Berlin. Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Eine Entdeckung könnte seinen Siegeszug nun endgültig ermöglichen – und Öl überflüssig machen.

  • Ein sensationeller Fund könnte die Energiewende vorantreiben
  • Im Fokus: goldener Wasserstoff
  • Er könnte fossile Brennstoffe ersetzen und die Energieversorgung für Jahrhunderte sichern.

Deutschland hat das Ziel, 2045 klimaneutral zu werden. Dafür müssen die CO₂-Emissionen runter. Für hohe Treibhausgasemissionen sorgen vor allem fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdgas oder Erdöl. Das Problem: Werden die Stoffe für die Energieversorgung genutzt, entsteht besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid. Mit CO₂-neutralen Alternativen sollen die Emissionen reduziert werden. Dazu zählen Sonnenenergie, Windkraft, aber auch: Wasserstoff.

Expertinnen und Experten sehen in Wasserstoff einen entscheidenden Energieträger der Zukunft – Prognosen gehen davon aus, dass Wasserstoff bis zu 30 Prozent der künftigen Energieversorgung ausmachen wird. Bisher ist das chemische Element teuer und schwer zu gewinnen. Doch ein Forscherteam aus den USA hat nun eine sensationelle Entdeckung gemacht: Offenbar übersteigt das unterirdische Wasserstoffvorkommen der Erde alle bisherigen Vorstellungen.

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Die Studie ist kürzlich in der Fachzeitschrift „Sciences Advances“ erschienen und wurde vom Geochemiker Geoffrey Ellis geleitet. Mit seiner Kollegin Sarah Gelman entwickelte Ellis eine Modellrechnung, die darauf hindeutet, dass sich unter der Erde geschätzte 6,2 Billionen Tonnen Wasserstoff verbergen könnten. Bereits ein kleiner Anteil davon könnte laut den Forschern ausreichen, um den weltweiten Bedarf für rund 200 Jahre zu decken. Damit könnte auf fossile Brennstoffe verzichtet werden.

Deutschlands erstes Wasserstoffkraftwerk geht in Betrieb
In Wasserstoffwerken wird Wasserstoff CO₂-frei verbrannt und sorgt so für eine klimafreundlichere Warmwasserversorgung. © picture alliance/dpa | Jan Woitas

Natürlicher Wasserstoff entsteht in Gesteinen durch verschiedene chemische Reaktionen. Wie Studienautor Ellis gegenüber dem Magazin „LifeScience“ erklärt, sei die einfachste chemische Reaktion eine, bei der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. „Es gibt tatsächlich Dutzende natürlicher Prozesse, die Wasserstoff erzeugen können, aber die meisten davon erzeugen nur sehr geringe Mengen“, sagt der Wissenschaftler.

Das Potenzial von natürlichem Wasserstoff blieb lange verborgen – auch, weil Forscher davon ausgingen, dass das Gas leicht wieder aus der Erdoberfläche entweicht. Die Annahme wurde jedoch auf den Kopf gestellt, als man vor wenigen Jahren im afrikanischen Mali ein großes Feld mit natürlichem Wasserstoff entdeckte. Auf Basis dieser Erkenntnisse bezogen Ellis und Gelman für ihre Studie die unterirdische, natürliche Produktion von Wasserstoff mit in ihre Modellrechnung ein und kamen so zu ihrem Ergebnis.

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Klimaneutraler Stoff: Ein Problem gibt es noch

Laut den Studienautoren enthält die von ihnen errechnete Menge Wasserstoff in etwa doppelt so viel Energie, wie in allen bekannten Erdgasreserven der Erde vorhanden ist. Bei dem Ergebnis von 6,2 Billionen Tonnen handelt es sich jedoch nur um das wahrscheinlichste Szenario – die Prognosen liegen zwischen einer Milliarde und zehn Billionen Tonnen Wasserstoff.

Der Vorteil von natürlichem Wasserstoff: Er muss nicht künstlich hergestellt werden. Darum wird er auch als weißer oder goldener Wasserstoff bezeichnet. Synthetischer Wasserstoff hingegen wird durch Elektrolyse von Wasser mit 100 Prozent erneuerbarem Strom (grüner Wasserstoff) oder mithilfe von Vergasung von Braunkohle (brauner Wasserstoff) hergestellt. Das ist teuer und nicht immer klimafreundlich. Auch braucht es keine aufwendigen Speicher für den natürlichen Stoff: Er bleibt so lange in der Erde, bis er gebraucht wird – und kann dann direkt gefördert werden.

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Doch mit der Förderung gibt es ein Problem: Laut den Studienautoren ist noch unklar, wo der Wasserstoff unter der Erde überall gespeichert ist und wie gut zugänglich die Reserven sind. Es sei wahrscheinlich, schreiben die Forscher, „dass der größte Teil des unterirdischen Wasserstoffs in Ansammlungen gewonnen wird, die zu tief, zu weit vor der Küste oder zu klein sind, um wirtschaftlich gewonnen zu werden.“

Aber selbst wenn nur ein geringer Teil der geschätzten Gesamtmenge tatsächlich gefördert werden könnte: Der Studie zufolge würde das bereits eine erhebliche Menge an nutzbarem Wasserstoff ergeben und so einen bedeutenden Beitrag zur zukünftigen Energieversorgung leisten.