Essen. Die Kommunen im Ruhrgebiet sind verbandelt mit England, Polen oder Nicaragua. Eine Bestandsaufnahme zum Thema Partnerstädte.

Autos stauen sich auf der Bochumer Schnellstraße, Feierabendverkehr. Kein ungewohntes Bild, doch etwas ist anders. Auf dieser Straße herrscht Linksverkehr. Der „Bochum Parkway“ befindet sich nämlich in der englischen Partnerstadt Sheffield. Seit 1950 sind die beiden Städte miteinander verbunden, es ist eine der ältesten Verbindungen in der Region.

Städtepartnerschaften bezeichnen Verbindungen zwischen zwei (oder mehr) Gemeinden, die zeitlich und sachlich unbegrenzt sind und in einem Partnerschaftsvertrag festgehalten sind. An Rhein und Ruhr finden sich insgesamt 260 solcher kommunalen Beziehungskisten. Zum Tag der Städtepartnerschaften haben wir uns angeschaut, wo die gegenseitige Zuneigung erkaltet ist, wo sie gelebt wird - und wo sie gerade neu erblüht. Zahlenmäßige Spitzenreiter sind Dortmund, Witten, Schwerte und Menden mit jeweils neun offiziellen Verbindungen.

Rückblick: Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Europa Bestrebungen, kommunale Beziehungen zu knüpfen. Dadurch sollte ein erneuter europäischer Flächenbrand verhindert werden. Eine Annäherung mit den ehemaligen Feinden. Allein zwischen deutschen und französischen Gemeinden gibt es heute laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung etwa 2200 Partnerschaften.

Schulaustausche sind wichtiger Aspekt

Der Kontakt mit Partnerstädten beginnt in vielen Gemeinden im Schüleralter. Austausche mit Schulen in befreundeten Kommunen gehören zu den wichtigsten Aspekten der Partnerschaft. Aber auch Sportvereine oder private Gruppen halten mit gegenseitigen Besuchen den Kontakt aufrecht.

Die meisten Partnerstädte der Rhein-Ruhr-Region befinden sich in Europa, im Schnitt trennen die Städte 1251 Kilometer. Am häufigsten sind Partnerschaften mit Frankreich (57 mal), dahinter folgen Großbritannien, Städte in Deutschland und Polen. Dass die Verbindungen sich nicht auf Europa beschränken müssen, wird unter anderem bei der Stadt Duisburg deutlich, die auch Partnerschaften mit San-Pedro-Sula in Honduras und Wuhan in China unterhält.

9207 Kilometer nach Nicaragua

Die weiteste Partnerschaft besteht zwischen Herne und der Insel Ometepe in Nicaragua: 9207 Kilometer Luftlinie. Im Juni feiern die Beteiligten das 30-jährige Bestehen dieser Verbindung. Begründet wurde das Bündnis auf Initiative der Jusos in den späten Achtziger Jahren. Ziel war es, die Lebensverhältnisse vor Ort in der Partnergemeinde zu verbessern.

„Die Verhältnisse haben sich zum Besseren entwickelt, sind aber immer noch schwierig“, sagt Dorothee Schmitz, bei der Stadt Herne zuständig für Städtepartnerschaften. So konnten beispielsweise mithilfe von Herner Spenden sturmfeste Häuser auf der Insel gebaut werden.

Innerdeutsche Partnerschaft zwischen Ost und West

Eine neue Form der Städtepartnerschaft entstand mit der Wiedervereinigung 1990. Um ostdeutsche Gemeinden auf westdeutsche Verwaltungsabläufe vorzubereiten, wurden innerdeutsche Partnerschaften ins Leben gerufen. So ist beispielsweise Dortmund partnerschaftlich mit Zwickau verbunden. Gelsenkirchen ist seit 1995 Partnerstadt von Cottbus.

In vielen Städten finden sich Hinweise auf diese Partnerschaften in Form von Straßennamen. Das Rathaus in Freudenberg steht zum Beispiel am Mórer Platz 1 – in Anlehnung an die ungarische Partnerstadt Mór. In Bochum ist der südliche Autobahnring in vier Abschnitte unterteilt, die alle den Namen einer Partnerstadt tragen. Darunter natürlich auch der Sheffieldring.

Alte Verbindungen lösen sich, neue entstehen

Dass eine Partnerschaft auch enden kann, zeigen Beispiele wie Castrop-Rauxel und Delft (Niederlande). Die beiden Städte lösten ihr Bündnis 2000 nach 50 Jahren Partnerschaft. Sprockhövel hat sich in den letzten Jahren von zwei „Fernbeziehungen“ verabschiedet. Kontaktversuche mit Dario in Nicaragua und Zao Zhuang in China blieben unbeantwortet, teilt die Stadt auf Anfrage resigniert mit.

Aber auch heute noch werden neue Bündnisse geschlossen. Herne plant eine neue Städtepartnerschaft mit Luzhou. Noch sind die Dokumente zwar nicht unterschrieben, der Herner Rat hat aber trotz einiger Bedenken bereits für die Partnerschaft gestimmt. Oberbürgermeister Frank Dudda sagte im Rahmen der Abstimmung, dass in einer Welt ohne Grenzen nun auch Herne als Mittelpunkt im Ruhrgebiet in China präsent sein müsse. „Eine strukturschwache Stadt wie Herne“, so Dudda, „braucht solche Impulse.“

In einer früheren Version des Textes hieß es, dass die Städte Goch und Veghel den Kontakt abgebrochen hätten. Das ist nicht der Fall. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.