Berlin. Toxische Beziehungen schaden uns. Mit diesen fünf Fragen eines Therapeuten lässt sich prüfen, ob das Problem bei einem selbst liegt.

  • Ein Psychotherapeut erklärt, wie wir unbewusst toxische Muster ausleben.
  • Finde an Hand von fünf Fragen heraus, ob du manipulative, narzisstische oder schädliche Verhaltensweisen in Beziehungen an den Tag legst.
  • Im Fall der Fälle können Selbstreflexion und bewusste Veränderung helfen, belastende Verhaltensweisen zu überwinden.

Als Britney Spears 2003 in „Toxic“ die gefährliche Anziehungskraft eines Liebhabers besang, griff sie auf populärpsychologische Erkenntnisse über toxische Beziehungen zurück. Heute gibt es unzählige Ratgeber im Internet, die erklären, wie man toxische Freunde, Partner oder Chefs erkennt und sich von ihnen trennt. Dabei wird, wenn es zu Problemen in der Beziehung kommt, oft übersehen, dass meist jeder seinen Anteil hat. Wie heißt es so treffend: It always takes two to tango.

Ein Psychotherapeut nennt fünf Fragen, mit denen man herausfinden kann, ob man toxische Verhaltensweisen an den Tag legt. Zudem erklärt er, was „toxisch“ in Beziehungen überhaupt bedeutet und warum jeder Teil des Problems in toxischen Beziehungen sein kann.

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Was sind „toxische Menschen“?

„Es gibt keine ,toxischen‘ Menschen per se, sondern toxische Verhaltensmuster, die durch übermäßige Verstrickung und schädliche Folgen für mindestens einen der Beteiligten gekennzeichnet sind“, erklärt der Berliner Psychotherapeut und Privatarzt Dr. Dirk Stemper. Zu diesen toxischen Verhaltensmustern zählt Stemper das ständige Lügen oder Verdrehen der Wahrheit, um eigene Vorteile zu erlangen oder Konflikte zu vermeiden. Typisch seien aber auch manipulative Techniken, um andere dazu zu bringen, die eigene Wahrnehmung infrage zu stellen – wodurch, so der Experte, „das Selbstvertrauen und der Realitätssinn des Opfers erschüttert werden“.

Weitere Verhaltensweisen, die Beziehungen schädigen und daher als toxisch bezeichnet werden können, sind dem Psychologen zufolge:

  • Ständige Kritik: Andauernde Abwertung und Kritik anderer, oft um das eigene Selbstwertgefühl zu steigern oder Kontrolle auszuüben.
  • Emotionaler Missbrauch: Systematische Abwertung und Manipulation des Partners, oft verbunden mit Isolation und Kontrolle.
  • Passiv-aggressives Verhalten: Indirekter Ausdruck von Ärger oder Feindseligkeit, zum Beispiel Verzögerungen, Sarkasmus oder absichtliche Ineffizienz.

Typische toxische Verhaltensmuster: Die „dunkle Triade“

In der Populärpsychologie hat sich nach den kanadischen Psychologen Delroy L. Paulhus und Kevin M. Williams der Begriff der „dunklen Triade“ etabliert. Diese beschreibt drei Persönlichkeitstypen, die in ihrer extremen Ausprägung als „toxisch“ oder „antisozial“ gelten: Narzissmus, Machiavellismus und subklinische Psychopathie. Dirk Stemper mahnt jedoch zur Vorsicht bei der Verwendung dieser Begriffe, da sie stigmatisierend wirken können. Dennoch kann es hilfreich sein, die Unterschiede zwischen diesen Persönlichkeitsmerkmalen zu verstehen:

1. Narzissmus: Das unstillbare Bedürfnis nach Bewunderung

Narzissmus zeichnet sich laut Stemper durch ein überhöhtes Selbstbild und ein starkes Bedürfnis nach Bewunderung aus. „Es ist typisch für Narzissten, sich überlegen zu fühlen, also ein grandioses Selbstbild zu pflegen.“ Gleichzeitig hätten Narzissten ein unstillbares Bedürfnis nach Bestätigung von außen. Denn, so Stemper: „Narzissmus ist auch mit einer tiefen inneren Unsicherheit verbunden, die durch die Suche nach äußerer Bestätigung kompensiert wird.“ Diese extreme Abhängigkeit von Anerkennung macht sie oft sehr empfindlich gegenüber Kritik.

2. Machiavellismus: Die manipulative Strategie

Machiavellismus zeichnet sich nach Stemper durch „manipulative und zynische Einstellungen“ aus, wobei das eigene Ziel mit allen Mitteln erreicht werden soll – ohne Rücksicht auf moralische oder rechtliche Grenzen. „Machiavellisten neigen dazu, andere Menschen als Mittel zum Zweck zu sehen und deren Bedürfnisse und Gefühle zu ignorieren“, so der Experte.

3. Psychopathie: Die kalte Distanz

Die Psychopathie wiederum zeichne sich durch Impulsivität, wenig Ängstlichkeit und antisoziales Verhalten aus. „Subklinische Psychopathen können auf den ersten Blick charmant und überzeugend wirken“, sagt Stemper. Tatsächlich aber verhalten sie sich rücksichtslos und setzen sich ohne Reue über gesellschaftliche Normen und Gesetze hinweg.

Woran merkt man, ob man selbst eine toxische Person ist? Ein Psychologe klärt auf.
Woran merkt man, ob man selbst eine toxische Person ist? Ein Psychologe klärt auf. © Adobe Stock/ praxisvita.de | Unbekannt

Wie erkenne ich, ob ich ein „toxischer Mensch“ bin?

Gelegentliche egozentrische, wenig empathische oder manipulative Verhaltensweisen sind durchaus üblich, aber wenn sie Überhand nehmen, können sie „toxisch“ werden und die Beziehungen zu anderen Menschen auf eine harte Probe stellen. „Häufige Konflikte oder Schwierigkeiten in Beziehungen können ein Hinweis darauf sein, dass man selbst Teil des Problems ist“, gibt Stemper als Denkanstoß. Der Schlüssel zur Erkenntnis liegt also wie so oft in der Selbstreflexion.

Wem das schwerfällt, dem rät der Psychotherapeut, sich fünf Fragen zu stellen:

1. Fühle ich mich anderen oft überlegen und verlange nach Anerkennung?

Der Wunsch nach Anerkennung ist ein menschliches Grundbedürfnis. Schon Kinder suchen das Lob der Eltern, um Sicherheit und Bestätigung zu bekommen. Auch im Erwachsenenalter kann Anerkennung das Selbstbewusstsein stärken und die persönliche Entfaltung fördern. Problematisch wird dieses Bedürfnis jedoch, wenn das ganze Leben darauf ausgerichtet ist, bewundert und gelobt zu werden, warnt Dirk Stemper. Wenn die erhoffte Anerkennung ausbleibt oder in Ablehnung umschlägt, reagieren Betroffene oft hilflos und vernachlässigen ihre eigentlichen Bedürfnisse.

Techniken wie Tagebuchschreiben, Meditation oder Gespräche mit vertrauten Personen fördern die Selbstreflexion.
Techniken wie Tagebuchschreiben, Meditation oder Gespräche mit vertrauten Personen fördern die Selbstreflexion. © Shutterstock / Roman Samborskyi | Roman Samborskyi

Um sich bei ausbleibender Anerkennung nicht gleich niederzumachen, rät Stemper: „Sich selbst freundlich und verständnisvoll zu begegnen, kann helfen, toxische Verhaltensmuster zu durchbrechen. Denn Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst zu verzeihen und gut zu behandeln, statt sich ständig zu kritisieren.“ Wenn das positive Selbstbild überwiege, werde auch der Zuspruch von außen weniger wichtig.

2. Sehe ich bei anderen oft nur ihre Fehler und Schwächen?

Evolutionsbedingt wiegt das Schlechte mehr als das Gute. Für viele Menschen ist es daher alltäglich, die Welt und ihre Mitmenschen durch eine „negative Brille“ zu betrachten. Doch wer sich ständig auf das Schlechte konzentriert oder das Gefühl hat, alles sei gegen ihn, sollte vorsichtig sein. Hinter diesem Verhalten könnten sich toxische Motive verbergen, so Stemper. „Menschen, die sich innerlich unsicher oder wertlos fühlen, versuchen oft, diese Gefühle zu kompensieren, indem sie andere kontrollieren oder abwerten“, erklärt er. Vor allem Narzissten nutzen dieses Verhalten, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken.

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Wer merkt, dass er andere ständig kritisiert, sollte laut Stemper Selbstreflexion üben, um möglicherweise auch eigene Schwächen zu erkennen und ein Bewusstsein für die eigenen Verhaltensmuster und deren Wirkung auf andere zu entwickeln. Selbstreflexion könne durch Techniken wie Tagebuchschreiben, Meditation oder Gespräche mit vertrauten Personen gefördert werden.

3. Hilfst du oft anderen zu deinem eigenen Vorteil?

Altruismus ist eine positive Eigenschaft, da er die Bereitschaft beschreibt, anderen zu helfen. Diese Eigenschaft kann jedoch toxisch werden, wenn sie dazu benutzt wird, eigene Ziele zu verfolgen oder andere zu bestimmten Handlungen zu drängen. Die amerikanische Schriftstellerin Anne Lamott hat dazu den Satz geprägt: „Help is the sunny side of control“. Sie meint damit, dass vermeintliche Hilfsbereitschaft oft als Mittel der Kontrolle eingesetzt wird. Der Helfer will den anderen „reparieren“, um sich selbst besser zu fühlen. In diesem Verhalten spiegelt sich auch ein typisches Merkmal des Marchevallisten wider: Manipulation, um Eigeninteressen durchzusetzen oder sich Vorteile zu verschaffen.

Um wahre Hilfe zu leisten, sollte man, so empfiehlt es die Buchautorin, hinterfragen, wie und warum man anderen hilft. Es gehe darum, Menschen zu befähigen und sie in ihrem Wachstum zu unterstützen, anstatt ihnen die eigene Agenda aufzuzwingen.

4. Fällt es dir schwer, Kritik anzunehmen und daraus zu lernen?

Perfektion gibt es nicht – das ist unbestritten. In jeder zwischenmenschlichen Beziehung kann es vorkommen, dass man dem anderen unbeabsichtigt auf die Füße tritt. In einer stabilen Beziehung werden solche Missgeschicke offen angesprochen, ein Kompromiss gefunden oder eine Entschuldigung ausgesprochen.

Dann gibt es aber auch Menschen, die auf jede Form von Kritik überempfindlich reagieren. Sie nehmen selbst konstruktive Kritik persönlich und fühlen sich angegriffen. Zudem vermeiden sie oft, Verantwortung für ihre Fehler zu übernehmen. Psychotherapeut Dirk Stemper weist darauf hin, dass solche Verhaltensweisen auf toxische Muster hinweisen können.

Er rät allen, die sich angesprochen fühlen, gesunde Kommunikations- und Konfliktbewältigungsstrategien zu erlernen, sei es durch Bücher, Workshops oder therapeutische Unterstützung. „Das kann helfen, Kritik anzunehmen, Missverständnisse aufzuklären und Konflikte respektvoll zu lösen“, so Stemper.

Was tun, wenn man toxische Züge an sich erkennt?

Niemand wird von Natur aus mit toxischen Eigenschaften geboren. So gelten Erziehung und Schlüsselerlebnisse in der Kindheit als eine Ursache für Narzissmus. „Eltern, die ihr Kind übermäßig verwöhnen und ihm ständig das Gefühl geben, etwas Besonderes zu sein, können zur Entwicklung eines übersteigerten Selbstbildes beitragen“, erklärt Dirk Stemper. Das führt oft zu unrealistischen Erwartungen an sich selbst und an andere. Ebenso können Kinder, die in einer unsicheren oder feindseligen Umgebung aufwachsen, ungesunde Bewältigungsstrategien entwickeln. „Wer sich innerlich unsicher oder wertlos fühlt, versucht oft, diese Gefühle durch Kontrolle oder Abwertung anderer zu kompensieren“, sagt Stemper.

Aber auch biologische Faktoren spielen eine Rolle. Studien zeigen, dass bei Narzissten und Psychopathen bestimmte Hirnregionen, die für Angst und Empathie zuständig sind, weniger aktiv sind. Dies kann die verstärkte Ausprägung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale begünstigen.

Wer toxische Eigenschaften an sich bemerkt, die sein Umfeld belasten, sollte laut Stemper vor allem eines tun: an sich und seinen Beziehungen arbeiten. Neben der bereits erwähnten Selbstreflexion können auch Techniken zur Emotionsregulation hilfreich sein. „Selbstaufmerksamkeit, Journaling und vor allem professionelle Unterstützung können helfen, negative Emotionen zu kontrollieren und impulsive Reaktionen zu vermeiden. So können auch die zugrundeliegenden Überzeugungen, die toxische Verhaltensmuster antreiben, hinterfragt werden“, betont Stemper.

So erkennt man eine toxische Beziehung

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