Essen. Reiseanbieter haben es schwer: Die größte Kundengruppe rekrutiert sich aus Senioren, die aber keine speziellen Senioren-Angebote wollen. Stattdessen sollen es Bildungsreisen mit komplett-Versorgung sein. Die Best Ager von heute fühlen sich nämlich um einiges jünger als die Rentner von einst.

Es ist ein echtes Dilemma. Mit jeder neuen Studie werden der Reisebranche erneut die Auswirkungen des demografischen Wandels vor Augen geführt: Senioren sind die wichtigste Zielgruppe der Zukunft. Doch wie geht man mit den so genannten Best Agern bloß um? Wie spricht man sie am besten an?

Wie verunsichert die Branche im Umgang mit der reisefreudigen und zahlungskräftigen Klientel ist, zeigt sich schon an der Tatsache, dass Begriffe wie „Senioren“ oder „55+“ aus den Katalogen der großen Reiseveranstalter verschwunden sind. Der Versuch, mit speziellen Seniorenprogrammen neue Kunden zu gewinnen, darf als fehlgeschlagen betrachtet werden.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Alte Menschen wollen nicht wie alte Menschen behandelt und angesprochen werden. Die Menschen fühlen sich heute in der Regel deutlich jünger als sie es nach dem Kalender sind und wollen sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Schon gar nicht in eine, auf der dick „Senioren“ steht.

Den einen Senior gibt es nicht mehr

Dass es keine Erfolgsgarantie gibt, wenn ein Reiseveranstalter sein Programm älteren Semestern auf den Leib schneidert, zeigt das Beispiel des Münchner Studienreiseveranstalters Studiosus. Der hatte schon im Jahr 2002 unter der Marke Klingenstein einen Katalog „Reiseträume“ aufgelegt. „Urlaub für Aktivgebliebene“, beschreibt Frano Ilic von Studiosus das damalige Programm: 64 ausgewählte Ziele für über 70-Jährige.

Nach „zwei starken Jahren“ brach die Nachfrage – vielleicht auch als Folge von Rentendiskussion, Sars-Hysterie und Irak-Krieg – so stark ab, dass die „Reiseträume“ wieder in der Schublade verschwanden. Rund 40 Reisen mit speziellen Serviceleistungen für die Generation „65+“ finden sich heute in den Studiosuskatalogen unter dem Stichwort „Service Plus“: „Die geruhsamste Form der Studienreise: Wenn Sie Anstrengungen meiden wollen und Komfort wünschen, aufmerksamen Service und Freiraum zur Entspannung“, heißt es in München.

Endlich die Reiselust ausleben

Die ältere Generation ist „agil statt senil“, sagt Elisabeth Stettmeier – und sie muss es wissen. Die ehemalige Rektorin ist so etwas wie der Prototyp eines jung gebliebenen „Best Agers“, der im Alter seine Reiselust so richtig auslebt. In Europa hat sie außer den nördlichen Ländern alles gesehen. Israel, Jordanien, der Sinai, Usbekistan: Auch alles schon gesehen. Auch die Vereinigten Staaten. An Reiseträumen mangelt es Elisabeth Stettmeier nicht. Und klare Vorstellungen, was sie von einer Reise erwartet, hat sie ebenfalls: Bildungsreisen statt reiner Strandurlaub, keine ausgewiesenen Seniorenreisen, sondern altersgemischte Programme. Ein erhöhtes Maß an Sicherheit. Kompetente Führungen in deutscher Sprache. Service, ein kulturelles Programm.

„Die 65-Jährigen von heute haben wenig mit den 65-Jährigen von vor 30 Jahren gemein“, weiß auch Kathrin Spichala von Deutschlands größtem Reiseveranstalter Tui. „Entscheidend ist die Erkenntnis, dass es ,den einen’ Senioren nicht gibt und wohl auch in Zukunft nicht mehr geben wird. Der moderne Kunde legt heute deutlich mehr Wert auf Individualität.“

Geistige Anregungen im Urlaub erfahren

Heißt im Umkehrschluss: Ältere Urlauber wünschen oftmals keine spezielle Zielgruppenansprache, sondern suchen sich aus einem breit gefächerten Angebot die für sie geeigneten Urlaubsformen selbst aus. „Manchmal sogar, um bewusst ihren Urlaub nicht unter Gleichgesinnten zu verbringen“, so Kathrin Spichala. „In jedem Fall sollen die individuellen Wünsche passgenau erfüllt werden.“

Dazu gehört auch, im Urlaub auch geistige Anregungen zu erfahren. Das nimmt zu, glaubt man in Hannover. Bei der Tui geht man davon aus, dass die nächsten Jahrzehnte den fernen Ländern weiteren Aufschwung bringen werden. Kathrin Spichala: „Die reiseerfahrene ältere Generation zieht es mehr und mehr in exotische Länder, die weniger dem eigenen Kulturkreis entsprechen.“ Schon jetzt werden alle von den Hannoveranern angebotenen Rundreisen auf der Fernstrecke von deutschsprachigen Reiseleitern begleitet – mit Durchführungsgarantie ab zwei Personen, für maximale Planungssicherheit.

Die ältere Generation von heute setzt sich wohl gar nicht so deutlich von allen anderen Urlaubern ab. Mit einem Unterschied vielleicht, Spichala: „Sie sind reiseerfahrener, wollen etwas erleben.“ Das kann Globetrotterin Stettmeier nur unterstreichen. „Nur aus reinem Spaß will ich nicht reisen“, sagt sie.

Neue Konzepte sind gefordert

Aber nicht nur die Reiseveranstalter brauchen neue Konzepte für die jung gebliebenen Alten, auch die Urlaubsregionen spüren den demografischen Wandel. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die touristischen Produkte, die neuerdings vermehrt generationenübergreifende Angebote enthalten.
Beispiel Bayern Tourismus: Innerhalb der Produktlinie „Kinderland Bayern“ wurde schon vor einiger Zeit das Programm „Mit Enkel auf Tour“ eingeführt – bei Bayern Tourismus in München freut man sich über eine der erfolgreichsten Maßnahmen der jüngeren Vergangenheit. srt/rj