Berlin.. Die Gelsenkirchenerin Annegret Goss will mit ihren Freundinnen in der Türkei Urlaub machen. Den „55+ Vorteil“ im Alltours-Prospekt bekommen sie nicht, obwohl sie zwischen 55 und 57 Jahre alt sind. Der Rabatt gilt erst ab 60 Jahren, erklärt der Reiseveranstalter.
Als „Werbelüge“ empfindet Annegret Goss die Worte „55+ Vorteil“ im neuen Türkei-Urlaubskatalog des Reiseveranstalters Alltours. Denn obwohl die Angestellte der Stadt Gelsenkirchen und ihre mitreisenden Freundinnen zwischen 55 und 57 Jahre alt sind, bleibt ihnen der Rabatt verwehrt. Das Buchungssystem im Reisebüro gibt den Vorteil für das Wunsch-Hotel erst ab 60 Jahren heraus.
„Irgendwie klingt es schon lustig, wenn man 60 Jahre alt sein muss für einen 55+ Vorteil“, sagt die Gelsenkirchenerin. Zwar hat sie das Hotel in Side an der Türkischen Riviera nicht wegen des Bonus’ gebucht. Doch der Vorfall ärgert sie. Es geht ums Prinzip. „Was im Katalog steht, muss auch stimmen“, findet die Leserin. Die Buchungsmasken im Reisebüro könne der Verbraucher schließlich nicht kennen.
Hotels, die das 55+ Vorteil-Logo tragen, bieten „Gästen ab 55 Jahre zusätzliche attraktive Preisvorteile“: So steht es im Katalog. Exakt 90 Euro hätte die Reisegruppe gespart, hätte sie den Bonus erhalten. Da stellt sich die Frage: Kann Annegret Goss die Summe, die das Werbeversprechen eingebracht hätte, vom Veranstalter zurückfordern?
Eher nicht, meint Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Zwar sind die Angaben im Prospekt für den Reiseveranstalter bindend, wenn er sich keine Änderungen vorbehalten hat“, argumentiert die Juristin. Aber der Veranstalter sei nicht zum Vertragsschluss verpflichtet. „Zudem gilt immer noch der Grundsatz der Vertragsfreiheit“, fügt die Juristin der Verbraucherzentrale Bayern, Eva-Maria Schönmetzler, an. Das Reisebüro könne einen alternativen Reisevertrag unterbreiten, den der Kunde annehmen oder ablehnen kann.
Die Reisegruppe hätte exakt 90 Euro gespart
So viel zur zivilrechtlichen Sicht. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht sieht die Sache anders aus. „Unwahre Katalogversprechungen kann die Wettbewerbszentrale abmahnen“, erläutert Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reiseverbands (DRV). Dies habe aber keine Auswirkungen auf den zivilrechtlichen Anspruch. Auch Schäfer sagt, dass das, was im Katalog steht, stimmen muss. Jedoch weist er darauf hin, dass die Hotels häufig die Anzahl an Kinderfestpreisen oder Seniorenrabatten beschränken. Sei ein Kontingent ausgeschöpft, sei die Reise ausgebucht. Eventuell kaufe der Reiseveranstalter Leistungen nach und biete diese neue Reise dann zu einem höheren Preis an.
Annegret Goss hat Alltours ihren Unmut kundgetan und bekam folgende Antwort: „Der feststehende Begriff ,55+ Vorteil’ ersetzt den aus den Vorjahren bekannten Begriff ,Seniorenrabatt’. Dieser gilt je nach Hotel in der Regel ab 55 beziehungsweise 60 Jahren. Es kann bei diesem Begriff nicht gewährleistet werden, dass es eine Ermäßigung bei jedem Hotel ab 55 Jahren gibt.“ Gleichzeitig verspricht das Unternehmen, den Hinweis der Kundin „als Verbesserung“ mit aufzuführen.
Mit dieser Auskunft wollte sich Annegret Goss nicht abspeisen lassen. So rief sie die Redaktion auf den Plan. „Für mich ist diese Vorgehensweise eine irreführende Werbung und nicht nachvollziehbar, dass Alltours sich mit dieser Aussage aus der Verantwortung zieht“, schrieb Goss.
Die Redaktion hat bei Alltours nachgehakt. Zuerst fällt die Antwort des Reiseveranstalters ähnlich aus. Es heißt, dass man in den Vorjahren in zahlreichen Hotels einen Seniorenrabatt gewährt und das Werbelogo in den aktuellen Katalogen zu „55+“ geändert habe. Hotels mit diesem Logo böten älteren Gästen, die bei Alltours bei 55 Jahren beginnen, einen Vorteil. Darunter fänden sich Hotels die 55-jährigen Urlaubern Preisnachlässe gewährten, aber auch Hotels, die diesen Abschlag erst ab 60 Jahren einräumten.
„Werden uns mit einer kleinen Aufmerksamkeit entschuldigen“
Einen wichtigen Absatz fügte der Reiseveranstalter dem Schreiben an die Redaktion allerdings an: „Wir werden in den kommenden Katalogen diesen Unterschied deutlicher hervorheben, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. In den Buchungssystemen der Reisebüros und im Internet weisen wir deutlich vor der Buchung aus, welche Hotels welche Preisnachlässe geben. Wir bedauern, dass im konkreten Fall die Kundin unzufrieden ist und werden uns mit einer kleinen Aufmerksamkeit am Urlaubsort kulant entschuldigen.“
Alltours-Kunden können sich in Zukunft also über mehr Klarheit bei der Preisberechnung ihrer Pauschalreise freuen, und Annegret Goss über eine Überraschung in Side. Auf die „kleine Aufmerksamkeit“ ist die Leserin im Übrigen jetzt schon gespannt. Weil sie die Reise aber erst im September antreten wird, ist sie noch nicht ganz davon überzeugt, dass sich Alltours dann noch an sein Versprechen erinnert.