Mallorca. Seit Mai gelten auf Mallorca neue Benimmregeln für Touristen, bei Verstößen kann die spanische Polizei Bußgelder bis zu 400 Euro erheben. Doch die Regeln sind nicht klar definiert, es fehlen Schilder und Info-Broschüren für die Urlauber. Stattdessen kontrollieren die Polizisten nach Lust und Laune.

S’Arenal und die Playa de Palma scheinen im Umbruch: Neue Vier- und Fünf-Sterne-Hotels sollen das Ballermann-Image aufhübschen, neue Regeln das Benehmen der Urlauber schon in diesem Sommer im Rahmen halten. Ein Gespräch mit Blogger Oliver Lipp (www.mallebz.net) über Wandel, Willkür und Wodka.

Wie geht es eigentlich den armen Plastikeimern, aus denen keine Sangria mehr getrunken werden darf?

Oliver Lipp: Den Eimern geht es natürlich entsprechend schlecht. Keine leckere Sangria, kein Wodka mehr. In Zukunft gibt es Domestos und Meister Proper.

Aber Spaß beiseite: Es gibt ja nun verschärfte Benimmregeln an der Playa de Palma – keine Trinkgelage, keine laute Musik, kein Glas, kein Glücksspiel. Zuwiderhandlungen werden mit hohen Bußgeldern belohnt. Wie finden Sie das?

Lipp: Teilweise sind diese Regeln absolut nachzuvollziehen. Beispiel: Kein Glas mehr am Strand. Das bedeutet auch, dass weniger Glasscherben auf der Promenade liegen, es gibt weniger aufgeschlitzte Füße und Fahrradreifen. Ich bin immer mit dem Fahrrad unterwegs und brauche nicht mehr drei oder vier Schläuche pro Saison.

Wenn man ehrlich ist, spricht ja auch nichts dagegen, sich im Urlaub benehmen zu müssen. Auch nicht auf Mallorca.

Lipp: Absolut nicht. Gerade auch Stammgäste, die seit zehn oder 15 Jahren nach S’Arenal kommen, haben nichts gegen diese Regeln. Das Problem ist die Willkür, mit der kontrolliert wird. Da muss man einfach sagen: Das geht nicht.

Wer Regeln nicht befolgt, wird sanktioniert. Ist doch einfach.

Lipp: Ist es nicht, denn diese Regeln sind nicht klar definiert, sie sind dehnbar wie Kaugummi. Sind bei der Musik am Strand 70 Dezibel erlaubt, oder 80? Wäre dies klar festgelegt, könnte ein Polizist mit einem Messgerät die Lautstärke feststellen und die Gruppe bestrafen, wenn die Musik mit 120 Dezibel aus den Boxen donnert. Stattdessen findet die Polizei je nach Laune etwas, oder eben nicht. Dazu kommt das Sprachproblem, die Polizei spricht eigentlich nur Spanisch. Es wird aber schon viel früher schwierig: Es gibt an der Playa de Palma keine Informationen. Die Regeln, die vor Ort einzuhalten sind, stehen nirgendwo. Es gibt keine Schilder, weder an der Promenade noch am Strand. Auch keine Broschüren in den Hotels.

Wie läuft die Saison in S’Arenal unter diesen Voraussetzungen?

Lipp: Ich muss ehrlich sagen: Der August war der langweiligste Monat, an den ich mich erinnern kann. Eine unglaubliche Stille am Strand, alle haben Angst vor Strafen. Davon profitieren natürlich Hotels und Diskotheken, insgesamt ist der Umsatz aber tatsächlich eingebrochen. Deutsche Touristen haben im Juli 14 Prozent weniger ausgegeben als im Vorjahr. Mit dem September und dem Oktober kommen für die Playa de Palma nun noch zwei dicke Monate. Es kommen Gäste, die im Job stehen, die Geld ausgeben können.

Die Behörden vor Ort setzen auf Vier- und Fünf-Sterne-Urlaub. Macht das in Ihren Augen Sinn?

Lipp: Warum nicht? Ich befürworte und unterstütze das. Man darf das ja nicht verwechseln: Spaßtourismus ist ja nicht gleich Billig-Tourismus. Ich weiß gar nicht, wie S’Arenal an dieses Hartz IV-Image kommt? Das gibt es hier gar nicht. Im Gegenteil, es gibt viele Spaßtouristen, die ein Vier Sterne-Hotel wollen, damit Sie ein ordentliches Bett haben, in das Sie nach der Party fallen können.

Sogar der Ballermann 6 soll nun umgebaut werden. Wenn ich 2020 zur Playa komme, was erwartet mich denn dann?

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Lipp: Das ist eine gute Frage. Es gibt Klagen gegen diese Benimmregeln, und nun gibt es zwei Möglichkeiten: Wenn diese Klagen Erfolg haben, dann wird die Playa de Palma in 20 Jahren noch so sein, wie sie vor 20 Jahren war. Auf Mallorca hat man sich ja auch Mühe gegeben, das aufzubauen. Man hat vor 40 Jahren gesagt: Kommt hierher und habt Spaß. Bestehen die Benimmregeln vor Gericht, und Alvaro Gijon (Stadtrat und Vizebürgermeister, Anm.d.Red) wird 2015 bei den Kommunalwahlen wiedergewählt, dann wird es komplett anders sein. Dann wird hier kein Jürgen Drews mehr auftreten. Dann haben wir auf Mallorca in drei Jahren ein neues Ibiza und einen ganz anderen Qualitätsanspruch.

Das finden Sie schade?

Lipp: Veränderungen kann man nicht aufhalten, das ist in Ordnung. Ich kann das nur mit dem Blog begleiten. Schwachsinnig ist aber, wenn Polizisten den Strand entlang gehen und Touristen aufgrund der Farbe der Badehosen bestrafen. Seltsamerweise interessiert sich die Polizei nicht für die Leute der Großdiskotheken, die mittags am Strand mit lauter Musik Party und Promotion machen. Vielleicht will man einfach die Läden voll bekommen, da mag sich jeder seinen Teil denken. Was ich weiß ist, dass Urlauber nicht mehr kommen wollen, weil sie mehrfach Strafen zahlen mussten und sich gefragt haben, warum. Regeln müssen für alle gelten – oder gar nicht.