Essen. Unsere Serie „Gesund von A bis Z“ gibt in loser Folge in 26 Artikeln quer durch das Alphabet Tipps zur Gesundheit. Heute: Um nicht in Werbefallen zu tappen, sollte man die Zutatenliste von Lebensmitteln genauer unter die Lupe zu nehmen.

Ein kurzer Blick, schon kann sie einen verführt haben. Mit einer „Extra-Portion Milch“, „fettarm“, „ohne Zucker“ – die Hersteller von Lebensmitteln sparen bei der Werbung für ihre Produkte nicht an verlockenden Aussagen, die schnell zum Kauf verleiten. Doch halten die Köder was sie versprechen? Um nicht in Werbefallen zu tappen, empfiehlt Anita Zilliken beim Einkauf, die Zutatenliste der Lebensmittel genauer unter die Lupe zu nehmen.

„Die Reihenfolge, mit der die Inhaltsstoffe auf der Verpackung der Lebensmittel aufgezählt werden, sagt über deren Anteil im Produkt viel aus“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin beim Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung der AOK Rheinland/Hamburg. Die Zutaten mit dem höchsten Anteil stehen in der Aufzählung vorne, die mit dem geringsten umso weiter hinten. Doch Vorsicht: So wird Zucker auf Verpackungen nicht selten kaschiert. „Manche Hersteller teilen ihn in die verschiedenen Arten auf: Haushalts-, Milch- oder Fruchtzucker. Die gesamte Zuckermenge wird auf diese Weise in kleine Mengen geteilt, die dadurch weit hinten in der Liste angegeben werden können.“ Von der Gesamtmenge des Zuckers ausgehend, müsste der Anteil hingegen viel zu oft weit vorne stehen. „Kleine Tricks, genau wie spezielle Lebensmittel für Kinder.“

Anita Zilliken denkt an einen Werbefilm für eine Schnitte mit Milchcremefüllung. Eine junge Frau stellt im TV-Spot eine Karaffe Milch in den Kühlschrank, dazu ein Glas Honig und ein Bündel Ähren. Tür zu, kurz warten und beim nächsten Öffnen des kühlen Küchengehilfen steht eine volle Packung der milchigen Schnitten griffbereit. Die Hersteller werben bei dieser Milchschnitte ebenso wie bei Schokolade mit Milchcremefüllung mit einer Extra-Portion Milch, die aufgrund ihres hohen Kalziumgehalts gerade für Kinder, deren Wachstum und Knochenaufbau, wichtig sei. „Was in dem Spot nicht gezeigt wird, ist, zu welchem Anteil die durchaus gesunden Zutaten wie Getreide und Milch in der Schnitte enthalten sind und was noch in ihr steckt – nämlich Zucker und Fett. Zutaten, die in vielen Kinderlebensmitteln in unnötig hoher Menge enthalten sind.“

Werbung für Kinderlebensmittel appelliert an die Fürsorglichkeit der Eltern

Die Werbung für Kinderlebensmittel appelliert an die Fürsorglichkeit der Eltern. „Die Botschaft lautet: Als gute Mutter, die ihr Kind schützen möchte und der die Gesundheit ihres Kindes am Herzen liegt, sollten Sie Milchschnitten kaufen, damit Ihr Kind täglich seine Extra-Portion Milch erhält“, erklärt Anita Zilliken. Dabei sollte der Verbraucher beachten, dass das pure Glas Milch für die Gesundheit des Kindes um ein Wesentliches besser ist. „Eine Packung Schokolade mit Milchcremefüllung beispielsweise liefert etwa soviel Kalzium wie ein Viertel Liter Milch. Aber: Die Schokolade enthält ein Vielfaches mehr an Fett wie der Viertel Liter Milch. Ich sage nicht, dass die Eltern diese Produkte nicht kaufen sollen, sondern lediglich, dass ihnen beim Kauf bewusst sein sollte, dass sie eine Süßigkeit erwerben und nicht etwa ein besonders gesundes Lebensmittel.“ Gleiches gelte für Bonbons mit Vitaminzusätzen. „Die Werbung für Vitamin-Bonbons richtet sich zum Beispiel ebenfalls an die fürsorglichen Eltern, die auf eine ausreichende Zufuhr an Vitaminen bei ihrem Kind achten. Sicherlich enthalten die Bonbons Vitamine, aber sie enthalten auch reichlich Zucker und schaden damit wie alle Bonbons den Zähnen, indem sie die Kariesbildung fördern.“ Viel gesünder und geeigneter zur Vitaminversorgung sei ein Teller mit klein geschnittenen, bunten Obst- und Gemüsesorten.

Um die Aufmerksamkeit der Eltern auf das Sortiment zu ziehen, hebt die Werbeindustrie oftmals einzelne Inhaltsstoffe, die der Gesundheit zuträglich sind, besonders hervor. Um hingegen die Blicke der Kinder zu fesseln, lockt sie mit lustigen Formen, kunterbunten Verpackungen, mit Tiergesichtern oder kleinen Geschenken mit Sammelcharakter. Die Fleischwurst bekommt für Kinder ein Bärchengesicht verliehen, Nudeln in Tütensuppen werden in Buchstaben oder Zahlen geformt und in der Verpackung der Frühstückscerealien findet sich ein Spielzeug. Dabei sollten Käufer auch beim Cerealienangebot aufpassen. „Morgens wird schnell die Tüte Cornflakes aufgerissen, der knusprige Inhalt in eine Schale geschüttet und Milch nachgegossen. Für unsere heutige Gesellschaft, in der alles schnell gehen muss, ist das bequem“, sagt Anita Zilliken. Aber gesund? „Die fertigen Cerealien enthalten oft reichlich Zucker, manchmal bis zu 40 Prozent. Gesünder ist es, sich selbst ein Müsli zusammenzustellen. Eine Schale mit Hafer-, Hirse- oder Buchweizenflocken, gemischt mit Bananenstücken und Frischmilch oder Naturjoghurt ist ein deutlich nährstoffreicherer Start in den Tag.“

Geschmacksempfinden für süß und salzig ist Gewöhnungssache

Kinderjoghurts werden mit bunten Perlen verziert und mit Farbstoff angereichert, um den Augen der jungen Konsumenten zu gefallen. „Bei vielen verarbeiteten Produkten nehmen die Kinder zum Beispiel Farb- und Aromastoff in großer Menge auf. Gesünder ist es, sich das Dessert mit magerem Naturjoghurt und frischen Beerensorten selbst zu mischen. Zumal bei manchen Produkten zwar reichlich Früchte auf der Verpackung abgebildet sind, sich aber mehr Aromastoffe als tatsächlich frische, mineralstoff- und vitaminreiche Obststücke darin befinden.“ Der eigene Mix hat noch einen weiteren Vorteil: Geschmäcker mögen verschieden sein, das Geschmacksempfinden für süß und salzig ist hingegen Gewöhnungssache. „Wer von klein auf nur Süßes gewöhnt ist, wird auch als Jugendlicher häufiger zu stark gesüßten  Lebensmitteln greifen. Wer hingegen mit Vorliebe Naturjoghurt isst, dem erscheinen die fertigen Produkte sehr süß, weil er die Süße nicht gewöhnt ist. Schon ein Kind kann so an eine gesündere Ernährungsweise herangeführt werden.“

Gesunde Ernährung

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Für Anita Zilliken sind spezielle Lebensmittel für Kinder reine und nebenher gar nicht preiswerte Werbefallen. „Kinder brauchen keine extra Lebensmittel. Auf diesem Weg wird versucht, spezielle Produkte an den Kunden zu bringen, genau wie mit ‚Light-Produkten’ für Übergewichtige. Ein Beispiel:  Beim Käse wird der Fettgehalt üblicherweise in seiner Trockenmasse angegeben. Ein Gouda, der zu 50 Prozent aus Wasser besteht, enthält etwa 45 Prozent Fett in Trockenmasse (handelsübliche Abkürzung: F.i.T.). Angenommen, der Konsument kauft 100 Gramm Gouda. Wenn der zu 50 Prozent aus Wasser besteht, weist er zugleich 50 Gramm Trockenmasse auf. Ein Gouda, der 45 Prozent Fett in Trockenmasse hat, weist dann absolut um die 22 Gramm Fett auf. Ein anderer, handelsüblicher Gouda, der 30 Prozent F.i.T. besitzt, verzeichnet damit einen absoluten Fettgehalt von etwa 16 Gramm.

„Die Industrie gibt hier häufig den zahlenmäßig geringeren, absoluten Fettgehalt an und schreibt auf die Verpackung ‚nur 16 Gramm Fett’ anstatt ‚30 Prozent Fett in Trockenmasse’. So spielt sie in diesem Fall gerne den Vorteil aus, dass gewisse Käsesorten von Natur aus einen niedrigeren Fettgehalt aufweisen, und kennzeichnet diese Sorten als Kaufanreiz mit der Aufschrift ‚light’“, erklärt Anita Zilliken. Doch ist die Sorte tatsächlich besonders leicht? „Sicherlich hat die Industrie Recht, der Käse ist leichter. Aber: Der Verbraucher impliziert mit der Aufschrift ‚light’, dass der Hersteller zum Beispiel besonders wenig Fett verwendet hat, dabei hat er lediglich ein handelsübliches Produkt, das von Natur aus weniger Fett enthält, genommen. Häufig wird mit der Aufschrift versucht, das Interesse übergewichtiger Menschen zu wecken.“ Anita Zilliken rät Verbrauchern den Aufdruck ‚leicht’ öfter zu hinterfragen. Enthält das Produkt wirklich weniger Fett oder ist vielleicht nur ein anderes Maß der Fettangabe verwendet worden?

Kritischer Blick hinter den Zusatz ‚light’

Nicht nur beim Fett, auch beim Zucker lohne sich ein kritischer Blick hinter den Zusatz ‚light’. „Um den Zuckergehalt möglichst gering zu halten, verwenden manche Hersteller Süßstoff und kennzeichnen ihre Produkte dann als ‚leicht’. Süßstoff hat zwar keine oder kaum Kalorien, kann jedoch den Appetit auf Süßes mehr fördern, als ihn stillen, was dann das Problem des Übergewichtes nicht löst. Für mich stellt sich daher nicht die Frage: Cola oder Cola light? Sondern danach, welche kalorienfreien, ungesüßten Getränke es gibt – zum Beispiel Wasser und Tee.“

Besonders im Sportbereich werben Hersteller mit Getränken, die Energie liefern. „Manche der „Energy“-Getränke enthalten zusätzlich eine Koffeinmenge, die schnell aufputscht. Energie ist dabei oft nichts anderes als eine elegante Umschreibung von Zucker.“ Für Anita Zilliken braucht der Mensch keinen Zucker in flüssiger Form. Durch frisches Obst, Gemüse und Brot bekommt der Körper genügend Energie und „Treibstoff“, auch vor Prüfungen. „Studenten greifen kurz vor Klausuren gerne zu Traubenzucker. Ich würde vielmehr raten, eine Banane zu essen und ausreichend Wasser zu trinken. Denn was braucht das Gehirn, um fit zu sein? Kohlenhydrate und Flüssigkeit. Der Fruchtzucker in der Banane steigert die Leistungsfähigkeit des Gehirns, vor allem aber enthält sie mit Kalium oder Vitamin C weitere wichtige Nährstoffe gegenüber dem bloßen Traubenzucker.“

Für Grundnahrungsmittel wird in Fernsehspots kaum geworben. „Hinter Obst, Gemüse oder Milch stehen Bauernverbände, aber keine Konzerne mit hoher Finanzkraft. Das Geld für teure Werbespots hat vielmehr die Industrie, die mit den Spots einzelne Aussagen heraushebt“, sagt Anita Zilliken. Verbraucher sollten beim Lauschen der Werbung daher vor allem eines bedenken: „In der Regel wird für Produkte geworben, die für den Hersteller lukrativ, aber für den Verbraucher nicht unbedingt lebensnotwendig sind.“