Essen. Von Gaslighting bis Silent Treatment: Experten decken Taktiken manipulativer Partner auf und erklären, was wirklich dahinter steckt.
Toxische Beziehungen beginnen oft wie ein Märchen: voller Leidenschaft und scheinbar perfekter Harmonie. Doch nach und nach treten Manipulation, Kontrolle und emotionale Erpressung zutage. Der Partner, der einst Geborgenheit schenkte, wird zur Quelle von Schmerz und Unsicherheit. Woran erkennt man, dass die Beziehung toxisch ist? Zwei Experten erklären, bei welchen Warnzeichen Partner reagieren sollten.
Psychologie der Manipulation: Was treibt Menschen dazu?
Warum Menschen in Partnerschaften manipulativ werden, lässt sich eigentlich leicht beantworten: Wer seinen Partner oder seine Mitmenschen manipuliert, will seine Ziele durchsetzen, erklärt Eckhard Roediger, Psychiater und Arzt für Psychotherapeutische Medizin in Frankfurt. In gewisser Weise seien alle Menschen manipulativ, wenn sie ihre Interessen durchsetzen wollen. Das beobachtete man selbst bei Kindern, die von Geburt an „manipulieren“, um ihre Bedürfnisse zu stillen.
Doch wie der Psychiater betont, macht die Dosis das Gift: „Es geht darum, inwieweit ein Mensch bei der Durchsetzung seiner Interessen auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht nimmt und wie offen er für faire Lösungen ist. Erst wenn der manipulative Partner die Bedürfnisse des Anderen zu seinen Gunsten verletzt, wird er ungerecht und, wenn man so will, giftig.“
Manipulatives Verhalten: Woran macht man es fest?
Um manipulative Verhaltensweisen bei seinem Beziehungspartner zu identifizieren, sollten Menschen auf die eigenen Gefühle achten, sagt Roediger. "Manipulation zeichnet sich dadurch aus, dass eine Person die andere dazu bringen will, etwas zu tun, was letztlich mehr in ihrem Interesse als im Interesse der anderen Person liegt. Dieser Druck wird bewusst oder unbewusst wahrgenommen und löst im Körper eine leichte Angstreaktion aus".
Zudem gibt der Körper oft klare Signale: etwa ein Druckgefühl in der Brust oder ein flaues Gefühl im Magen, so der Psychiater. Bei einigen Menschen äußert sich die Anspannung auch durch einen verspannten Schulter- und Nackenbereich. "Betroffene sollten diese Signale ernst nehmen und genau hinschauen: Will ich das wirklich, was der Partner von mir oder mit mir will?" Der Experte spricht auch von einem „inneren Bewerter“, der Betroffene zusätzlich unter Druck setzt: "Der innere Kritiker könnte sagen: Wenn du nicht mitmachst, wird er oder sie noch wütender und lässt dich das spüren. Also verhalte dich nicht so!"

Weitere Merkmale eines toxischen Partners sind:
- Schuldzuweisungen
- Abwertung der Gefühle des Partners
- Ständige Kritik
- Schaffen einer Atmosphäre von Unsicherheit und Abhängigkeit
Manipulationstechniken im Überblick: Darauf sollten Sie achten
Manipulative Partner greifen oft auf verschiedene Techniken zurück, um ihre Ziele zu erreichen, betont Roediger. „Sie alle zielen auf das Bindungsbedürfnis des Menschen, das die innere Grundlage dafür ist, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten.“ Häufig liegen die Ursachen für dieses Verhalten in frühen Kindheitserfahrungen. Menschen, die in ihrer Kindheit keine Liebe oder Aufmerksamkeit erfahren haben, entwickelten oft starke Verlustängste, die sie im Erwachsenenalter durch Manipulationsstrategien zu kompensieren versuchen.
Gaslighting
Eine der am häufigsten angewandten Manipulationstechniken ist das „Gaslighting“. Der Begriff hat seinen Ursprung im Theaterstück „Gas Light“ (1938). In der Handlung manipuliert ein Ehemann seine Frau, indem er beispielsweise die Helligkeit von Gaslampen verändert und behauptet, sie bilde sich die Schwankungen ein. Ziel dieser Taktik ist es, das Opfer an seiner Wahrnehmung und Realität zweifeln zu lassen, um Kontrolle auszuüben. Heute beschreibt der Begriff psychologische Manipulation, bei der die Realität des Opfers gezielt infrage gestellt wird.
Der emotionsfokussierte Paartherapeut Andreas Kirsche aus Hamburg beschreibt „Gaslighting“ auch als „psychologische Manipulationstechnik“. Der Experte erklärt diese Technik folgendermaßen: „Gaslighting zielt darauf ab, die Wahrnehmung einer Person zu verzerren oder infrage zu stellen. Das geschieht, indem wiederholt falsche Informationen präsentiert oder Ereignisse geleugnet werden, die tatsächlich stattgefunden haben.“ Die Betroffenen könnten am Ende nicht mehr zwischen Realität und Schein unterscheiden.
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Love Bombing
„Love Bombing ist von der Methode das genaue Gegenteil von Gaslighting, von der Absicht aber genauso manipulativ“, sagt Kirsche. Hier wird die betroffene Person mit übertriebenen Liebesbotschaften und Aufmerksamkeit überschüttet, wodurch sie emotional abhängig gemacht wird, erklärt der Experte. „Sobald die Bindung gefestigt ist, kann der Manipulator diese Aufmerksamkeit als Mittel einsetzen, um persönliche Ziele zu erreichen oder zu bestrafen.“
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Silent Treatment
Die Manipulationsstrategie „Silent Treatment“, auch als „Schweigebehandlung“ bekannt, ist eine manipulative Technik, bei der eine Person absichtlich die Kommunikation verweigert, um Macht oder Kontrolle auszuüben. Bei dieser Technik werden betroffene Partner oft zur Luft. Kirsche erklärt: „Die Person, die das Silent Treatment durchführt, bestraft mit diesem Verhalten den Partner oder die Partnerin und löst ein Gefühl der Isolation und Hilflosigkeit aus“. Dies führe nicht selten dazu, dass Betroffene Schuldgefühle haben und den Manipulator um Vergebung anflehen.
Manipulation in der Partnerschaft: Wer ist besonders gefährdet?
Laut dem Paartherapeuten gibt es durchaus Menschen, die sich häufiger auf manipulative Partner einlassen als andere. Häufig handelt es sich um Personen mit geringem Selbstwertgefühl und einem starken Bedürfnis nach Anerkennung, sowie Menschen, die eher konfliktscheu sind. Wie Kirsche erklärt: „Diese Menschen sind besonders anfällig, weil sie leichter zu beeinflussen sind, vor allem, wenn der Manipulator ihnen das Gefühl von Liebe, Anerkennung oder Sicherheit gibt, nach dem sie sich sehnen.“ Empathische und unsichere Menschen könnten zudem ihre fürsorgliche Art unbewusst von einem manipulativen Partner ausgenutzt sehen.
Oft sind auch Menschen, die in früheren Beziehungen emotionalen Missbrauch erlebt haben, wiederholt in solchen toxischen Partnerschaften zu finden. Es mag paradox erscheinen, doch es lässt sich psychologisch erklären: Menschen, die bereits ähnliche Erfahrungen gemacht haben, haben möglicherweise gelernt, eigenen Bedürfnissen nicht die nötige Beachtung zu schenken, so Kirsche.
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Grenzen setzen: So schützten Sie sich vor manipulativen Partnern
Der erste Schritt, sich gegen Manipulation zu wehren, ist das Erkennen ihrer Anzeichen. Eckhard Roediger rät dazu, auf das eigene „Bauchgefühl“ zu hören und die alarmierenden Signale nicht zu ignorieren. Es sei wichtig, sich aktiv zur Wehr zu setzen, denn je mehr Ängste und Abhängigkeiten eine Person entwickelt, desto weniger in der Lage ist sie, sich von der manipulierenden Person abzugrenzen. Auch der Paartherapeut Andreas Kirsche sieht es ähnlich und betont: „Betroffene sollten sich ihrer eigenen Werte, Bedürfnisse und Grenzen bewusst werden.“ Dazu gehört auch, das Wort „Nein“ zu sagen und das Setzen von klaren, kommunizierten Grenzen zu üben.
In schwerwiegenden Fällen kann es erforderlich sein, sich von der manipulierenden Person zu distanzieren, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen oder die Beziehung zu beenden. „Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass man es wert ist, mit Respekt und Würde behandelt zu werden, und dass es in Ordnung ist, sich aus einer Situation zurückzuziehen, die für das eigene Wohlbefinden schädlich ist“, so Kirsche. Roediger fasst es treffend zusammen: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“.