Berlin. Viele schwören auf Saftkuren zum Fasten und Abnehmen. Doch ist die Methode wirklich gesund? Dr. Matthias Riedl erklärt, was er davon hält.

Eine Saftkur zum Jahresbeginn – das hielt ich im Januar für eine großartige Idee. Aber ich bin ehrlich: Von den ursprünglich geplanten sechs Tagen ohne feste Nahrung (erlaubt sind ausschließlich Säfte, Tee, Wasser und klare Brühe) habe ich nur drei durchgehalten. Nicht etwa, weil die Säfte nicht geschmeckt hätten. Ganz im Gegenteil! Sorten wie Grüntee mit Kräutern, Quitte, Zitrusfrüchten und Moringa oder eine Mischung aus Gurke, Apfel, Sellerie, Ingwer und Spinat – herb, frisch, ein bisschen wie frisch gemähte Wiese – sind genau mein Geschmack.

Doch so sehr meine Geschmacksnerven die Säfte auch genossen, mein restlicher Körper war weniger euphorisch. Während ich den ersten Tag noch recht problemlos überstand, ging es ab Tag zwei rapide bergab. Mein Kopf war genauso leer wie meine Kaffeetasse, die inhaltslos auf meinem Schreibtisch stand. Fastenhoch? Fehlanzeige. Stattdessen kämpfte ich mit Konzentrationsproblemen, einem ständigen Hungergefühl und dem Wunsch, mich einfach nur hinzulegen.

An Tag drei war es dann vorbei: Schwindel beim Aufstehen, Übelkeit, zittrige Hände. Mein Körper zog die Reißleine – und ich mit ihm. Hatte ich etwas falschgemacht? Oder sind Saftkuren vielleicht gar nicht so gesund, wie oft behauptet wird? Ich wollte es genauer wissen und habe mit Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl gesprochen.

Fasten: Positive Effekte der Kuren – und ein falscher Freund

Fest steht: Fasten, also der weitgehende oder komplette Verzicht auf Nahrung hat eine Vielzahl positive Effekte. Studien zeigen, dass es unter anderem helfen kann, den Blutzucker zu regulieren, das Körpergewicht zu stabilisieren, den Blutdruck zu senken und Entzündungen im Körper zu reduzieren. „Auch Zusammenhänge mit einer geringeren Krebsentstehung werden derzeit erforscht“, sagt Riedl. Da während einer Saftkur keine feste Nahrung aufgenommen wird, wird auch die Verdauung entlastet. Daneben stellt sich der Stoffwechsel um: Durch die reduzierte Kalorienzufuhr greift der Körper schneller auf Fettreserven zurück, was kurzfristig auch zu einer Gewichtsreduktion führen kann.

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Riedl warnt jedoch vor falschen Schlüssen: „Es handelt sich dabei primär um einen Wasserverlust, nicht um einen nachhaltigen Fettabbau.“ Fasten sollte deswegen nicht wie eine Diät angewendet werden. Denn wenn nach der kalorienarmen Saftkur plötzlich wieder deutlich mehr gegessen wird, ist der Jojo-Effekt fast unausweichlich. Für eine nachhaltige Gewichtsabnahme empfiehlt Riedl deswegen statt einer (Saft)Fastenkur eher eine langfristige Ernährungsumstellung. Da die Hunger- und Sättigungswahrnehmung nach dem Fasten häufig deutlich besser ist, eignet sich eine Fastenphase aber sehr gut, um eine folgende Ernährungsumstellung einzuläuten.

Fasten mit Säften: Was ist dran?

Von Befürworterinnen und Befürwortern von Saftkuren hört man immer wieder, dass Saftkuren den Körper entgiften sollen. Zugesetzt sind oft vermeintliche Superfoods, wie Spirulina-Algen oder Kurkuma, die den Detox-Effekt verstärken sollen. Wissenschaftlich belegt sei das jedoch nicht, erklärt Ernährungs-Experte Riedl. Da der menschliche Körper über Entgiftungsmechanismen verfügt, wie Leber, Nieren, Darm und Lunge, werden toxische Stoffe kontinuierlich über diese Organe abgebaut und ausgeschieden. „Eine zusätzliche ‚Entgiftung‘ ist daher nicht notwendig, auch wenn bestimmte pflanzliche Inhaltsstoffe der Säfte, darunter Antioxidantien, unterstützende Funktionen im Zellschutz haben können“, so Riedl.

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Folge 64: Dr. Riedl: Wie man Lippenherpes schneller wieder los wird

Dr. Matthias Riedl - So geht gesunde Ernährung

Wissenschaftlich betrachtet gebe es auch keine „Schlacken“ oder Giftstoffe, die gezielt durch eine Saftkur aus dem Körper entfernt werden könnten. Durch die reduzierte Nahrungsaufnahme, eine veränderte Darmaktivität und eine Umstellung des Stoffwechsels könne aber das Gefühl einer „inneren Reinigung“ und Leichtigkeit entstehen.

Fasten-High: Energieschub oder Placebo-Effekt?

Manche Menschen berichten auch von einer Art „High“, einem euphorischen Hochgefühl, das sich durch den Nahrungsverzicht nach ein paar Tagen einstellen soll. Dieser plötzliche Energieschub kann sowohl physiologische als auch psychologische Ursachen haben, erklärt Riedl: „Placebo-Effekte und die bewusste Fokussierung auf das eigene Wohlbefinden im Zusammenhang mit der umgestellten Ernährung können durchaus einen positiven Einfluss suggerieren.“

Ernährungs-Doc Dr. Matthias Riedl
Dr. Matthias Riedl ist Arzt und Ernährungsexperte. © Axel Leonhard | Axel Leonhard

Daneben zapft unser Stoffwechsel bei niedriger Nahrungsaufnahme zur Energiegewinnung die Fettreserven an. Dabei entstehen sogenannte Ketonkörper, die als Hauptenergiequelle genutzt werden. Diese Umstellung kann zunächst zu einem Tief führen: Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und ein Gefühl der Erschöpfung sind häufige Begleiter. Doch in vielen Fällen setzt anschließend eine verstärkte Serotoninausschüttung ein, die für das sogenannte „Fasten-High“ sorgt: ein Zustand gesteigerter Stimmung und mentaler Klarheit, von dem viele berichten.

Saftfasten – eine gute Idee für die Gesundheit?

Wie lautet das abschließende Urteil des Ernährungsexperten – Saftkuren, ja oder nein? „Regelmäßige Essenspausen tun unserem Körper grundsätzlich gut und gehören zu einem gesunden Leben dazu“, so Riedl. „Es kommt nämlich nicht nur darauf an, was wir essen, sondern auch wie wir es verteilen.“ Um von den gesundheitsförderlichen Effekten des Fastens zu profitieren, muss es aber keine kostenintensive, 10-tägige Saftfasten-Kur sein. Einzelne „Saft-Tage“ zwischendurch sind leicht durchzuführen, entlasten den Darm und beeinflussen den Körper positiv.

„Längerfristiges Saftfasten verlangt dem Körper aufgrund der geringen Energie- und Nährstoffzufuhr und der damit verbundenen Umstellungen und Anpassungen einiges ab“, betont Riedl. „Es sollte deswegen immer individuell aus ernährungstherapeutischer Sicht bewertet werden, ob sich eine Saftkur lohnt“, so der Experte. Wer kann, sollte während des Fastens darauf achten, mit Arbeit und Verpflichtungen etwas zurückzutreten und genügend Ruhephasen einplanen. Der Körper erhält weniger Kalorien als gewohnt, was zu Müdigkeit, Konzentrationsproblemen und Leistungseinbußen führen kann. „Gerade bei Stress oder intensiver körperlicher Aktivität kann eine Saftkur mehr belasten als nützen“, warnt Riedl.

Welche Alternativen gibt es zum Saftfasten?

Wer seinen Körper entlasten möchte, ohne sich ausschließlich von Säften zu ernähren, hat verschiedene Alternativen:

  • Intervallfasten: Längere Essenspausen, wie bei der 16:8-Methode, entlasten den Körper ohne eine radikale Umstellung. „Ein großer Vorteil ist, dass diese Ernährungsform langfristig umgesetzt werden kann und sowohl zur Gewichtsabnahme als auch zur Autophagie beitragen kann“, so Riedl.
  • Scheinfasten: Eine kalorienreduzierte Ernährung, die den Körper in den Fastenmodus versetzt, ohne dass gänzlich auf Nahrung verzichtet wird.
  • Schleimfasten: Hafer- oder Gemüsebreie schonen den Darm, während dennoch Nährstoffe aufgenommen werden.

Wer keine Saftkur durchführen sollte

Auch wenn bei einer Saftkur nicht komplett auf Nahrung verzichtet wird, ist Saftfasten für folgende Personengruppen nicht geeignet:

  • bei starkem Untergewicht, Mangel- oder Fehlernährung
  • bei Anorexia nervosa
  • bei psychischer oder schwerer geistiger Beeinträchtigung
  • in fortgeschrittenen Krebsstadien
  • bei schwerer Schilddrüsenüberfunktion
  • bei fortgeschrittenen Leber- oder Nierenerkrankungen
  • für Schwangere oder stillende Mütter
  • für Kinder und Jugendliche in der Wachstumsperiode

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Sie wollen mehr über den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit erfahren? Dr. Matthias Riedl geht im Jahr 2025 mit seinem Programm „Gesunde Ernährung – Einfacher als gedacht“ auf Tour. Dabei spricht er vor allem über den Einfluss der Ernährung auf ein möglichst langes Leben und die eigene Psyche. Geplant sind folgende Termine: 14. März in Berlin (Urania), 16. März in Köln (Gürzenich) und am 19. Juni in Hamburg (Laeiszhalle). Mehr Informationen und Tickets (ab 34,55 Euro) gibt es unter www.neuland-concerts.com und www.eventim.de.