Essen. Mit Interesse verfolgt die Stadt Razzien in den Unterkünften anderer Kommunen. Essens Ordnungsdezernent Kromberg behält sich ähnliche Aktionen vor.
Recklinghausen, Dortmund, Ahlen und andernorts: Razzien in Flüchtlingsunterkünften sind nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht und dem Bekanntwerden gravierender Mängel bei der Erfassung von Neuankömmlingen an der Tagesordnung. Die Behörden erhoffen sich vor allem Erkenntnisse über mutmaßlich kriminelle und unter falschen Identitäten eingereiste illegale Flüchtlinge aus Nordafrika. In Essen wird diese Politik der Nadelstiche derzeit mit Interesse verfolgt. „Natürlich beobachten wir, wie andere Städte damit umgehen“, sagt Ordnungsdezernent Christian Kromberg auf Nachfrage: „Wir behalten uns ähnliche Aktionen vor.“
Aus Angst vor Abschiebung keinen Asylantrag stellen
Denn auch die Stadt Essen würde gerne erfahren, mit wem sie es zu tun hat in ihren Einrichtungen. Zumal sich die Hinweise aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verdichten, dass womöglich ein Viertel aller Flüchtlinge, die als Syrer ins Land kommen, aus den Maghreb-Staaten stammen könnten. Diese Menschen wären nahezu ohne jede Bleiberechtsperspektive.
Erst vor wenigen Tagen hatte Oberbürgermeister Thomas Kufen in einem Brief an den BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise über „Nichtentscheidungen“ geklagt und dringend darum gebeten, sich dieses Problems anzunehmen. Denn fast 60 Prozent aller über 4200 Flüchtlinge in den Essener Einrichtungen sind ausschließlich im Besitz einer Bescheinigung über die Meldung als Asylbewerber, kurz „BÜMA“. In Ahlener Unterkünften hatte mehr als die Hälfte der Nordafrikaner mehrere dieser vorläufigen Aufenthaltspapiere bei sich. Sie hatten sich in diversen Unterkünften gemeldet und mehrfach Sozialleistungen kassiert, so der Verdacht nach der Razzia. Einer, den die hiesigen Behörde zwar nicht von der Hand weisen, jedoch nicht nachweisen können.
Flüchtlinge aus Algerien und Marokko stellen keinen Asylantrag
Eine Erkenntnis aber hat längst die Runde gemacht: Aus Angst vor Abschiebung stellen viele Flüchtlinge aus Algerien und Marokko erst gar keinen Asylantrag, wozu sie eigentlich verpflichtet wären. Doch sie kommen einfach nicht zu den Terminen, klagt Sozialdezernent Peter Renzel. Damit halten sich diese meist jungen Männer nach dem Gesetz illegal in Essen auf. Doch die simple politische Botschaft aus Berlin, dass das Ausländerämter sie deshalb sofort abschieben könne, geht offenbar an der kommunalen Realität vorbei.
Denn nicht wenige der Flüchtlinge sollen im Besitz syrischer Personalpapiere sein, die der IS nach Erkenntnissen von Staatsschützern erbeutet und weiterverkauft hat. Diese mutmaßlich falschen Identitäten in jedem Einzelfall nachzuweisen, wäre für die Behörden eine fast aussichtslose Mammutaufgabe. Dazu kommt eine Reihe von Abschiebehindernissen, wie die Beschaffung von Personalersatzpapieren, die mangelnde Bereitschaft der Herkunftsstaaten ihre Bürger zurückzunehmen, Krankheiten und die in NRW per Erlass geregelte Praxis, Abschiebungen anzukündigen, obwohl der Bund eine andere Rechtsauffassung vertritt.
184 Flüchtlinge aus dem Maghreb in den Essener Einrichtungen durchlaufen zurzeit rechtsstaatliche Asylverfahren und haben daher Anspruch auf Sozialleistungen. Die Schattenmenschen unter den Zugereisten aus Nordafrika aber muss die Stadt erst noch auf den Schirm bekommen.