Essen. Wie oft lügen Menschen wirklich? Und wie lassen sich die Unwahrheiten entlarven? Experten erklären, worüber am meisten gelogen wird.
Jeder von uns hat schon einmal gelogen – sei es aus Höflichkeit, um Konflikte zu vermeiden oder um uns selbst zu schützen. Lügen sind eine menschliche Schutzmaßnahme, die jedoch oft unbeabsichtigte Folgen hat. Besonders in Beziehungen kann eine Lüge mehr als nur ein kleines Missverständnis verursachen.
Die Statistiken sind eindeutig: Laut einer Studie der Universität Tübingen hat bereits jeder Zweite eine Affäre verheimlicht. Doch wie können wir erkennen, ob der Partner die Wahrheit sagt oder uns etwas verbirgt? Drei Experten nehmen diese Frage unter die Lupe und teilen ihre besten Tipps.
Studie verblüfft: Wie oft lügen wir eigentlich?
In einer Studie mit 147 Teilnehmern untersuchte die amerikanische Psychologin Bella DePaulo, wie oft die Versuchspersonen in ihrem Alltag gelogen haben. Dazu sollten sie die kleinen Unwahrheiten in Tagebüchern aufschreiben. Die Untersuchung zeigte interessante Ergebnisse: Im Durchschnitt lügen die Menschen zweimal täglich. Doch lässt sich dieses Fazit auf alle Menschen übertragen?
Das Wiener Therapeutenpaar Dr. Sabine und Roland Bösel, auch bekannt durch ihren Online-Kurs „Liebesdoppel“, stellen es infrage. Laut dem Paar lügen Menschen häufig unbewusst. „Meist passiert das, wenn jemand eine eigene Wahrheit hat, die von der gesellschaftlichen oder partnerschaftlichen Wahrheit abweicht“, so der Paar- und Psychotherapeut Roland Bösel. Anders sieht es bei bewussten Lügen aus: Sie entstünden hingegen, wenn sich Menschen unter Druck fühlen, „sodass sie dann bestimmte Dinge heimlich tun und auch glauben, sie heimlich tun zu müssen“, so der Experte. In der Regel würde es stark variieren: Während manche Menschen regelmäßig lügen, tun andere dies gar nicht.
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Psychotherapeut: Diese Arten von Lügen kommen in Beziehungen öfter vor
Dass regelmäßiges Lügen zum Beziehungsalltag dazu gehört, bestätigt eine „ElitePartner“-Studie: Sechs von zehn Partnern und Partnerinnen gaben an, ihrem Gegenüber etwas zu verheimlichen. In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um kleinere Notlügen.
Doch was versteht man eigentlich unter Notlügen? Wolfgang Krüger, Psychotherapeut und Autor aus Berlin, der sich auf Partnerschaftsprobleme spezialisiert hat, erklärt solche Lügen als harmlose Unwahrheiten, die Menschen einsetzen, um Beziehungskonflikten aus dem Weg zu gehen. Ein Beispiel: Auf die Frage „Liebst du mich?“, antwortet der Partner sofort mit einem „Ja“, auch wenn er sich vielleicht unsicher ist. Laut dem Experten passiert es oft, um Diskussionen zu entgehen. „Man muss sich in den anderen hineinversetzen und eine Geschichte erfinden, die glaubwürdig ist und niemanden unnötig verletzt“, sagt Krüger. Schließlich sei die Fähigkeit, harmlose Notlügen zu erfinden, eine soziale Kompetenz.
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Beziehungen: Was ist die häufigste Lüge?
Lügen können zu einem ernsthaften Problem werden, besonders wenn sie darauf abzielen, den Partner zu kontrollieren oder zu manipulieren. In Beziehungen wird oft die klassische Untreue verschwiegen, was das Vertrauen zwischen den Partnern auf eine harte Probe stellen kann und in einigen Fällen sogar zu einer Trennung führt. Das kennt Psychotherapeut Krüger aus seiner langjährigen Praxis gut: „Eine besonders häufige Lüge in Beziehungen ist das Verschweigen emotionaler oder körperlicher Untreue.“
Fast jeder Zweite, so Krüger, habe seinen Partner schon einmal in einem solchen Zusammenhang belogen. Das Wiener Therapeutenpaar bestätigt diese Beobachtung: „Entweder wird gelogen, weil die Affäre zu bedeutsam wird, oder man redet sich ein, sie sei nicht wirklich wichtig“. Meistens ginge es darum, das schlechte Gewissen zu beruhigen, doch am Ende sei es nur eine Selbsttäuschung.
Die Gründe, warum Partner nicht immer die Wahrheit sagen, können jedoch sehr unterschiedlich sein: „Lügen gibt es in vielen Formen – vom heimlichen Essen trotz Diätversprechen bis hin zu alltäglichen Täuschungen, wie dem Vorwand, an der Steuererklärung zu arbeiten, während man in Wirklichkeit Pornos schaut“, so Krüger.
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
Typische Merkmale: Bei welchen Anzeichen sollten Partner reagieren?
Die Körpersprache kann Vieles verraten, doch lässt sie tatsächlich auf Lügen schließen? Häufig werden Merkmale wie schnelles Blinzeln, erhöhter Herzschlag, Schweiß oder ein unruhiger Blick als Indikatoren für Täuschung gedeutet. Die Psychologin Sabine Bösel ist in dieser Hinsicht zurückhaltend: „Mit solchen Deutungen kann man sich schnell irren. Wir empfehlen Skepsis, wenn es um die Überinterpretation einzelner Körpersignale geht.“
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Bösel erklärt, dass persönliche Erfahrungen die Art und Weise, wie wir bestimmte Verhaltensweisen deuten, maßgeblich beeinflussen. So können Erziehung und frühere Beziehungen eine große Rolle spielen. „Wer beispielsweise von seiner Mutter gelernt hat, dem Vater nicht zu trauen, neigt dazu, ähnliche Verhaltensweisen bei anderen Menschen vorbelastet zu deuten“, so die Psychologin.
Auch wenn es meistens richtig sei, sich auf sein eigenes Bauchgefühl zu verlassen, ist es laut der Expertin nicht immer ratsam. „Zwar liegt unser Bauchgefühl oft richtig, aber wie wir es interpretieren, hängt stark von unseren eigenen Erfahrungen, Gedanken und Fantasien ab – und diese haben oft mehr mit uns selbst als mit dem tatsächlichen Verhalten des Partners zu tun“. Auch die Wissenschaft hat bislang keine eindeutigen Beweise dafür gefunden, dass Menschen bei Lügen bestimmte Verhaltensmuster zeigen.
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Lügen entlarven? Darauf kommt es laut Experten an
„Wer bewusst lügt und sich gezielt für eine Lüge entscheidet, plant diese oft so gut, dass sie schwer zu durchschauen ist. Menschen, die innerlich unsicher sind, werden dagegen leichter ertappt“, so der Paartherapeutin und Psychologe Bösel. Laut der Expertin lassen sich Lügen leichter entlarven, wenn der Lügner selbst ambivalent ist. Auch wenn es absurd erscheint, wollen manchmal die Lügner unbewusst ertappt werden, indem sie sich keine Mühe mehr machen, ihre Lügen gut zu planen. Häufig passiere es, wenn sie die innere Spannung nicht mehr aushalten können, so Bösel.
Doch was können Betroffene tun? Der Therapeut rät, geduldig zu bleiben und abzuwarten: „Lügen lassen sich am einfachsten mit der Zeit entlarven. Widersprüche zwischen dem Gesagten und den Tatsachen werden früher oder später sichtbar – sei es, ob jemand wirklich auf einem Seminar war oder zu der angegebenen Zeit zu Hause“, erklärt er.
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Eine andere Möglichkeit sei, den Partner mit seinen Vermutungen zu konfrontieren. „Beziehungsarbeit ist keine Ermittlungsarbeit, sondern Vertrauensbildung“, betont Psychologin Bösel. „Mutmaßungen und vorschnelle Konfrontationen führen oft in die Irre. Der eine Part spürt irgendwas und interpretiert zu viel, der andere fühlt sich zu Unrecht verdächtigt“, was zu noch mehr Konflikten führen kann.