An Rhein und Ruhr. . Der Lebensmittelhandel an Rhein und Ruhr hat das erste Weihnachtsgebäck im Regal. Den Kirchen schmeckt das nicht – noch nicht. Sie sagen: Alles hat seine Zeit

Der Sommer meldet sich in dieser Woche mit Schwitzewetter von 30 Grad und mehr zurück. Wer will, kann im Freibad mitgebrachte Dominosteine und Spekulatius verzehren. Der Lebensmittelhandel hat seit einigen Tagen das erste Weihnachtsgebäck und Naschwerk im Regal – dreieinhalb Monate vor dem Fest. Kritik kommt von den Kirchen. Ihre Botschaft, frei nach dem Alten Testament: „Alles hat seine Zeit.“ „Wenn diese Süßigkeiten und Backwaren ihre Bedeutung als sinnliche Begleitboten der Zeit des Erwartens behalten sollen, tut man gut daran, sie in ihrer Zeit zu belassen“, meinte ein Sprecher des Bistums Münster auf NRZ-Nachfrage.

Manfred Rekowski, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, erklärte: „Wenn ich bei hochsommerlichen Temperaturen mit kurzärmeligem Hemd im Supermarkt vor Spekulatius und Dominosteinen stehe, komme ich mir schon vor wie im falschen Film.“ Aber er freue sich, dass es immer mehr Menschen gebe, die sich nicht drängen lassen und noch Geduld haben, bis Advent ist – „dann schmeckt das Gebäck auch besser“. Ein Sprecher des Ruhrbistums meinte augenzwinkernd: „Wir freuen uns schon jetzt darauf, den ersten Spekulatius in 12 Wochen zu essen, und hoffen, dass da noch nicht alles ausverkauft ist.“

Hersteller sprechen von „Herbstgebäck“

Wilhelm Bommann, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Niederrhein, kann das Befremden angesichts der sommerlichen Temperaturen nachvollziehen: „Das ist schon ein bisschen irritierend.“ Tatsächlich seien die Lieferzyklen kürzer geworden – aber eben nicht nur bei Gebäck und Süßem, auch bei Textilien: „Schon in der zweiten Woche des Sommerschlussverkaufs kommt die neue Herbstmode – auch wenn es draußen noch

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warm ist.“ Gekauft wird trotzdem – auch Weihnachtsgebäck. Bommann verweist auf die Nachfrage, die mit fortschreitender Zeit zunehme. Dass sich der Verkauf von Weihnachtssüßigkeiten in den nächsten Jahren im Kalender noch weiter nach vorne schiebt, glaubt der Einzelhandelsfachmann nicht: „Ich denke mit Ende August/Anfang September ist eine Grenze erreicht.“

Eine treibende Kraft bei der Ausdehnung der Verkaufszeiten sind die Hersteller. Hermann Bühlbecker, Inhaber des Aachener Printen-, Stollen- und Lebkuchenproduzenten Lambertz, versteht die Aufregung nicht. „Von Weihnachten habe sich das Gebäck schon lange gelöst“, erklärte Lambertz der Deutschen Presse-Agentur. Er will Lebkuchen & Co. als „Herbstgebäck“ verstanden wissen. In Russland oder den Ländern Südamerikas verkaufe er es sogar das ganze Jahr über.

Egal, wie es nun heißt, ob Herbst- oder Adventsgebäck: Der Hunger hierzulande ist auf jeden Fall groß. Laut Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie liegt der Prokopf-Verbrauch bei etwa 900 Gramm.