Gelsenkirchen. . Das Deutsche Fußballmuseum zeigt in der Ausstellung „Schichtwechsel“ ein Trikot von Özil. Zu Besuch an seiner ehemaligen Schule in Gelsenkirchen.
Er hat alles dazu gesagt, mehr wird er nicht sagen, ließ Nationalspieler Mesut Özil inzwischen mehrfach wissen. Zum Foto mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, zur öffentlichen Debatte um Integration und Werte. Der Fußballprofi will keine Fragen mehr beantworten. Özil will nicht reden, er will spielen bei der Weltmeisterschaft in Russland.
Er sei Fußballer, kein Politiker, hat Özil einmal betont, und das steht auch unter dem Trikot, das im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund Teil der Sonderausstellung „Schichtwechsel“ ist. Es symbolisiert die Integrationsleistung des türkischstämmigen Jungen aus dem Arbeiterviertel Gelsenkirchen-Bulmke. Als er 2010 bei der Weltmeisterschaft in Südafrika gegen Argentinien in eben diesem Trikot auflief, war es fast 50 Jahre her, dass seine Großeltern die ungewisse Reise in ein fremdes Land angetreten hatten. Özil war einer der ersten mit türkischen Wurzeln, der das deutsche Trikot bei einem großen Turnier trug.
„Unterschiedliche Reaktionen“ im Museum
Und dann das Foto. Und die politische Debatte. Und die „Ratlosigkeit“ von Bundespräsident Steinmeier. Und Özils Schweigen.
„Es gibt sehr unterschiedliche Reaktionen der Besucher“, sagt Museumsdirektor Manuel Neukirchner. „Die einen hätten sich ein anderes Signal von Mesut Özil gewünscht, die anderen zeigen Verständnis, dass sich Spieler mit Migrationshintergrund immer zwischen zwei Welten bewegen.“ Bei den Führungen entstünden dadurch sehr lebhafte Debatten. „Aber genau das wünschen wir uns ja auch: Das Deutsche Fußballmuseum ist der Kulturort des Fußballs, an dem genau dieser Diskurs geführt werden soll.“
Ein Tag im April, lange vor der Erdogan-Affäre. Durch die offene Tür eines Klassenraums an der Gesamtschule Berger Feld in Gelsenkirchen quetschen sich kreischende Stimmen und knallende Fußbälle. Gina Heyer wiederholt ihre Frage, was man mit einer Anzeige suchen könne. Die Kinder blicken auf ihre Hefte, wackeln mit den Turnschuhen an ihren Füßen. „Ein Handy?“, antwortet ein Junge. Nun, das sei es nicht, erwidert die 25-Jährige mit einem gutmütigen Lächeln. Dann schnellt die Hand der elfjährigen Kiara hoch: „Einen Job!“ Goldrichtig. Erwachsene suchen Jobs. Kinder lernen fürs Leben.
„Fußball spricht eine andere Sprache“
Auf der Gesamtschule Berger Feld ging Mesut Özil zur Schule. Auf dieser Schule lernte er fürs Leben. Sie ist der Kooperationspartner des Bundesligisten Schalke 04. Sie hat in diesem Jahr den zweiten Platz beim Integrationspreis des Deutschen Fußball-Bundes belegt, hinter der Hans-Tilkowski-Schule aus Herne.
Eine Etage tiefer steht Brian Hoffmann in der Turnhalle und bringt den Kindern Fallrückzieher à la Klaus Fischer bei. Gerade stellt sich Nilay an die blaue Matte. Sie wirft den Ball hoch, dann sich, streift aber nur den Ball mit dem Fuß. „Ganz stark!“, kommentiert Hoffmann. Nilay strahlt und rennt ans Ende der Schlange, wo die anderen warten: Negar aus Afghanistan, Jerome aus Deutschland und Hamsa aus dem Libanon.
Im nunmehr vierten Jahr bietet Özils Schule die Projektklasse „Fußball trifft Kultur“ an. „Es geht uns um die Kinder, die sonst nicht im Fokus stehen“, sagt Koordinatorin Conny Neumann. Es geht um Flüchtlingskinder, aber auch um solche, die Nachholbedarf haben. Dabei nutzt die Schule jenen Fußball, der Özil weltberühmt gemacht hat, um Brücken zu schlagen. „Fußball spricht eine Sprache, die man nicht sprechen muss. Das ist eine große Chance“, sagt Maike Selter-Beer, Direktorin der Gesamtschule. „Wenn man gemeinsam spielt, gemeinsam lernt.“
Özil unterstützt seine Schule
Auf dem Flur vor ihrem Büro sieht sie, wohin das führen kann. Dort hängen Bilder berühmter Fußballer, die einst hier zur Schule gegangen sind, darunter auch eines von Mesut Özil.
„Er ist ein Vorbild für die Kinder“, sagt die Schulleiterin. Der 29-Jährige unterstützt die Integrationsarbeit seiner alten Schule mit dem Projekt „Kickformore“. Kinder müssen ein eigenes Straßenturnier organisieren und Regeln der Fairness beachten. „Er hat seine Schule nicht vergessen“, sagt Selter-Beer.
Die Schüler der Projektklasse „Fußball trifft Kultur“ besuchten mit Conny Neumann auch das Fußballmuseum in Dortmund. Staunend standen sie vor dem Trikot von Mesut Özil. „Nachher hat sich ein Schüler bei mir bedankt“, erinnert sich die Lehrerin. „Danke für den schönen Tag, hat er gesagt.“
Mesut Özil ist ein Fußballer, kein Politiker.