Essen. Die Angriffe auf Geldautomaten lassen nicht nach – sie sind ein NRW-Problem. Warum die Täter Bayern meiden, zeigt ein Bericht des Bundeskriminalamtes.

  • 70 von bundesweit 150 Fällen von Attacken auf Geldautomaten trugen sich in NRW zu
  • BKA sieht geografische Gründe für die Häufung – nämlich die Grenznähe
  • Niederländische Banken haben zuletzt massiv in die Sicherheit der Automaten investiert

Antoine Griezmann hatte die deutsche Elf gerade nach einem Elfmeterschuss mit Rückstand in die Kabine geschickt, als es am 7. Juli im Kölner Vorort Gremberghoven ziemlich laut knallte. Es war nicht der Champagner-Korken eines Franzosen. Unbekannte hatten die Aufmerksamkeits-Lücke während des entscheidenden EM-Halbfinales genutzt, um den Geldautomaten der örtlichen Sparda-Bank zu sprengen. Jetzt waren sie samt Beute weg.

Bisher 80 gesprengte Geldautomaten in NRW

Die Anschläge auf Geldautomaten sind ein klares NRW-Problem. Mindestens 80 sind hier zwischen Januar und Juli diesen Jahres zu verzeichnen. Oft sind Sparkassen und Volksbanken betroffen, viele davon in Vorstädten und durchaus im ländlichen Raum. Schon 2015 meldeten die nordrhein-westfälischen Polizeidienststellen 70 schwere Attacken auf die Euro-Spender. Im ganzen Bundesgebiet waren es 157 gemeldete.

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat jetzt einen detaillierten Lagebericht zu dieser kriminellen Sparte erstellt. Niedersachsen liegt danach mit 28 Anschlägen auf Platz 2. Nennenswertere Zahlen gibt es noch aus Hessen, Berlin und Brandenburg. Auffallend: Baden-Württemberg verzeichnete im letzten Jahr lediglich zwei Delikte dieser Art, Bayern kennt die neue Spielart der Geldbeschaffung (bis dato) nicht.

Banden operieren in Grenznähe zu den Niederlanden

Die BKA-Statistiker sehen dafür geografische Gründe, nämlich „die Nähe der Grenze“. NRW wie Niedersachsen sind Anlieger der Niederlande, für viele Geldautomaten-Täter ist das die Operationsbasis. Von den 2015 bundesweit festgenommenen zwanzig Tatverdächtigen kamen laut BKA zehn aus Deutschland, vier waren aus Marokko stammende Holländer. Auch Polen mischen in den Geschäften mit.

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Es habe ein „Verdrängungseffekt“ eingesetzt, weil niederländische Banken massiv in die Sicherheit ihrer Automaten investiert hätten und die Niederlande repressiv gegen die Täter vorgingen, heißt es in Wiesbaden. Ein Mittel sind Vernebelungsmaschinen. Räume mit Geldautomaten werden in Sekundenschnelle so völlig undurchsichtig. Auch machen viele Geldhäuser ihre Räume inzwischen generell nachts zu. Deutsche Banken zögern immer noch mit Gegenmaßnahmen, obwohl die Schadenshöhe an den Geräten inzwischen die der Beute übersteigt.

Gegenmaßnahmen kommen Banken teuer zu stehen

Ein wichtiger Trick der Täter ist der Einsatz von Gasgemischen, um die Explosion herbeizuführen. Die Sprengung mit Hilfe dieser Gemische steht laut Bundeskriminalamt im Ranking der beliebten Tatmittel an erster Stelle, eine „Komplettentwendung“ durch Demontieren oder brachialem Herausbrechen folgt erst danach. Manchmal werden sogar militärische Sprengstoffe zur Anwendung gebracht, sagt das BKA. Gegen die Gemische gibt es Neutralisierungs-Systeme. Ihr Einbau ist zwischen 2000 und 3000 Euro teuer.

BKA und Regierung empfehlen den Banken zudem die Einfärbe-Methode, um ihre Geldbestände zu sichern. Dabei werden die Geldscheine durch Farbe unbrauchbar gemacht, wenn der Automat gewaltsam geöffnet wird. Kostenpunkt für die Banken: 2000 bis 4000 Euro pro Gerät. In Frankreich und Belgien ist das sogar gesetzlich vorgeschrieben.

Knapp jede zweite Sprengung gelingt

Das Sprengen ist generell eine gefährliche Sache. Zwar ist, mit einer Ausnahme in Rheinland-Pfalz, trotz der seit 2013 stark ansteigenden Fallzahlen noch niemand schwerer verletzt worden. Das allerdings wohl eher aus Zufall wie in Wesel kurz vor Weihnachten letzten Jahres: Die Druckwelle der Explosion riss sämtliche Fenster und Türen der Bank aus der Verankerung, Glassplitter flogen zwanzig Meter weit. Man holte einen Statiker, um die Standsicherheit des Gebäudes zu begutachten. Dabei hatten die flüchtigen Täter gar keine Beute machen können.

Das ist ein durchaus übliches Ergebnis. Die „Erfolgsquote“ der Sprengung liegt nicht so hoch. Unter den 157 schweren Fällen des letzten Jahres listet das BKA 86 misslungene Versuche auf.