Im Rheinland. . Brennende Barrikaden und Trafos, Steine auf Polizeiautos – und jetzt rodet RWE südlich der A 4: Die Auseinandersetzung um den Tagebau spitzt sich zu.
Unter dem verstärkten Schutz der Polizei hat der Energiekonzern RWE gestern die Rodung im Hambacher Forst fortgesetzt, wo sich der Tagebau weiter durch die Landschaft frisst. Überraschend fielen erste Bäume südlich der alten A4-Trasse und Köln, wo gut 1000 Braunkohle-Gegner im Oktober symbolisch eine „rote Linie“ gezogen hatten. Die Polizei fürchtet nun weitere Gewaltaktionen seitens militanter Aktivisten.
Rodungsteams bei der Arbeit, dazu viel Polizei, die mit Sonderfahrzeugen Barrikaden aus dem Weg räumt und Gräben zuschüttet – gestern war viel Betrieb im Hambacher Forst. Im Vergleich zu dem, was sich in den letzten zwei Wochen abgespielt hat, war es dennoch ein ruhiger Tag. Der zuständige Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach spricht von einer „Gewalteskalation“. „Wir sind praktisch jeden Tag vor Ort“, sagte eine Polizeisprecherin der NRZ. Mittlerweile ist auch ganz erheblicher Sachschaden entstanden.
Erst am Freitagabend hatten auf dem Gelände vier Trafostationen und das Führerhaus eines Kettenbaggers in Flammen gestanden – Brandstiftung. Mittags hatte sich die Polizei einem Trupp von bis zu 30 Vermummten gegenüber gesehen, die sich mit Steinen als Wurfmaterial munitioniert hatten. Einen und zwei Tage davor war ein Hagel von Steinen und Metallteilen auf Einsatzfahrzeuge niedergegangen, hatte vier Autos teils schwer beschädigt. Einige der flüchtenden Steinewerfer waren in Tarnanzügen gekleidet.
Die Aachener Polizei hatte die Zuständigkeit für den Hambacher Forst im August
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übernommen. Weinspachs Behörde feiert einen betont auf Dialog und Deeskalation bedachten Kurs. Seit dem Beginn der neuen Rodungssaison im Oktober musste sie aber zur Kenntnis nehmen, dass sie damit den kleinen militanten Teil der Braunkohlegegner nicht erreicht. Beobachter gehen davon aus, dass es sich um einen Kreis von einigen Dutzend Leuten handelt. Von einigen konnte die Polizei Personalien feststellen. Es sind Männer und Frauen von Anfang 20 bis Ende 30, ein Teil stammt aus der autonomen Szene im Kreis Düren.
„Friedensgespräche“ hinter den Kulissen
Der 15. November gilt als Wendepunkt. Da prasselten Steine auf Polizeiautos und RWE-Fahrzeuge nieder, ausgestreute Krallenfüße ließen Reifen platzen, Barrikaden brannten. Sogar eine Bombenattrappe wurde gefunden (die NRZ berichtete). Seither blasen die Militanten zur Attacke. Die Polizei geht mit Konsequenz gegen Straftäter vor; ist gleichwohl aber offenkundig bemüht, Gesprächsfäden zu allen übrigen Braunkohlegegnern und Waldschützern nicht abreißen zu lassen. Besetzer in Bäumhäusern und Bewohner des nahen Wiesencamps wurden eigens informiert, dass der Polizeieinsatz gestern nicht der Räumung, sondern nur dem Schutz der Rodungsmaßnahmen diene.
In den Reihen der friedlichen Braunkohlegegner legt man großen Wert auf eine Distanzierung: „Wir haben es da mit einer kleinen Zahl von Menschen zu tun, die vor Straftaten nicht zurückschreckt und den legitimen Protest der vielen anderen diskreditiert. Ihre Aktionen nützen nur einem: RWE“, sagt Dirk Jansen vom BUND. Bürgergruppen, Kirchen und Umweltverbände sind im friedlichen Protest versammelt. Der BUND z. B. zieht gegen die Ausweitung des Tagebaus vor Gericht, versucht auch einen 500 qm großen Acker bei Kerpen-Manheim juristisch gegen die Kohlebagger zu verteidigen.
Hinter den Kulissen laufen Gespräche der Protestgruppen mit RWE („Initiative Friedensplan“). Ziel ist es, eine Eskalation der Auseinandersetzung um den Hambacher Forst zu vermeiden. Diese Gespräche sieht Dirk Jansen belastet, nachdem der Energiekonzern nun mit der Rodung südlich der alten A 4 Trasse begonnen hat: „RWE schafft Fakten.“