Berlin. Vor, nach oder beim Essen trinken? Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl klärt, was Fehler im Trinkverhalten sind und wie es besser geht.
In der Theorie klingt es ganz einfach: Mindestens 1,5 Liter Wasser sollte ein erwachsener Mensch pro Tag trinken. Das im Alltag umzusetzen, gelingt vielen jedoch nicht. Laut einer Forsa-Umfrage schaffen es drei von zehn Menschen nicht, genug Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
Vor allem Frauen trinken zu wenig: 34 Prozent kommen nicht auf 1,5 Liter pro Tag. Bei den Männern sind es 25 Prozent. Auch ältere Menschen erreichen das Trinkziel häufig nicht. 42 Prozent der über 60-Jährigen nehmen nach eigener Angabe zu wenig Flüssigkeit zu sich.
Was passiert, wenn der Körper auf dem Trockenen bleibt?
Eine dauerhafte Unterversorgung mit Flüssigkeit kann jedoch für den menschlichen Körper, der zu rund 70 Prozent aus Wasser besteht, schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Wasser ist essenziell für nahezu alle Körperfunktionen: Es bildet den Hauptbestandteil von Zellen und Körperflüssigkeiten, reguliert die Körpertemperatur und sichert reibungslose Stoffwechselprozesse.
Bei anhaltendem Flüssigkeitsmangel droht Dehydration, die sich negativ auf Gehirnleistung, Nierenfunktion, Verdauung und weitere Organe auswirkt. Schon ein geringer Flüssigkeitsverlust kann Konzentrationsprobleme, Müdigkeit und Kreislaufprobleme verursachen – bei schwerem Mangel kann es sogar zu Nierenversagen oder lebensbedrohlichen Zuständen kommen.
Morgens dehydriert? So vermeiden Sie das Flüssigkeitsdefizit
„Neben der Menge spielt auch die Art und Weise, also wie, was und wann man trinkt, eine Rolle, um den Körper optimal mit Flüssigkeit zu versorgen“ erklärt Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl. Seiner Erfahrung nach starten viele Menschen schon dehydriert in den Tag. „Morgens ist es besonders wichtig, genug zu trinken, da in der Nacht keine Flüssigkeit zugeführt wird“, so Riedl. Im Schlaf reduziert der Körper zwar den Wasserverbrauch durch die Ausschüttung des Hormons Vasopressin (auch antidiuretisches Hormon, ADH, genannt).
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Die Reserven können am Morgen jedoch trotzdem aufgebraucht sein, da der Körper nachts bis zu 1,5 Liter Flüssigkeit verlieren kann. Das gilt insbesondere bei zu wenig Schlaf. Denn schlafen wir zu wenig, wird auch weniger Vasopressin ausgeschüttet. Ein großes Glas Wasser am Morgen gleicht das Flüssigkeitsdefizit wieder aus und hilft dabei, sich schneller wach und fit zu fühlen.
Warmes oder kaltes Wasser – was ist besser für den Körper?
Auch die Temperatur des Wassers ist entscheidend: Kaltes Wasser kann, besonders bei hohen Temperaturen oder nach dem Sport, zwar kurzfristig erfrischend wirken. Doch der Körper braucht mehr Energie, um es auf Körpertemperatur zu erwärmen. Das erhöht wiederum die Kreislaufbelastung. Lauwarmes oder zimmertemperiertes Wasser wird vom Körper oft besser aufgenommen.
Vor, während oder beim Essen – wann sollte man trinken?
Auf die Frage, ob man besser vor dem Essen, beim Essen oder nach dem Essen trinken sollte, gibt es dagegen nicht nur eine richtige Antwort. „Jede Variante kann sinnvoll sein“, erklärt Riedl. Vor dem Essen zu trinken, kann beispielsweise den Appetit verringern und so bei Bedarf beim Abnehmen helfen. „Im Gehirn liegen die Bereiche für Hunger und Durst sehr eng beieinander, wodurch Hunger- und Durstgefühl oft miteinander verwechselt werden“, so Riedl.
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Während der Mahlzeit zu trinken, kann zudem dazu beitragen, langsamer zu essen. Zudem wird der Wasserhaushalt unterstützt, und die Flüssigkeit kann die Verdauung fördern. Bei besonderen gesundheitlichen Einschränkungen, beispielsweise bei Nierenerkrankungen, Schluckbeschwerden oder einer verlangsamten Verdauung, wird jedoch auch empfohlen, Essen und Trinken voneinander zu trennen. Für gesunde Personen gilt: Entscheidend ist die Gesamtmenge der täglich aufgenommenen Flüssigkeit – ob vor, während oder nach den Mahlzeiten getrunken wird, bleibt eine Frage persönlicher Vorlieben.
Zu viel Wasser – kann das schädlich sein?
Wichtig sei es laut Riedl jedoch, nicht mehr als einen halben bis einen Liter Wasser auf einmal zu trinken, um den Magen nicht zu überlasten und den Flüssigkeitshaushalt gleichmäßig zu regulieren. Kleinere Mengen über den Tag verteilt sind besser für die Verdauung und die Verwertung der Flüssigkeit im Körper.
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Wenn in kurzer Zeit zu viel getrunken wird, kann es im schlimmsten Fall zu einer Wasservergiftung kommen. Ab einer Menge von rund acht bis neun Litern kann der Körper die Flüssigkeit nicht mehr richtig verstoffwechseln. Schwindel, Übelkeit und in Extremsituationen auch Bewusstlosigkeit und Tod können die Folge sein.
Mineralwasser oder Leitungswasser – was ist besser?
Die Wahl zwischen Mineral- und Leitungswasser ist Geschmackssache. Leitungswasser enthält, je nach Region, mindestens genauso viele Mineralstoffe, teils sogar mehr als viele stille Mineralwässer. „Leitungswasser gilt als das am besten kontrollierte Lebensmittel, und die Qualität wird von Wasserversorgern bis zum Wasserzähler garantiert“, sagt Riedl.
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Bei alten Bleileitungen oder alten Rohren könne es jedoch sinnvoll sein, das Wasser mittels einer Analyse bei einem Wasserwerk untersuchen zu lassen. Bei speziellen Bedürfnissen, wie beispielsweise einem Fokus auf eine kalziumreiche Ernährung, empfiehlt der Experte dagegen, Mineralwassersorten auszuwählen, die einen höheren Kalziumgehalt aufweisen. Damit kann man den Bedarf gezielt decken und eine ausgewogene Ernährung optimal unterstützen.
Kohlensäurehaltiges Wasser vs. stilles Wasser
Über die Frage, ob kohlensäurehaltiges Wasser genauso gesund für den Körper ist wie stilles Wasser, wird häufig diskutiert. Gibt es hier eine bessere Wahl? „Grundsätzlich kann man auch hier nach Geschmack entscheiden. Viele Menschen empfinden kohlensäurehaltiges Wasser als erfrischender. Es kann auch das Sättigungsgefühl unterstützen, was hilfreich beim Abnehmen sein kann“, erklärt Riedl. Allerdings kann Wasser mit Sprudel auch den Magen belasten und bei manchen Menschen zu Blähungen oder Sodbrennen führen. Empfindliche Personen sollten also stilles Wasser bevorzugen.