Düsseldorf.. Mit Tempo-20-Zonen, einem verbilligten NRW-Ticket für den Nahverkehr und einem besseren Baustellen-Management soll der Verkehrsinfarkt im „Stauland“ NRW verhindert werden. In Düsseldorf diskutieren Experten Auswege aus der Misere.

In den nächsten fünfzehn Jahren droht dem „Stauland NRW“ der totale Infarkt. Der Personenverkehr auf seinen Straßen wird um bis zu 18 Prozent, der Güterverkehr um bis zu 80 Prozent zunehmen. „Ein staufreies Nordrhein-Westfalen ist Utopie“, sagt Landesverkehrsminister Harry Voigtsberger (SPD).

Harry Voigtsberger hat sich bisher eher zurückgehalten, wenn es um den verkehrspolitischen Kurs des seit einem Jahr rot-grün regierten Landes geht. Jetzt munitioniert er sich. Die Mobilitätskonferenz soll ihm dabei helfen. Vertreter von Verbänden, Unternehmen und Gewerkschaften haben in der mehrstündigen Veranstaltung in Düsseldorf einen Stapel von Vorschlägen gemacht, die Voigtsberger und seine Beamten auf Machbarkeit prüfen werden. Erste Ergebnisse könnte es im Herbst geben.

Die Empfehlungen reichen von einem verbesserten Baustellenmanagement auf Autobahnen, um Staus zu stoppen, bis zu flächendeckenden Billig-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr, von einem Netz „markierter Außerortsradwege“ und neuen Tempo 20-Zonen in den City-Bereichen bis zur Nutzung der Straßenbahnschienen im Ruhrgebiet, um so des Nachts Güter zu den Filialen des Einzelhandels zu bringen und lärmintensiven Lkw-Verkehr zu vermeiden. Der letzte Vorschlag stammt übrigens von Kerstin van Kerkom, die für den Metro-Konzern (Kaufhof, Real) spricht. Es ist keine Schnapsidee. In Dresden liefern Gütertrams die Kotflügel für VW-Karosserien schon quer durch die Stadt.

Der Minister ist nicht gegen Autos an sich

Dass die NRW-Straßen überlastet sind und dass etwas dagegen zu tun ist, ist inzwischen allgemeine Meinung. Die Trennlinie der Debatte verläuft brisanter: Nur Verbesserungen? Oder doch neue Straßen? Jan Peter Nissen, Geschäftsführer des Initiativkreises Ruhr, hat da eine klare Position: „Die Infrastruktur ist verbesserungswürdig“, sagt er. „Aber wir brauchen Neubauten. Die wirtschaftliche Entfaltungskraft der Unternehmen der Region leidet sonst. Das ist aber ein Akzeptanzproblem.“

Ob auch Voigtsberger und die übrige rot-grüne Regierung so eine Forderung akzeptieren wollen, bleibt nach der Mobilitätskonferenz zunächst offen. Der Minister ist nicht gegen Autos an sich, so, wie es in Teilen der neuen grün-roten Regierung in Baden-Württemberg durchschimmert: „Die individuelle Mobilität ist ein Stück Freiheit“, sagt er sogar. Er sei aber durchaus für „andere Autos. Nicht mehr für den Verbrennungsmotor, sondern für Elektroantriebe“. Dies werde eine Herausforderung .

Zunächst gibt es aber für alle Lager, die sich mit der Zukunft des Verkehrs in NRW befassen, erst noch einen gemeinsamen Gegner. Das ist der Bund. Wenn die Landesregierung an Berlin denkt, wächst die Wut im Bauch. Es geht ums Geld.

Politische Willkür

Die Verteilung der Bundesgelder für Verkehrsinvestitionen erfolge nach politischer Willkür, kritisiert der Minister. „Projekte in Nordrhein-Westfalen dürfen nicht schlechter gestellt werden als anderswo. Kein einziges Schienenprojekt wird bei uns vernünftig umgesetzt.“ Selbst der Ausbau der Güterzuglinie Betuwe von Rotterdam ins Ruhrgebiet sei noch nicht in trockenen Tüchern. „Der Bund braucht neue Verteilungskriterien“. Sein Staatssekretär Horst Becker (Grüne) spricht Klartext in der Sache: Sei es ein Wunder, dass mehr Geld in andere Bundesländer fließe wie zum Beispiel für Stuttgart 21? „Die meisten Bundesverkehrsminister kommen aus Süddeutschland.“

So versucht es Voigtsberger zunächst mit Maßnahmen, die den Dauerstau mildern. Es wird eine Verkehrslenkungszentrale geben, das steht fest. Und die erste Standspur auf der überlasteten Autobahn A 57 bei Köln-Bickendorf wird gerade heute freigegeben. Es ist ein preiswerter Notstopfen.

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