Essen. Verkehrspolizisten sind alarmiert: Viele Lkw sind fahrende Zeitbomben, da ihre Ladung nur mangelhaft gesichert ist. So landet die teils tonnenschwere Fracht auf der Fahrbahn – und wird zur tödlichen Gefahr.
Sie verlieren Betonpfeiler, Baumstämme, Rohre oder Getränkekisten. Manchmal geht es glimpflich aus - so wie bei dem Transporter, von dessen Ladefläche Mitte Januar 150 Kisten Bier auf eine Fahrbahn am Autobahnkreuz Olpe-Süd rutschten. Für die Bergung musste die Polizei mehrere Fahrstreifen sperren, verletzt wurde niemand. Manchmal haben Fehler aber auch einen hohen Preis - so wie vergangenen Sommer im sauerländischen Rönkhausen. In einer Kurve fiel einem Laster die Holzfracht herunter. Ein 35-jähriger Motorradfahrer konnte den Hindernissen nicht mehr ausweichen. Er starb noch an der Unfallstelle.
Die Gefahr rollt täglich über die Straßen in NRW. „Wir müssen fast 75 Prozent der kontrollierten Lkw wegen fehlerhafter Sicherung der Ladung bemängeln“, sagt Wolfgang Jaspers von der Autobahnpolizei Dortmund. „In 40 Prozent der Fälle ist die Fracht so schlecht gesichert, dass sie andere Verkehrsteilnehmer gefährden könnte.“ Eine Vollbremsung, eine plötzliche Kurve oder ein unerwartetes Hindernis auf der Straße reichen aus, um gefährliche Ladungs-Konstruktionen ins Wanken oder gar zu Fall zu bringen.
Mit dem Verkehrs-Aufkommen wächst die Gefahr
Nur ein Viertel der transportierten Waren ist richtig verpackt und korrekt gesichert, schätzt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. „Jährlich entstehen in Deutschland durch Lkw-Unfälle wegen mangelnder Ladungs-Sicherung 250 Millionen Euro Schaden“, sagt Pressesprecher Christian Lübke. Die Versicherer rechnen jedoch mit einer hohen Dunkelziffer bei solchen Unfällen. Und die Gefahr steigt mit dem stetig wachsenden Verkehrs-Aufkommen. Die Verkehrsleistung von Lastkraftwagen hat laut Bundesamt für Güterverkehr allein im vergangenen Jahr um 5,7 Prozent zugenommen. Und der Warenstrom auf der Straße wird weiter wachsen - nach einer Schätzung des Bundesverkehrsministeriums um rund 75 Prozent bis zum Jahr 2025.
Fehler decken die Verkehrspolizisten häufig bei den Zurrgurten auf, mit denen die Ladung befestigt ist. Auf den Etiketten der Gurte steht, was diese an Gewicht aushalten können. „Doch viele Fahrer und Spediteure wissen nicht einmal, was die Angaben bedeuten“, sagt Jaspers. Der Polizist und seine Kollegen ziehen auch immer wieder beschädigte Gurte, mit Löchern und Rissen, aus dem Verkehr. Zudem wird die jährlich vorgeschriebene Prüfung der Gurte häufig versäumt, da diese Pflicht kaum bekannt ist.
„Spediteure sparen aus Kostengründen an der Sicherheit“
Wolfgang Jaspers hat kürzlich einen Test des ARD-Verbrauchermagazins „Plusminus“ begleitet. Der TÜV-Rheinland hat im Auftrag der Sendung zehn verdächtig aussehende Gurte geprüft, die die Autobahnpolizei zuvor eingesammelt hatte. Das erschreckende Ergebnis: Sechs von zehn Gurten fielen durch. Teils hatten die Hersteller auf den Etiketten falsche Angaben zur Belastbarkeit gemacht. Die Schlamperei beginnt also oftmals schon beim Hersteller. Da immer mehr Gurt-Plagiate verwendet würden, sei die Herkunft oft gar nicht erkennbar, klagt Jaspers. Er vermutet, dass die meisten dieser fehlerhaften Gurte aus dem asiatischen Raum stammen könnten.
Besonders genau schaut die Polizei zudem hin, wenn die Ware mit Planen bedeckt ist. „Darunter ist die Ladung teilweise gar nicht oder nur mangelhaft gesichert“, sagt Uwe Staudinger von der Autobahnpolizei Düsseldorf. Eine weitere Gefahrenzone: die Ladefläche. „Gerade bei Nässe sind die Metall- oder Holzböden oftmals spiegelglatt“, erklärt Staudinger. Die Ware müsse dann auf Anti-Rutsch-Unterlagen gestapelt werden. „Doch die sind relativ teuer.“
Viele Spediteure sparten aus Kostengründen an der Sicherheit, beklagt Staudinger. Der Kosten-Druck führe zudem dazu, dass einige Firmen Aufträge annehmen würden, für die ihre Fahrzeuge nicht gerüstet seien. Doch wenn die Polizei erst einmal auf die gefährlichen Nachlässigkeiten aufmerksam wird, muss der Spediteur ohnehin tief in die Tasche greifen. „Bei gravierenden Mängeln ziehen wir das Fahrzeug sofort aus dem Verkehr“, sagt Staudinger. „Dann muss die Fracht auf einen geeigneten Laster umgeladen werden.“ Zudem wird noch ein Bußgeld fällig: „Bei Gefahrgut-Transporten kann das schnell in fünfstellige Höhe gehen.“
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