Berlin. Das Mittel BC007 hatte Long-Covid-Patienten angeblich geholfen. Studien verliefen aber erfolglos. Diese Therapien sollen stattdessen helfen.

Die Hoffnung entsprang einem Zufall: Das ursprünglich für die Behandlung einer Herzmuskel-Erkrankung entwickelte Medikament BC007 hatte angeblich innerhalb von Stunden die Leiden eines 59-jährigen Long-Covid-Patienten in Erlangen gelindert. Mediziner und Medien sprachen von einem möglichen Durchbruch. Jetzt, fast dreieinhalb Jahre später ist klar: umsonst gehofft.

Unter Long Covid versteht man Beschwerden, die jenseits der akuten Krankheitsphase von vier Wochen fortbestehen oder neu auftreten. Post Covid beschreibt das Krankheitsbild mehr als zwölf Wochen nach der Infektion. In der öffentlichen Diskussion werden die Begriffe mitunter verwechselt oder synomnym verwendet.

Eine der schwersten Langzeitfolgen von Corona ist ME/CFS, eine Kurzform für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom. Die neuroimmunologische Erkrankung kann zu einem hohen Grad an körperlicher Behinderung führen. Viele Betroffene sind zeitweise oder auch dauerhaft ans Bett gefesselt.

Long Covid: Zahl der Betroffenen lässt sich nur schätzen

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Eine furchteinflößende Erkrankung und keine Therapie: Das sind die Umstände, die dazu führen, dass jede Meldung über vermeintliche Fortschritte im Kampf gegen das Leid Aufmerksamkeit bekommt. So auch die Berichte über das Mittel BC 007, das seit den ersten Nachrichten im Juli 2021 zu einem vermeintlichen Heilsbringer wurde. Mehrere Petitionen richteten sich an EU oder auch die Bundesregierung mit der fast flehentlichen Bitte, die Forschung an dem Medikament mit Geld zu unterstützen.

Bei Demonstrationen für mehr Geld und Forschung gegen Spätfolgen von Corona wurde auch immer wieder für eine Zulassung von BC007 geworben. Jetzt steht fest: Das Mittel wirkt nicht.
Bei Demonstrationen für mehr Geld und Forschung gegen Spätfolgen von Corona wurde auch immer wieder für eine Zulassung von BC007 geworben. Jetzt steht fest: Das Mittel wirkt nicht. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Tatsächlich hatten Laborexperimente und Heilversuche der Erlanger Augenklinik im Sommer 2021 Hinweise darauf gegeben, dass BC 007 nach einer Infektion schädliche Autoantikörper neutralisieren und so zu einer Verbesserung der Symptome beitragen könnte. Vier Betroffene berichteten nach der Behandlung von extremen Fortschritten bis hin zur völligen Genesung. „Das Dahinvegetieren hat ein Ende“, hatte ein Mann im August 2021 erklärt. Eine großangelegte Studie an fünf deutschen Klinik-Standorten sollte die Hinweise untermauern. Der Bund beteiligte sich an den Kosten.

Eigentlich ist BC 007 mit dem Ziel entwickelt worden, eine Herzmuskelerkrankung zu therapieren. In Studien hatte sich herausgesellt, dass das Mittel Antikörper einfängt, die im Zusammenhang mit dieser Erkrankung stehen. Die Chance, damit auch Sars-CoV-2 Virusproteine blockieren zu können, lag durchaus nahe.

„Weitere vertiefte Analysen wurden nicht durchgeführt“

In den folgenden Studien erfolgte die Behandlung mit BC 007 zweimalig als Infusion ambulant im Abstand von 14 Tagen. Anschließend wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für insgesamt ein Jahr nachbeobachtet.

Nun stehen die Ergebnisse fest. Sie sind ernüchternd: „Die Analysen der wichtigsten Endpunkte ergaben keine Hinweise auf eine überlegene Wirksamkeit der BC 007-Behandlungsarme gegenüber dem Placebo-Arm“, also einem Scheinmedikament, teilte der Hersteller aus Berlin mit. Und: „Weitere vertiefte Analysen wurden nicht durchgeführt.“ Wegen finanzieller Engpässe beim Hersteller.

Die Hoffnung, endlich ein wirksames Mittel gegen schwere Spätfolgen einer Corona-Infektion zu bekommen, ist geplatzt. „Man kann daraus nur wieder einmal lernen, dass man ohne klinische Studie keine verfrühten Rückschlüsse über die Wirksamkeit einer Therapie ziehen sollte“, sagte Carmen Scheibenbogen, Professorin für Immunologie an der Berliner Charitè und eine der weltweit renommiertesten Forscherin auf diesem Fachgebiet dem „Spiegel“.

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Zwei neue Wirkstoffe werden jetzt erforscht

Menschen mit ausgeprägtem Post-Covid-Syndrom oder ME/CFS sind schwer krank. Die Chance, dass sie von allein wieder gesund werden, sei sehr klein, sagt Scheibenbogen. „Wir können das Krankheitsbild medizinisch bisher kaum beeinflussen.“ Zwar laufen diverse wissenschaftliche Studien, um den Ursachen auf den Grund zu gehen und ein Gegenmittel zu entwickeln, einen Durchbruch hat es bisher aber nicht gegeben.

Wie viele Menschen in Deutschland aufgrund einer Corona-Infektion an ME/CFS leiden, lässt sich nur schätzen. Die Bundesvereinigung der Kassenärzte geht davon aus, dass sich die Zahl von 350.000 Betroffenen vor der Pandemie durch Covid-19 auf 500.000 vergrößert haben könnte.

Nicht abschließend geklärt sind Ursachen und Auslöser der Krankheit. Als relativ gesichert gilt, dass die Schädigung von Muskelzellen sowie Autoantikörper dabei eine Rolle spielen. Autoantikörper sind Proteine, die vom Immunsystem gebildet werden und sich gegen körpereigenes, gesundes Gewebe richten. „Die autonome Feinsteuerung des Körpers scheint aus dem Takt zu geraten“, sagt Scheibenbogen.

Die Immunologin sie setzt ihre Hoffnung aktuell auf zwei Therapieverfahren und zwei Wirkstoffe: Immunadsorption, also die Entfernung von Antikörpern aus dem Blut, Sauerstoff-Hochdrucktherapie sowie die Medikamente Ocrelizumab und Inebilizumab. Diese hätten „ein großes Potenzial für eine Behandlung, vielleicht sogar Heilung.“