Düsseldorf. . Die Polizei ist verärgert. Vorwurf: Die Justiz hat Tätern aus Nordafrika lange nicht klar gemacht, warum sie sich an deutsche Gesetze halten sollten.
- Viele Taschen- und Autodiebstähle werden von zugewanderten Nordafrikanern verübt, glaubt der Kommissariatsleiter beim Polizeipräsidium Münster.
- Vorwurf der Polizei: Die Justiz hat Tätern aus Nordafrika lange nicht klar gemacht, warum sie sich an deutsche Gesetze halten sollten.
- Experten warnen derweil vor einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ unter Migranten.
Eigentlich wollten sie ja über Terrorismus sprechen auf dem ersten Düsseldorfer Kriminalforum der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in diesem Jahr. „Aber dann kam die Kölner Silvesternacht“, erklärt der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert. Und so haben sie am Donnerstag über „Kriminalität gegen, von und unter Zuwanderer(n)“ gesprochen. Plickert spricht extra von Zuwanderern, nicht von Flüchtlingen. „Denn nicht alle Menschen, die zu uns kommen, sind Flüchtlinge.“ Und mit denen, die keine sind, tut sich die deutsche Justiz sehr schwer.
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Kaum einer weiß das besser als Jürgen Tölle, Kommissariatsleiter beim Polizeipräsidium Münster und seit Jahren Experte für Taschen- und Autodiebstähle. Verübt werden sie fast immer von Nordafrikanern, von Menschen aus Marokko oder Algerien, deren Asylantrag teilweise bereits vor Jahren abgelehnt worden ist, aber die trotzdem geblieben sind. „Menschen in einer Art Grauzone“ sind sie für Tölle. Er hat keine wissenschaftliche Untersuchung über sie gemacht, aber er kann sie einschätzen, sagt er. Denn er hat sie kennengelernt. Bei Überwachungen, Verhören, Verhandlungen. Er weiß, woher sie kommen und wie sie denken. „Männer ohne wirtschaftliche Perspektive, bildungsfern.“
Nicht nachweisbar organisiert, aber gut vernetzt
Natürlich wissen sie, dass sie kaum eine Chance auf Asyl haben. Deshalb bleiben sie selten lange an einem Ort, nutzen mehrere Identitäten. Sie stehlen, brechen ein, handeln mit Drogen. Alleine oder in Gruppen. Nicht nachweisbar organisiert, aber gut vernetzt. Vor allem ohne Angst vor Strafe. „Wenn jemand 20 bis 30 Taten verübt, und zwei Drittel der Fälle werden sofort eingestellt, gewinnt der Täter natürlich den Eindruck: Es passiert mir nichts“, sagt Tölle. Und genau das erzählen sie auch bei Telefonaten mit Daheimgebliebenen. Die kommen dann gerne nach.
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Erwischte Diebe aus Nordafrika könnten zunächst gar nicht fassen, in Deutschland nach wenigen Stunden wieder auf freiem Fuß zu sein: „Die glauben, das ist ein ganz fieser Trick, und gucken uns misstrauisch an.“ Beeindruckt sind sie am Ende nicht. „Einer hat gleich in der ersten Seitenstraße neben dem Präsidium schon wieder den nächsten Wagen aufgebrochen“, erzählt Tölle und fasst zusammen: „Die Justiz hat diesen Menschen lange nicht klar gemacht, warum sie sich an Gesetze halten sollten.“
Schon droht neue Gefahr
In Münster wissen sie es mittlerweile. Dort hat Tölle eine Sonderkommission gebildet, hat weit über 1000 Diebstahlverfahren noch mal unter die Lupe genommen, hat Verbindungen zwischen ihnen geknüpft, Razzien durchgeführt, der Staatsanwaltschaft so Beweise geliefert. Viele Nordafrikaner kamen bei den deshalb eingeleiteten Verfahren in Haft. Auch das hat sich herumgesprochen. „Die Fallzahlen sind zurückgegangen.“
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Doch schon droht neue Gefahr. Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat am Donnerstag einmal mehr vor einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ unter Migranten gewarnt. Während Kriegsflüchtlinge gute Bleibechancen hätten und sich vor allem im ersten Jahr deshalb sogar meist friedlicher als Einheimische verhielten, hätten Zuwanderer aus Nordafrika oder Afghanistan keine Perspektive. „Sie wissen, dass sie kein Asyl bekommen. Aber die große Mehrheit wird lieber illegal in Deutschland bleiben als die Heimreise anzutreten“, bestätigt der ehemalige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen Tölles Erfahrungen. Viele dieser Illegalen könnten dann in die Kriminalität abdriften.
Kriminologe warnt vor Visa-Freiheit für Türken
Nach Pfeiffers Einschätzung ein hausgemachtes Problem. Deutschland sei durch seine lange gepflegte Willkommenskultur „zu einem Magneten für Flüchtlinge geworden“. Erst die Arme ausbreiten, sagen, „Wir schaffen das“, um dann aber zwischen den Flüchtlingen zu unterscheiden, „das geht nicht“, findet Pfeiffer und empfiehlt, „eine Ausnahme zu machen“ und alle 2015 Eingereisten gleich zu behandeln. „Im Gegenzug müssen wir aber weiteren Zuzug stoppen.“
Deshalb rät der Professor auch eindringlich von einem Visa-Wegfall für türkische Bürger ab, wie Präsident Erdogan ihn derzeit fordert. Dann würden Hunderttausende Armutsflüchtlinge aus der Türkei in Deutschland einsickern. „Menschen, die wir mit keiner der bisherigen Maßnahmen integrieren könnten“, glaubt Pfeiffer. „Das würde sich bei den Kriminalitätszahlen zeigen.“