Düsseldorf/Essen. . Nach der Absage vieler Rosenmontagszüge wird mancherorts überlegt, Umzüge nachzuholen. Manche kritisieren, das stehe im Widerspruch zum Brauchtum.

  • Viele Karnevalisten sind gegen Umzüge während der Fastenzeit
  • Karnevals-Dachvereinigung pocht auf Karnevalisten-"Ethik-Charta"
  • Die Absage so vieler Umzüge sei Pech gewesen und höherer Gewalt geschuldet

Es war die kürzeste Karnevalssession seit langem, doch mancherorts könnte sie in diesem Jahr über Aschermittwoch hinaus andauern: Nachdem mehrere Dutzend Rosenmontagszüge in NRW jüngst wegen Sturmwarnung abgesagt worden waren, wird vielerorts überlegt, sie in den kommenden Wochen nachzuholen. Das, kritisieren Karnevalisten, widerspreche jedoch dem Brauchtum.

"Jetzt heißt es, die alte Session abhaken", sagt Dieter Seedorfer, Präsident vom Landesverband Rechter Niederrhein im Bund Deutscher Karneval, Dachorganisation deutscher Karnevalsvereine. Die Absage so vieler Umzüge sei Pech gewesen und höherer Gewalt geschuldet. Doch jetzt sei die Session eben vorbei, bis zum 11. November: "Wir raten, die Züge nicht nachzuholen".

Karnevals-Dachvereinigung pocht auf Karnevalisten-"Ethik-Charta"

Im Düsseldorfer Comitee Carneval (CC) mag man diese Mahnung des eigenen Dachverbands nicht kommentieren, erklärt Sprecher Hans-Peter Suchand. Mit einer 36-köpfigen Delegation ist das CC zurzeit auf Teneriffa, um dort 44 Jahre Karnevals-Partnerschaft mit der Kanaren-Insel zu feiern. Bereits am Tag nach der Zug-Absage verkündete das CC, den Zug am 13. März nachzuholen. Mitten in der katholischen Fastenzeit. Kritikern entgegnet der CC-Sprecher: "Kölns Erzbischof Rainer Woelki hat uns versichert, dass Sonntage nicht zur katholischen Fastenzeit gehören". Die ursprüngliche Idee, den Zug am 6. März durch die Stadt ziehen zu lassen, hatte man wegen eines gleichzeitigen verkaufsoffenen Sonntags verworfen. Erzbischof Woelki hatte für diesen Tag sogar geworben, der im katholischen Kirchenjahr "Laetare" heiße, also "Freue dich".

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Auch im benachbarten Hilden wird der Rosenmontagszug nachgeholt, heißt es seit jüngstem beim dortigen Carnevals Comitee - am 3. April, dem ersten Sonntag nach Ostern, wenn die Fastenzeit also vorbei ist. Im Landesverband Rechter Niederrhein kommentiert Präsident Dieter Seedorfer auch diesen Termin mit Ablehnung: "Das widerspricht der Satzung des Bund deutscher Karneval". Der hatte 2008, getragen von allen Mitgliedsverbänden, in einer "Ethik-Charta" besiegelt, dass "Fastnacht, Fasching und Karneval im christlichen Jahreslauf verankert sind" und sie als "Schwellenfest vor der österlichen Fastenzeit eine klare zeitliche Begrenzung" haben: "Am Aschermittwoch ist definitiv Schluss", heißt es gleich in der ersten von elf Positionen.

Karneval soll auch "Bollwerk gegen die Kommerzialisierung" sein

Den Rosenmontagszug demnächst nachzuholen ist indes in vielen Orten im Gespräch, dazu zählen Mülheim, Duisburg, Essen, Bottrop und auch Hagen, heißt es. In Mülheim will Heiner Jansen, Präsident des dortigen Hauptausschusses, die Entscheidung jedoch auch davon abhängig machen, welche Devise der Bund Deutscher Karneval ausgibt. Dessen Präsident Volker Wagner hatte bereits am Montag davor gewarnt, vorschnell neue Termine zu nennen.

Für Dieter Seedorfer ist die Debatte auch Ausdruck für einen grundsätzlichen Disput im organisierten Karneval. Der BdK hebt hervor, der Karneval sei als "kulturelles Erbe" auch "ein Bollwerk gegen die Kommerzialisierung". Die Professionalisierung von Karnevals-Sitzungen und so manche zum "Event" aufgemotzten Karnevalsumzüge hätten sich vom eigentlichen Brauchtum jedoch entfernt.

Für viele Ausrichter der Rosenmontagszüge mögen indes auch ganz praktische Überlegungen im Vordergrund stehen, sagt Ulrich Pütz, Zugleiter des Rosenmontagszugs in Mülheim. "Wir müssten Zug komplett neu organisieren", auch Absperrgitter und Sicherheitspersonal "müssten wir neu anmieten". Diese Kosten müssten die 13 Karnevalsvereine vor Ort erstmal stemmen. Im niederrheinischen Rees hält man sich unterdessen an die Tradition: "Karneval soll an die Karnevalszeit gebunden sein", sagt der Vorsitzende des örtlichen Karnevalsvereins, Frank Schenk: "Der Zug wird in diesem Jahr auf keinen Fall wiederholt".