Köln/Düsseldorf/Duisburg/Dortmund. . Nach den Übergriffen in der Silvesternacht werden die Sicherheitsmaßnahmen zu Karneval massiv ausgeweitet. Für die Polizei bis zur Belastungsgrenze.

  • Polizei in Köln und Düsseldorf plant Einsätze zu Karneval diesmal wie bei Hochrisiko-Spielen im Fußball
  • Kommunen auch im Ruhrgebiet stocken Ordnungsdienste und Sicherheitspersonal an Karnevalstagen auf
  • Auch Bundespolizei will Lehren aus Silvesterübergriffen ziehen

Mobile Scheinwerfer, Videoüberwachung und vor allem viel mehr Polizei: Der Straßenkarneval in diesem Jahr in NRW wird von massiven Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Polizei und Kommunen treibt dabei in den Karnevalshochburgen auch eine nach wie vor latente Terrorgefahr an, viel mehr jedoch die massiven Übergriffe in der Silvesternacht in Köln und andernorts.

"Seit Silvester ist nichts mehr wie es war", sagt etwa Christoph Gilles, Sprecher der Polizei Köln. Erstmals für die Tage von Altweiber bis Aschermittwoch hat die Kölner Polizei mehreren Dutzend "spezifisch vorbelasteten Personen" ein Betretungsverbot für die Kölner Innenstadt erteilt; schriftlich per Post. Das kennt man bis dato nur von Hochrisiko-Fußballspielen oder Demos der Extremisten-Szene. Gleiches hat die Polizei in Düsseldorf für die Altstadt verfügt, unter anderem gegen elf Beschuldigte, die nach den Silvesterübergriffen ermittelt worden sind. Wer trotzdem in der Altstadt angetroffen wird, kann leichter in Gewahrsam genommen werden. Angesichts der massiven sexuellen Übergriffe vor dem Hauptbahnhof zu Silvester kündigt die Polizei in Köln zudem eine besonders große "Gefangenensammelstelle" an: "Wir stellen uns darauf ein, an Karneval mehrere Hundert Personen in Gewahrsam zu nehmen". Typische Delikte zu Karneval seien Taschendiebstähle, Körperverletzung oder sexuelle Übergriffe.

Polizei Köln schwenkt um auf 12-Stunden-Schicht - wie während des Golf-Kriegs

"Deutlich mehr Polizei" soll auf den Straßen der Karnevalsstädte sein, in Uniform und in zivil. Dienstfrei-Verbot und Urlaubssperre gelten in zig Polizeibehörden an Rhein und Ruhr. Auch für die 18 Hundertschaften der Polizei in NRW, wo die zuständige Landespolizeilichen Dienste in Duisburg erst noch entscheiden werden, wie das Personal - je Hundertschaft um die 120 Einsatzkräfte - letztlich verteilt wird. Die traditionellen Karnevalsfeiern für die Belegschaft in den Polizeipräsidien sind in diesem Jahr abgesagt worden, etwa in Köln, Düsseldorf, Duisburg und Essen; mangels Freizeit und mangels Feierstimmung.

In Köln greift die Polizei gar auf einen Kniff zurück aus der Zeit des Golf-Kriegs 2003. Weil damals landesweit der Objektschutz ausgeweitet werden musste, wurde der Drei-Schicht-Betrieb in den Wachen auf zwei Schichten umgestellt. Polizisten in Köln schieben nun zwischen Altweiber und Veilchendienstag 12 Stunden Dienst statt acht. Damit wird Personal für andere Aufgaben 'freigeschaufelt'.

Gewerkschaft der Polizei schätzt durch Karneval bis zu 300.000 Überstunden

"Das darf nicht zur Regel werden", sagt Arnold Plickert, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei in NRW (GdP). Auch nicht, dass diesmal Polizeianwärter in großem Stil - die Rede ist von 2400 Kräften aus den Aufnahme-Jahrgängen 2013 und 2014 - die Polizei vor Ort unterstützen werden. Nicht unbedingt neu, wenn es um die Begleitung von Karnevalsumzügen geht. Jetzt aber sollen sie unter anderem bei der Notruf-Annahme unterstützen oder schlicht Präsenz zeigen, etwa in Köln, Düsseldorf, Essen oder Dortmund. Sie sollen in Gruppen eingesetzt werden, angeleitet jeweils von einem erfahrenen Beamten als "Tutor", wie es üblich ist in der Praxisausbildung.

Der massive Polizeieinsatz an den Karnevalstagen dürfte die Überstundenbilanz um bis zu 300.000 Stunden ausweiten, schätzt Arnold Plickert. Vor allem die Bereitschaftspolizei im Land sei "personell längst am Ende", mahnt der GdP-Mann, weil sie 2015 fünfmal mehr zur Unterstützung in anderen Bundesländern angefordert worden sei, als im Jahr zuvor. Alleine in NRW seien im vergangenen Jahr 250.000 Dienststunden im Fußball angefallen.

Massives Sicherheitsaufgebot allerorten:

Mehr Staatsanwälte und mehr Richter sind zu Karneval in Bereitschaft 

Auch die Karnevals-Kommunen weiten ihre Sicherheitsvorkehrungen aus. Die Stadt Dortmund will für sichbare Präsenz ihres Ordnungsdienstes sorgen: "Ordnungsstörungen gleich welcher Art werden konsequent aufgegriffen". In diesem Jahr würden die Streifen des Ordnungsamtes auch am Karnevals-Sonntag "präsent sein". Die Stadt Duisburg kündigt unter anderem mobile Wachen von Ordnungsamt und Polizei und stationäre Wachen in Feuerwehrcontainern in der Innenstadt an. "Für alle Karnevalstage wurde das eingesetzte Personal aufgestockt", sagt eine Sprecherin.

In Düsseldorf wird das Ordnungsamt an den drei einsatzstärksten Tagen mit täglich rund 100 Dienstkräften und 120 Kräften eines "versierten privaten Sicherheitsdienstes" in der Altstadt präsent sein - auch um das Glasverbot, das in vielen Städten gilt, zu überwachen. Daneben richtet das Gleichstellungs-Büro der Landeshauptstadt an Altweiber erstmalig gemeinsam mit der Frauenberatungsstelle einen Frauen-"Security Point" in der Altstadt ein, der bis in die Nacht besetzt ist; von der Polizei sind auch Opferschutzberaterinnen vor Ort. Auch in Köln wird es eine solche Anlaufstelle geben. Nochmal will eben niemand sowas wie in der Silvesternacht verantworten.

Selbst Staatsanwaltschaften und Gerichte verstärken sich über die Karnevalstage. In Köln halten sich fünf Staatsanwälte in Bereitschaft, "erheblich mehr als sonst", sagt ein Justizsprecher. Im dortigen Amtsgericht sind über die Karnevalstage insgesamt 20 Richter in Bereitschaft, alleine an Altweiber und am Rosenmontag sind es zeitgleich fünf bis sieben, sagt ein Sprecher: "Deutlich mehr als sonst". Ähnliches ist in Düsseldorf zu hören, wo man in den Justizbehörden jedoch keine Zahlen nennen mag. Dahinter steht vor allem die Anweisung von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) zu "beschleunigten Strafverfahren" auch an Karneval.

Bundespolizei will Platz vor dem Kölner Hauptbahnhof taghell beleuchten

Dazu gehört auch, dass die Polizei Straftäter möglichst zweifelsfrei und rasch überführen kann. Die Behörden setzen deshalb zu Karneval verstärkt auf Videoüberwachung. Die Polizei in Düsseldorf und Köln schickt dazu mobile Video-Teams in den Karnevalstrubel. An "neuralgischen Punkten" habe man feste Kameras installiert oder bestehende Videoüberwachungsanlagen temporär erweitert.

Hier will auch die Bundespolizei Lehren aus den Silvesterübergriffen ziehen. So werde der Nachts ziemlich düstere Platz vor dem Kölner Hauptbahnhof an den Karnevalsnächten mit mobilen Lichtanlagen nahezu taghell beleuchtet, sagt NRW-Sprecher Jens Flören. Alleine am Kölner Hauptbahnhof will die Bundespolizei Personal "im hohen dreistelligen Bereich" einsetzen. "Auch wir werden unseren Kräfteansatz deutlich erhöhen, landesweit", sagt Flören. Einsatz-Schwerpunkte seien Köln, Düsseldorf, Essen und Dortmund. Auch die Bundespolizei wird ihre Bereitschaftskräfte zu Karneval aktivieren. Und sie will, mindestens in Köln, zusammen mit der Polizei auch die Überwachung aus der Luft verstärken. Die Sicherheitsvorkehrungen, sagt Flören, "waren bei uns noch nie so groß".