Berlin. Ob Medikamente oder Therapien: Für die Behandlung von ADHS gibt es viele Ansätze. Eine Studie enthüllt, welche Methode am besten hilft.
Vergesslichkeit, Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, oder das Gefühl von ständiger innerer Unruhe – viele Menschen kennen das aus ihrem Alltag. Doch wenn diese Symptome so stark ausgeprägt sind, dass sie den Alltag, den Beruf oder Beziehungen beeinträchtigen, könnte eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) dahinter stecken. Weltweit sind Studien zufolge hiervon etwa 2 bis 3 Prozent der Erwachsenen betroffen. Ob tatsächlich ADHS hinter den Symptomen steckt, kann ein Arzt oder eine Ärztin abklären. Gemeinsam können sie mit Betroffenen dann eine geeignete Behandlung suchen.
Welche Behandlungsmethoden bei ADHS am besten helfen, hat ein internationales Forschungsteam um Edoardo Ostinelli von der Universität Oxford untersucht. Die Ergebnisse der groß angelegten Meta-Studie wurden in der Fachzeitschrift Lancet Psychiatry veröffentlicht. Die Forschenden analysierten hierfür systematisch 113 Therapiestudien mit Daten von fast 15.000 Patientinnen und Patienten.
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ADHS: Diese Behandlung gilt als besonders effektiv
Das Ergebnis zeigt: Schnelle Erfolge erzielt nur eine Behandlung mit Medikamenten. In Deutschland werden vor allem drei Wirkstoffe verschrieben – Methylphenidat (in Ritalin enthalten), Lisdexamfetamin (in Elvanse) und Atomoxetin. Diese Medikamente stimulieren bestimmte Bereiche des Gehirns, um die Kernsymptome von ADHS zu lindern, zu denen Konzentrationsprobleme, Impulsivität und Hyperaktivität gehören.
Wie wirksam die Medikamente sind, bewerteten in den Studien sowohl die Betroffenen selbst als auch behandelnde Ärztinnen und Ärzte. Insgesamt stuften beide Gruppen die Wirksamkeit der Medikamente als „moderat“ ein. Konkret bedeutet das am Beispiel Atomoxetin: Nach zwölf Wochen verbesserten sich die Kernsymptome im Schnitt um 22 Prozent, nach sechs Monaten um 32 Prozent. Bei den anderen beiden Mitteln fielen die Werte ähnlich aus. Zum Vergleich: Ein Placebo reduzierte die Symptome je nach Behandlungsdauer um 13 beziehungsweise 20 Prozent. Der Unterschied mag gering erscheinen, ist aber statistisch eindeutig auf die Wirkung der Medikamente zurückzuführen.
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„Die Kernsymptome der ADHS – also Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität – sind einer medikamentösen Behandlung sehr zugänglich. Andere Maßnahmen erreichen hingegen oft weniger“, sagt Professor Andreas Reif, Leiter der psychiatrischen Klinik am Uniklinikum Frankfurt, gegenüber der Stiftung Warentest. Allerdings können die Medikamente auch Nebenwirkungen haben – darunter etwa Schlafstörungen, Appetitverlust oder ein erhöhter Blutdruck. Solche Nebenwirkungen machen regelmäßige ärztliche Kontrollen notwendig, um die richtige Dosierung zu finden und mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen.
Diese Therapie kann bei ADHS ergänzend helfen
Neben der medikamentösen Behandlung kann auch eine Psychotherapie sinnvoll sein. Kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken und Psychoedukation sind hierbei gängige Ansätze. Zwar konnten die Forscherinnen und Forscher in ihrer vergleichenden Studie keine schnelle Wirksamkeit dieser Behandlungen nachweisen, und die Studien zu diesem Thema waren insgesamt weniger umfangreich und oft von geringerer Qualität.
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Dennoch kann eine Psychotherapie eine wertvolle Ergänzung sein. Denn ADHS betreffe oft auch das soziale und berufliche Leben. „ADHS ist häufig der Kern, dem sich im Laufe der Zeit weitere psychische Belastungen, Störungen und Beeinträchtigungen hinzugesellen“, sagte Marcel Romanos, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (KJPPP) am Universitätsklinikum Würzburg gegenüber „Science Media Center“ (SCM). Diese ließen sich mit psychotherapeutischen Methoden häufig gut behandeln. Zudem können Therapeutinnen und Therapeuten hilfreiches Wissen über ADHS vermitteln und Strategien für den Alltag entwickeln.
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ADHS behandeln: Wichtiger Hinweis für Betroffene
Die transkranielle Hirnstimulation, eine Behandlungsmethode, bei der bestimmte Bereiche des Gehirns mit Gleichstrom stimuliert werden, zeigte laut Studie wenig eindeutige Ergebnisse. Während Ärztinnen und Ärzte eine leichte Verbesserung der Symptome feststellen konnten, berichteten die Betroffenen selbst von kaum spürbaren Veränderungen – subjektiv brachte diese Methode also wenig.
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse bleibt die Forschung zu ADHS bei Erwachsenen noch unvollständig. Besonders die langfristigen Auswirkungen seien bisher nicht ausreichend untersucht. Umfassende Studien, die die nachhaltige Wirkung der verschiedenen Behandlungsmethoden beleuchten, fehlen größtenteils – sie wären aber den Studienautoren zufolge dringend notwendig. In jedem Fall hängt die Wahl der geeigneten Behandlung von den individuellen Beschwerden der Betroffenen ab. Daher sollte die Entscheidung stets in enger Absprache mit dem behandelnden Arzt getroffen werden.
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