Essen. Rund 150 Einbrüche gibt es in NRW pro Tag. Doch nur einer von Bruchteil der Täter wird bestraft. Woran krankt es bei der Strafverfolgung im Land?

Lässt die NRW-Justiz Strafttäter zu schnell laufen? Im Schnitt wird in Nordrhein-Westfalen täglich rund 150 Mal in Häuser und Wohnungen eingebrochen. Doch von 100 Einbrechern muss lediglich einer seine Tat mit Haft büßen, weitere 0,7 Prozent erhalten Bewährungsstrafen. Die allermeisten kommen unbehelligt davon.

Auch interessant

Die geringe Verurteilungs-Quote in NRW, die noch weit unter dem Bundesdurchschnitt von 2,6 Verurteilungen je 100 Täter liegt, führt in den Polizeipräsidien des Ruhrgebiets jetzt zu einer Debatte über die Wirksamkeit der Strafverfolgung. Letzter Auslöser: Die Freilassung von zwei gefassten Einbrechern in Bochum, die vom Balkan stammen und keinen Wohnsitz in Deutschland haben. Die Inhaftierung der unter 20-Jährigen war von der Staatsanwaltschaft aus Gründen der „Verhältnismäßigkeit“ abgelehnt worden. Das hat zu heftigem Protest der Einbruchsopfer geführt.

Einbruchsserien lassen sich nicht mehr nachweisen

Dabei ist der Vorgang kein Einzelfall. Frank Lemanis von der Bochumer Polizei sagte unserer Redaktion: Reisende Täter aus Südost- und Osteuropa seien hier „drei bis fünf Monate“ aktiv. „Diese werden häufig nur ein bis zweimal bei versuchten Einbrüchen festgenommen und reisen dann wieder aus, weil in solchen Fällen keine Untersuchungshaft verhängt wird“. Lägen dann die Ergebnisse von Spurensicherung und der DNA-Analyse auf dem Tisch, „können Einzelfälle zwar noch zugeordnet werden, aber keine großen Serien“. Ergebnis, so Lemanis: „Viele Strafverfahren enden mit einem Haftbefehl für einen Täter, der sich nicht mehr in Deutschland aufhält“.

Auch aus einem anderen großem Revier-Präsidium kommt der Hinweis auf die mit 3,4 Verurteilungen pro 100 Einbrecher höhere Verurteilungsquote in Bayern – einer der Gründe könne auch in der mangelnden Ausstattung der Justiz in NRW liegen, heißt es dort. Im Essener Polizeipräsidium hingegen loben die zuständigen Beamten des Einbruchsdezernats die Zusammenarbeit mit ihrer Staatsanwaltschaft ausdrücklich.

Kriminologe Pfeiffer spricht von Staatsversagen

Der niedersächsische Kriminologe Kriminologe Christian Pfeiffer spricht in diesem Zusammenhang generell von einem „krassen Staatsversagen“. In einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung sagte er: „97,4 Prozent der Einbrecher werden geradezu ermutigt, ihre kriminellen Aktivitäten fortzusetzen“. Abschreckend für die Täter sei nicht die Höhe der Strafe, sondern die vermutete Wahrscheinlichkeit, erwischt und verurteilt zu werden.

Allerdings liegen auch die Aufklärungsquoten in NRW-bei Einbrüchen mit zehn bis 15 Prozent niedrig. Sie kennzeichnen die Zahl der Fälle, in denen die Polizei einen Tatverdächtigen nennen kann. Staatsanwälte an Rhein und Ruhr betonen darüber hinaus, sie müssten einen Großteil der Verfahren wieder einstellen, weil die Beweislage nicht ausreiche.