Leipzig. Ob Arzt, Student oder Hausfrau: Burnout kann jeden treffen. Schätzungen gehen von rund neun Millionen Betroffenen in Deutschland aus. Doch trotz der hohen Fallzahlen gibt es noch immer keine einheitliche Diagnose und auch keine klare Definition. Der Begriff gerät nun in die Kritik.
Müde, antriebslos und ausgebrannt: Immer mehr Menschen in Deutschland werden wegen chronischer Erschöpfung arbeitsunfähig geschrieben. Für das Leiden wurde vor nunmehr fast 40 Jahren der Begriff "Burnout-Syndrom" geprägt. Heute gilt Burnout vor allem als Massenphänomen in der Arbeitswelt. Das sogenannte Burnout-Syndrom beschreibt einen anhaltenden Zustand körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung. Geprägt wurde der Begriff erstmals 1974 von dem deutschstämmigen Psychoanalytiker Herbert Freudenberger, der die Symptome bei professionellen Helfern beobachtete.
Tatsächlich sind häufig helfende und medizinische Berufe wie Pflegekräfte, Ärzte oder Krankenschwestern, aber auch Lehrer vom Burnout-Syndrom betroffen. Auch viele Rentner, Studenten und Hausfrauen zeigen Anzeichen von chronischer Erschöpfung. Nicht zuletzt haben sich zudem zahlreiche Prominente wie "Rosenstolz"-Sänger Peter Plate, Sportler und Manager zu ihrem "Ausgebranntsein" bekannt.
Ausfälle für die Wirtschaft in Milliardenhöhe
Zu den Auslösern von chronischem Stress zählen Forscher hohe Arbeitsbelastung, Zeitdruck, geringe Gestaltungsspielräume und das Fehlen von Erholungsphasen. Auch die ständige Erreichbarkeit führt dazu, dass Menschen nicht mehr abschalten können. Hinzu kommen oft noch familiäre Belastungen. Solide Zahlen darüber, wie viele Menschen in Deutschland am Burnout-Syndrom leiden, gibt es nicht.
Einige Schätzungen gehen von rund neun Millionen Betroffenen aus. Fakt ist aber: Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen nehmen seit Jahren zu, wie aus den Zahlen der Krankenkassen hervorgeht. Auch viele Frühverrentungen erfolgen aufgrund dieses Krankheitsbildes. Für die Wirtschaft entstehen dadurch Ausfälle in Milliardenhöhe, weshalb das Thema Burnout auch von zunehmender gesundheitspolitischer Brisanz ist. Es ist allerdings oft schwer, Burnout von anderen psychischen Erkrankungen wie Depression abzugrenzen.
Keine einheitliche Definition und Diagnose
Nach wie vor gibt es dafür keine einheitliche Definition und auch keine klare Diagnose. Es liegt gegenwärtig im ärztlichen Ermessen, Burnout festzustellen und entsprechend zu behandeln. Burnout äußert sich unter anderem durch einen wechselnden Zustand von Erschöpfung und Anspannung, durch Unruhe und verminderte Leistungsfähigkeit. Hinzu kommen seelische und körperliche Beschwerden wie Rücken- oder Kopfschmerzen.
Nach Ansicht einiger Experten ist Burnout möglicherweise eine Stufe der Depression. Der Leipziger Psychiater Ulrich Hegerl, der auch Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe ist, hält Burnout für einen zu "schwammigen" Begriff und kritisiert dessen inflationären Gebrauch. Wenn von Burnout gesprochen werde, dann stecke dahinter meist eine handfeste depressive Erkrankung. Eine "Vermengung von Stress, Burnout und Depression" aber führt laut Hegerl zu einer "Verharmlosung der Depression", die eine schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankung ist. Schwer Depressiven kommt nicht nur alle Freude abhanden. Sie leiden auch unter Schlafstörungen, Appetitmangel bis hin zu Selbstmordgedanken. (afp)