreibt der Zeitungstext ausführlich. Der Leser kann sich also aus dem Bericht heraus ein Bild machen.

Beispiel „Velbert“: Dort waren sechs jugendliche Tatverdächtige inhaftiert worden, zwei waren geflohen, alle wurden als „EU-Ausländer“ benannt. Eine Angabe, die niemanden diskreditiert – allerdings ohne Not unscharf ist. Denn die Staatsanwaltschaft vermutete die Flüchtigen in dem Land, aus dem alle Verdächtigen stammen, behielt dieses Wissen aber für sich. Die Frage nach der Klarheit stellt sich hier also den Ermittlungsbehörden. Immerhin geht es um Verdächtige in einem Kapitalverbrechen und damit um simple Strafverfolgung.

Zeitung ist Ergebnis redaktioneller Entscheidungen

Zeitungen sollen die Wirklichkeit abbilden, ja. Aber anzunehmen, sie täten das schon, wenn sie per se Herkunftsländer nennen, übersieht, dass der Entscheidung über die Herkunftsangabe eines Ladendiebs die viel fundamentalere Entscheidung vorangeht, ob es die Meldung ins Blatt schafft. Die schiere Vielzahl von Straftaten zeigt, dass Zeitung kein Lexikon ist und sein kann. Zeitung ist immer das Ergebnis redaktioneller Entscheidungen. Die können falsch, aber sie müssen durchdacht sein. Automatismen führen in die Irre.

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Publizistische Grundhaltung

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