Genf. Mit Qoros präsentiert sich die erste ernstzunehmende chinesische Export-Marke auf dem 83. Schweizer Auto-Salon. Für Qualität sollen eingekaufte europäische Spitzenmanager sorgen. Ansonsten fühlt man sich auf dem traditionell ersten großen europäischen Branchentreffen in Zeiten des PS-Wahnsinns zurück versetzt.
Neulinge haben es gemeinhin schwer, auf der kleinen Ausstellungsfläche des Genfer Automobil-Salons etwas Besseres zu bekommen als einen Nischenplatz. Bei Qoros ist dies anders, und es erscheint symbolträchtig. Die erste ernstzunehmende chinesische Marke hat den alten Platz von Rolls-Royce übernommen. Man strebt im Eiltempo nach Höherem, so wie Qoros’ bereits in Europa sehr erfolgreicher Standnachbar Kia. Der Nachbar auf der anderen Seite des China-Standes sieht zurzeit dagegen wie ein Verlierer des globalen Wettrennens aus: Citroën.
Die ersten chinesischen Exportversuche zerschellten vor sechs Jahren mit ihren billigen Plagiaten an den Crashtestanforderungen und Qualitätserwartungen in Europa. Diesmal soll 100 Kilometer entfernt von Shanghai bald eine halbe Million Autos mit hohem technischen und designerischen Anspruch zum attraktiven Preis entstehen – das schlichte wie schwierig umzusetzende Erfolgsrezept der Japaner früher und der Koreaner heute. Finanziers sind der aufstrebende chinesische Autobauer Chery und eine israelische Investorengruppe.
Qoros lässt sich Teile von Bosch und Continental liefern
Für das hohe Ziel, aus dem Stand in Europa konkurrenzfähig zu sein, hat man europäische Auto-Prominenz eingekauft. Volker Steinwascher, der ehemalige Chef des US-Geschäfts von Volkswagen, leitet die Aktivitäten.
Neben ihm ist Gert Hildebrand so etwas wie das Gesicht der neuen Marke. Der ehemalige Chefdesigner der megaerfolgreichen BMW-Tochter Mini hat auch den Ex-Stand von Rolls-Royce herausgeholt. Sein Schwitzerdeutsch habe ihm geholfen, die örtliche Messeleitung zu überzeugen.
Außerdem bedient man sich der ersten Liga europäischer Zulieferer von Bosch bis Continental und lässt bei Magna Steyr entwickeln - genau: dem österreichischen Zulieferer, der einmal Opel übernehmen wollte und dessen Lohnfertigung für alle großen Hersteller wie BMW und Mercedes seit Jahren für ihre überragende Qualität berühmt ist.
Weiterer Rückgang des Neuwagenabsatzes gilt als sicher
Ansonsten fühlt man sich auf dem traditionell ersten großen europäischen Branchentreffen in Zeiten des PS-Wahnsinns zurück versetzt. 500 PS in der Mercedes C-Klasse, 600 bei Rolls-Royce, 750 bei Lamborghini, 800 bei Ferrari und 900 bei McLaren werden aufgerufen. Gleichzeitig verspricht VW-Chef Martin Winterkorn, das Verbrauchs- und Klimaschutzziel der EU einhalten zu wollen. Bekanntlich sollen bis 2020 im Schnitt nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer, entsprechend vier Liter Benzin oder 3,4 Liter Diesel pro 100 Kilometer, aus dem Auspuff quillen und zur Erderwärmung beitragen.
Für dieses Ziel zeigt VW als Premiere noch einmal das bereits im vergangenen Jahr vorgestellte Ein-Liter-Auto XL1, das weder ein richtiges Auto ist und nur nach einer völlig absurden Norm einen Liter Diesel auf 100 Kilometer verbraucht. Es wird auch nur 50mal gebaut.
In Serie gebaut wird der Audi A3 als Hybrid mit an der Steckdose aufladbarer Batterie. Der mit dem Zusatz e-tron versehene Kompaktwagen ist das erste deutsche Fahrzeug mit dieser Technik, die den Durchbruch bei der spritsparenden Elektrifizierung des Auto-Antriebs bringen soll. 50 Kilometer weit kommt der e-tron bei voller Batterie rein elektrisch. Auch der Normverbrauch (siehe oben) entschädigt nicht für den Aufpreis von 10 000 Euro. Beim vergleichbaren seit 2012 bereits zu kaufenden Prius Plus von Hybridpionier Toyota sind es „nur“ 9000 Euro. Dafür ist der Audi mit insgesamt 204 PS viel schneller.
Das Mekka der Autofans
Das Barometer für den europäischen Automarkt steht in Genf auf fallend. Ein weiterer Rückgang des Neuwagenabsatzes um drei Prozent auf 11,5 Millionen Pkw in Westeuropa gilt als sicher. Die Neuzulassungen in Deutschland sanken im Februar um zehn Prozent. Peugeot/Citroën-Chef Philippe Varin sagte in Genf, er habe keine Hoffnung auf eine schnelle Kehrtwende in Europa. BMW-Chef Norbert Reithofer sieht den Autoabsatz in Europa gar noch fünf Jahre in der Krise. Vielleicht ist dann Qoros bereits fest in der alten Auto-Welt als neuer Konkurrent etabliert.