An Rhein und Ruhr. . Erste Ergebnisse der „Stunde der Wintervögel“: Mehr Menschen zählten weniger Vögel. Die Gründe dafür sind vielfältig, sagen Naturschützer.

Allein wegen der Stille und des Friedens hat sich das frühe Aufstehen am Sonntagmorgen schon gelohnt. Es dämmert schnell hier auf dem Land in der Grenzregion von Niederrhein und Münsterland, ohne richtig hell zu werden. Nach der Eisregennacht vom Samstag knistert und knirscht es in den Bäumen und Hecken. Und es piepst und zwitschert verhalten – Gartenvögel sind auch im Winter früh aus den Federn.

Still sein und beobachten zählt: NRZ-Redakteurin Cornelia Färber im heimischen Wohnzimmer während der Stunde der Wintervögel.
Still sein und beobachten zählt: NRZ-Redakteurin Cornelia Färber im heimischen Wohnzimmer während der Stunde der Wintervögel. © Volker Hartmann

Schnell noch ein wenig Futter ins Vogelhäuschen gelegt, den Stuhl positioniert, Fernglas und Zählliste bereitgelegt. Manchmal reichen Kleinigkeiten, um Spaß zu haben, jedenfalls ist selten eine Stunde mit Nichtstun so spannend vorbeigegangen. Vielen Tausend Tierfreunden im Land wird es zwischen Freitag und Sonntag ähnlich ergangen sein bei ihrer „Stunde der Wintervögel“, die dazu dient, Amseln, Finken, Spatzen und Meisen im eigenen Garten zu zählen.

2,5 Millionen Vögel gezählt

Entstanden ist die „Stunde der Wintervögel“ in Großbritannien, in Deutschland wird sie seit 2011 bundesweit gemeinsam vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und dem bayrischen Landesbund für Vogelschutz (LBV) durchgeführt – mit stetig wachsendem Interesse.

Bei der letzten „Stunde der Wintervögel“ im Januar 2016 beteiligten sich über 93 000 Menschen und zählten über 2,5 Millionen Vögel. Allein in NRW nahmen rund 13 000 Menschen teil und zählten 334 000 Vögel, Platz 1 belegte hier die Kohlmeise vor dem Spatzen, gefolgt von Blaumeise, Amsel und Elster.

Man such ein ruhiges Eckchen im Garten

Viel braucht es nicht, um mitmachen zu können. Ein ruhiges Eckchen im Garten, auf dem Balkon, im Park, Zettel, Stift. Im Internet kann man sich Kurzporträts mit den häufigsten heimischen Vogelarten ausdrucken und sich mit den Zählhilfen vertraut machen, die vermeiden sollen, dass man doppelt zählt und die gesehenen Vögel einfach addiert.

In der Regel erscheint nämlich derselbe Vogel in einer Stunde mehrfach in seinem Revier. Deshalb darf man nur einmal die höchste Anzahl einer Vogelart eintragen, die man in einer Stunde gleichzeitig gesehen hat.

Die Stunde der Wintervögel

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    Zurück zur heimischen Terrasse: Zumindest das Wetter spielt bei meiner persönlichen Zählstunde mit. In den letzten Tagen hatten wir verstärkt Futter ausgelegt und immer mal wieder eine Viertelstunde beobachtet.

    Schneeregen und Eisnebel ließ Vögel verstummen

    Und wir haben festgestellt, dass es längst nicht so viele Zaungäste waren, wie noch vor einem Jahr. Lag es an dem Sturm, der am Mittwoch den schweren Bambus umwarf? An Schneeregen und Eisnebel, der die Vögel verstummen ließ?

    Im Januar 2016 jedenfalls konnten wir die Meisenkugeln gar nicht so schnell nachhängen, wie sie gefressen wurden. Buchfinken, Kohlmeisen und Blaumeisen balgten sich um die Bälle und das Rotkehlchen pickte die Reste vom Boden.

    Es wurden weniger Jungvögel aufgezogen

    In diesem Jahr habe ich mehrfach Kugeln aus den Bäumen holen müssen, die nicht angerührt wurden, und auch die Sonnenblumenkerne, eigentlich ein Leckerbissen, gingen längst nicht so gut. Birgit Königs, Sprecherin des Nabu in NRW, bestätigt „Meldungen aus dem ganzen Land, dass Vögel an den Futterstellen vermisst werden!“.

    Die Nabu-Expertin vermutet, dass mancher Gartenvogel wegen des schlechten Wetters im kalten Frühjahr nicht genug Nahrung – sprich Insekten und Raupen – gefunden hat und deshalb besonders wenig Jungvögel aufgezogen wurden. Das reguliere die Natur in der Regel innerhalb von ein bis zwei Jahren selbst.

    Es gibt ein Überangebot an Futter

    Denkbar sei aber auch ein geringerer Zuzug von Vögeln aus dem Norden oder dass viele Vögel aufgrund des bisher milden Winters auch außerhalb der Gärten noch viel Nahrung finden.

    Zudem herrscht in unserer Nachbarschaft ein Überangebot: Rechts und links nebenan sind ebenfalls Futterhäuschen aufgestellt, weniger Vögel teilen sich also mehr Restaurants.

    Zum Abschluss guckt ein Zaunkönig aus der Mauer

    Meine Liste an diesem Sonntagmorgen füllt sich trotzdem, wenn auch langsam. Der Platzhirsch vor Ort ist ein schwarzes Amselmännchen, das sich über die Sonnenblumenkerne hermacht, in respektvollem Abstand folgen zwei Amselweibchen, die sich um das Futter streiten.

    Die Amseln haben die Nabu-Experten besonders im Blick, denn im Herbst 2016 kam es in NRW erneut zu einem Amselsterben durch das Usutu-Virus.

    Dieser Zaunkönig sitzt in einem Baum.
    Dieser Zaunkönig sitzt in einem Baum. © Udo Kreienbohm

    Ansonsten zähle ich drei ungewöhnlich scheue Kohlmeisen in Lauerstellung, eine flink hin- und her fliegende Elster, den Baum gegenüber teilen sich eine Hand voll Krähen und Ringeltauben, zwei Buchfinken putzen sich in der Hecke. Und dann guckt aus der Steinmauer links ein braunes Federbällchen hervor – ein Zaunkönig. Was für ein Start in den Tag.

    >>>Ersten Auswertungen der Zählung zufolge hat die Zahl der beobachteten Vögel abgenommen.

    Betroffen sind besonders Grünfink, Kernbeißer und alle Meisenarten, die zwischen 30 und 55 Prozent im Minus liegen.

    Positive Werte erreichte die Heckenbraunelle, auch die Amselwerte zeigen trotz regionaler Ausbrüche des Usutu-Virus weiter nach oben.

    Endgültig ausgewertet werden die per Post oder online eingeschickten Beobachtungen in einer Woche sein. Über Zwischenstände informiert:
    www.nabu.de