Berlin. Als sie sich den Magen verkleinern ließ, wog Jasmine 160 Kilo. Wie sie die Operation erlebte und was sie bis heute immer noch belastet.
- Immer mehr Menschen in Deutschland sind übergewichtig
- Eine Magenverkleinerung kann beim Abnehmen helfen
- Jasmine hat sich für die OP entschieden und berichtet von ihrer Erfahrung
Übergewicht und Adipositas sind längst keine Randthemen mehr – sie betreffen immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft. In Deutschland gilt inzwischen fast die Hälfte der Erwachsenen als übergewichtig. Bei jedem fünften liegt eine Adipositas vor – seit 2020 ist diese auch offiziell als chronische Krankheit anerkannt. Für Betroffene ist der Alltag oft geprägt von körperlichen Beschwerden, Vorurteilen und sozialer Ausgrenzung. In einigen Fällen kann eine Magenverkleinerung helfen, langfristig abzunehmen und die Lebensqualität zurückzugewinnen.
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So auch bei Jasmine Milito. Vor einem Jahr war ihr Gewicht noch deutlich höher: „Mit 160 Kilo war es wirklich nicht einfach. Ich hatte ständig Schmerzen – sei es an den Gelenken oder beim einfachen Treppensteigen.“ Noch belastender als die körperlichen Beschwerden waren jedoch die Reaktionen der Mitmenschen. Sie habe sich ausgegrenzt und verurteilt gefühlt. „Diese Urteile sind immer da, ob man isst oder nicht. Das tut weh, vor allem, wenn man weiß, dass man gegen diese Vorurteile kaum ankommt.“
Zuerst versuchte Jasmine Milito, ohne Operation abzunehmen: „Also habe ich Diäten gemacht, Sport getrieben – von Low Carb über Intervallfasten bis hin zu ‚Friss die Hälfte‘ (Anm. d. Red.: Diät-Methode, bei der Portionen halbiert werden).“ Doch nichts habe geholfen. Sie habe weder zu- noch abgenommen. „Und das Frustessen begann wieder“, erzählt Milito. Der entscheidende Moment kam auf einem Spielplatz. „Ich konnte wegen meines Gewichts nicht mit auf die Geräte und musste zusehen, wie mein Mann mit meiner Tochter spielte. Das hat mir das Herz gebrochen“, sagt sie. Abends saß sie weinend auf dem Sofa. „Dieser Moment war ein Wendepunkt für mich.“ Sie entschied sich für eine Operation und rief am nächsten Tag im Krankenhaus an.
Magenverkleinerung: Diese Verfahren sind besonders effektiv
„Die Empfehlung für oder gegen eine Magenverkleinerung muss immer individuell betrachtet werden“, sagt Jürgen Ordemann, Chefarzt des Zentrums für Adipositas des Vivantes-Klinikums Spandau. Das Gewicht spiele dabei eine zentrale Rolle, aber auch Folgeerkrankungen oder der persönliche Leidensdruck fließen in die Entscheidung ein. „Natürlich sollte man sich nach den offiziellen medizinischen S3-Leitlinien richten“, sagt der Arzt. Diese empfehlen eine Operation ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 40 kg/m2 und höher. „Auch bei einem BMI ab 35 kg/m2 mit Folgeerkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes mellitus Typ 2, wird eine Operation empfohlen“, erklärt Ordemann.
Für die Magenverkleinerung gibt es verschiedene Operationsverfahren. In Deutschland sind der Magenbypass und der Schlauchmagen am weitesten verbreitet. „Beim Schlauchmagen wird ein Großteil des Magens entfernt und es bleibt ein kleiner Restmagen in Form einer Banane übrig“, sagt der Arzt. Beim Magenbypass werde eine kleine Magentasche mit einem Teil des Dünndarms verbunden. Dadurch ziehe die Nahrung am Magen vorbei. „Der Schlauchmagen ist dauerhaft und nicht umkehrbar“, sagt Ordemann. „Der Magenbypass dagegen kann wieder in seinen Normalzustand umgewandelt werden.“
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Das Magenband, das in den 90er- und 2000er-Jahren häufig eingesetzt wurde, wird heute kaum noch verwendet. Es verkleinert den Magen nur mechanisch, was mittlerweile als wenig wirksam gilt. Denn: Verfahren wie der Schlauchmagen oder Magenbypass verändern obendrein das Hunger- und Sättigungszentrum im Gehirn und stellen so die Gewichtskontrolle neu ein. Die Folge: Eine Diät werde nicht länger als „Kampf“ empfunden, sondern als Normalzustand. Das sei entscheidend für den langfristigen Erfolg.
Adipositas-Chirurgie: Gute Vorbereitung ist entscheidend
Bevor eine Operation in Frage kommt, braucht es eine gute Vorbereitung. Zunächst sollte eine ärztliche Untersuchung hormonelle Ursachen für die Adipositas ausschließen. Dazu kommt eine psychologische Begutachtung. Zudem: „Alle Patientinnen und Patienten müssen vor einem operativen Eingriff eine Ernährungsberatung von mindestens sechs Monaten nachweisen“, sagt Ordemann. Die Krankenkassen fordern zwar diese Voraussetzung, bezahlen sie aber nicht. „Das ist für viele Betroffene ein wirkliches Problem“, sagt der Arzt.
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Jasmine Milito hat sich gut vorbereitet. Sie machte eine Ernährungsberatung und suchte sich psychologische Unterstützung. Nach der Operation sei es ihr erstaunlich gut gegangen, so habe sie es kaum erwarten können, ins Fitnessstudio zu gehen. „Innerhalb von sechs Wochen habe ich 16 Kilo abgenommen, und das hat mir sehr viel Motivation gegeben“, sagt sie. Doch sie spricht auch von der großen mentalen Belastung. „Eine OP ist kein Wundermittel“, sagt Milito. „Man muss weiterhin hart an sich arbeiten, vor allem im Kopf.“
„Es war die beste Entscheidung in meinem Leben“
Die Behandlung ist mit der Operation nicht vorbei: „Adipositas ist eine chronische, lebenslange Erkrankung und deswegen ist auch eine lebenslange Nachbetreuung notwendig“, sagt Experte Ordemann. Im ersten Jahr sollten die Patienten zweimal zur Nachsorge kommen. Anschließend sei eine jährliche Kontrolle ausreichend. Dabei werden der Gewichtsverlauf, bestimmte Laborwerte und auch Begleiterkrankungen beobachtet und im Zweifelsfall behandelt. Je besser die Nachbetreuung, umso besser sei der langfristige Erfolg einer Operation.
Doch messen die Ärztinnen und Ärzte den Erfolg der Operation nicht nur auf der Waage. „Patienten können bis zu 70 Prozent ihres Übergewichts verlieren, das ist ein Riesen-Erfolg“, sagt Ordemann. Aber darüber hinaus seien auch die Verbesserung der Folgeerkrankungen, die gesteigerte Mobilität und eine höhere Lebensqualität wichtige Kriterien für den Erfolg einer solchen Operation.
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Der Eingriff ist bei Jasmine Milito nun fast ein Jahr her. „Es war die beste Entscheidung in meinem Leben“, sagt sie heute. Über 60 Kilogramm hat Milito abgenommen, wiegt heute 99 Kilo bei einer Größe von 1,69 Meter. Sie sei jetzt mobiler, könne mit ihren Kindern rennen und toben. „Das will ich nie wieder missen.“ Sie werde weniger ausgegrenzt, anders behandelt – auch von Menschen aus ihrer Umgebung. Die psychischen Belastungen, die sie vor der Operation erlebt habe, könne sie daher nicht einfach vergessen. „Ich werde mich immer ein Stück weit wie ein Außenseiter fühlen, selbst wenn ich äußerlich nicht mehr so aussehe.“