An Rhein und Ruhr. . Eine „Änderung der Brauvorschriften erscheint nicht geboten“, antwortete Verbraucherschutzminister Johannes Remmel auf eine Piraten-Anfrage

Die trauen sich etwas, die Piraten im Landtag. Im Biertrinkerland Deutschland kratzen sie am über Jahrhunderte doch so sehr verteidigten Reinheitsgebot. Eine „wachsende Nachfrage nach mehr Kreativität und Geschmacksvielfalt in der Bierbranche“ hat der Abgeordnete Daniel Schwerd ausgemacht. In einer Kleinen Anfrage wollte er wissen, wie die Landesregierung denn zu einer „Modernisierung“ der Brauvorschriften stehe, die neben Hopfen, Malz, Hefe und Wasser weitere natürliche Zutaten zulässt – wohlgemerkt, bei deutlicher Kennzeichnung. Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) ließ den Vorstoß abperlen. „Eine Änderung der Brauvorschriften erscheint nicht geboten“, hieß es aus seinem Haus.

Pirat Schwerd sieht den Biermarkt im Umbruch. Die Zahl der Braustätten steige, allein in NRW von 107 (im Jahr 1995) auf zuletzt 128. Internationale Trends wie „Craft-Beer“ schwappten aus dem Ausland herüber. Die Branche indes habe mit sinkendem Bierabsatz zu kämpfen, so der Abgeordnete. Wer kreativ sein wolle und mehr als die vier Grundstoffe verwenden wolle, die das auf das Jahr 1516 zurückgehende Reinheitsgebot zulässt – der müsse ins Ausland ausweichen. Er dürfe jedoch sein dort gebrautes Bier bei vergleichsweise laxen Kennzeichnungsvorschriften wieder nach Deutschland importieren.

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Schwerd lässt durchblicken, dass er das weder für pfiffig noch für zeitgemäß hält. Er wollte deshalb wissen, wie die Landesregierung zu der von einigen Brauern geforderten Liberalisierung der Vorschriften steht. Die klare Antwort: ablehnend. Im Hause Remmel findet man, dass sich Reinheitsgebot und Kreativität sehr gut vertragen. Immerhin gehe der Brauereiverband von mittlerweile mehr als 5500 verschiedenen Bieren in Deutschland aus, die fast ausnahmslos nach den Vorgaben gebraut werden. Die Konstellation von Hopfen, Malz, Hefe und Wasser biete eine „nahezu unerschöpfliche Geschmacksvielfalt“, heißt es vom Ministerium. Sogar mehr als 95% der jetzt so angesagten „Craft“-Biere würden in Deutschland nach diesen vier Zutaten gebraut. Der Name „Craft“-Bier steht eigentlich nur für handwerklich gebrautes Bier. Gemeint sind aber kunstfertig gebraute, geschmacksintensive Biere, die meist aus der Heimbrauerszene kommen.

Ausnahmen möglich, aber rar

Überdies: Abweichungen vom Reinheitsgebot sind möglich (§9 Absatz 7, Vorläufiges Biergesetz), aber rar. Das Verbraucherschutzamt Lanuv entscheidet über die nötige Ausnahmegenehmigung für „besondere Biere“. Erteilt wurde sie laut Ministerium zuletzt nur einmal, im Juli 2011, für glutenfreie Biere, bei denen Gerstenmalz durch Maissirup ersetzt wurde. Dieselbe Privatbrauerei hatte vier Jahre zuvor ein Ingwerbier beantragt. Bei der Bierbereitung sollte Gerstenmalz durch Ingwersirup ersetzt werden. Das Lanuv lehnte ab, der notwendige „Biercharakter“ fehlte. Das Produkt erinnere eher an einen perlenden Fruchtwein. Sofern es nicht als „Bier“ bezeichnet werde, dürfe es aber hergestellt und verkauft werden.