Memphis. Die “American Queen“ ist der größte Schaufelraddampfer der Welt. Eine Fahrt mit ihr auf dem Mississippi ist wie eine Zeitreise - fast so als würde Huckleberry Finn hinter der nächsten Kurve auftauchen.

Suchscheinwerfer gleiten über das schwarze Wasser. Die Luft schmeckt nach Rauch. Aus den Bordlautsprechern kommt aufgeregtes Knacken. Gleich ist es soweit. Der Höhepunkt der Flussfahrt steht kurz bevor. Zum Glück ist es schon nach neun, also nach dem Abendessen. Denn ob man deswegen eine glacierte Entenbrust mit Safranreis stehen gelassen hätte? Mal ehrlich: Vor oder nach dem Essen - das ist die Zeitrechnung auf jedem anständigen Kreuzfahrtschiff. Nach zweitägigem Dahingleiten auf dem größten jemals gebauten Schaufelraddampfer der Welt, ist man landläufigen Banalitäten längst entglitten, inklusive der Sorgen um die Figur.

Zuweilen wirkt Chefköchin Regina Charboneau - Mississippi-Girl aus dem Uferstädtchen Natchez - höchstpersönlich an Bord. Ihre Nachtisch-Kreation aus Feigen-Pekannuss-Brotpudding mit karamellisierter Zuckersoße ist abserviert. Mit vollem Magen darf das Abenteuer gern kommen.

Steuerbord blinken Lichter. Das muss Cairo sein, die Kleinstadt im US-Bundesstaat Illinois. Lautlos huschen dunkle Schatten über das Deck: eine Brücke. "Ladies and Gentlemen", schnarrt es aus dem Lautsprecher, "Sie sind auf dem Mississippi." Das Signalhorn tutet zur Begrüßung, zittert durch Mark und Bein. Zu sehen ist nicht viel: Schemen im Dunkeln, ein paar Sterne.

Hobby-Fluss-Historiker an Bord

Doch beim üblichen Nachmittagsschwatz im Navigationsraum hatte Jerry Hay, eigens angeheuerter Hobby-Fluss-Historiker - das wäre was zum Beruferaten - Karten gezeigt: Wie ein riesiges Y fließen hier der Ohio und der schlammige Mississippi zusammen. Die "American Queen" ist wieder einmal auf ihrem Lieblingsgewässer angekommen.

Die schönsten Sehenswürdigkeiten der USA

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Der Yellowstone- Nationalpark in den mittleren Rocky Mountains ist bekannt für seine großen Wasserfälle. Außerdem gibt es dort Grizzlies.
Der Yellowstone- Nationalpark in den mittleren Rocky Mountains ist bekannt für seine großen Wasserfälle. Außerdem gibt es dort Grizzlies. © Steve Deslich | Getty Images
"Miss Liberty" war ein Geschenk Frankreichs an die jungen USA. Sie steht auf der kleinen Insel "Ellis Island" vor New York und wurde zu einem Wahrzeichen der Stadt. © Unbekannt | Unbekannt
Tilikum heißt einer der Orcas im Seaworld in Orlando.
Tilikum heißt einer der Orcas im Seaworld in Orlando. © Mathieu Belanger | Unbekannt
Das Death Valley (Tal des Todes) ist 200 km lang, aber nur zwischen 6 und 26 km breit. Von Mai bis September liegt die durchschnittliche Höchsttemperatur bei 47 Grad im Schatten.
Das Death Valley (Tal des Todes) ist 200 km lang, aber nur zwischen 6 und 26 km breit. Von Mai bis September liegt die durchschnittliche Höchsttemperatur bei 47 Grad im Schatten. © Robyn Beck | Unbekannt
Die Golden Gate Bridge in Californien war lange die längste Hängebrücke der Welt.
Die Golden Gate Bridge in Californien war lange die längste Hängebrücke der Welt. © AFP | AFP
Die bekannte Prunkstraße Fifth Avenue in New York ist nur in Richtung Süden befahrbar. Nach Norden führt die Madison Avenue.
Die bekannte Prunkstraße Fifth Avenue in New York ist nur in Richtung Süden befahrbar. Nach Norden führt die Madison Avenue. © Mike Groll | AP
Die Niagara-Fälle sind circa einen Kilometer hoch. Schnell erklärt sich, warum die Indianer dem Naturschauspiel den Namen
Die Niagara-Fälle sind circa einen Kilometer hoch. Schnell erklärt sich, warum die Indianer dem Naturschauspiel den Namen "Donnerndes Wasser" gaben. © Manfred Jägersberg | WAZ
Ein Trip zum Mississippi mit seinen altmodischen Schaufelraddampfern lohnt sich.
Ein Trip zum Mississippi mit seinen altmodischen Schaufelraddampfern lohnt sich. © Nikki Boertman | Unbekannt
An der Brooklyn Bridge in New York City fließt Wasser von der Kunstinstallation
An der Brooklyn Bridge in New York City fließt Wasser von der Kunstinstallation "The New York City Waterfalls" (Die New York Wasserfälle). © Mario Tama | AFP
Der Grand Canyon umfasst fünf Klimazonen.
Der Grand Canyon umfasst fünf Klimazonen. © Franz Naskrent | Unbekannt
Auch Delphine kann man auf den Florida Keys beobachten.
Auch Delphine kann man auf den Florida Keys beobachten. © Heinz Wehner | Unbekannt
Jährlich zieht der kalifornische Yosemite-Nationalpark rund drei Millionen Besucher an.
Jährlich zieht der kalifornische Yosemite-Nationalpark rund drei Millionen Besucher an. © Lena Terlisten | Unbekannt
Die Route 66 war die erste durchgehende Straßenverbindung zur Westküste der Vereinigten Staaten.
Die Route 66 war die erste durchgehende Straßenverbindung zur Westküste der Vereinigten Staaten. © David McNew | Unbekannt
Der Broadway ist das Theaterviertel am Times Square in New York.
Der Broadway ist das Theaterviertel am Times Square in New York. © Unbekannt | Unbekannt
Las Vegas bedeutet übersetzt
Las Vegas bedeutet übersetzt "Grüne Auen" und spielt auf die artesischen Quellen dort an. Heute ist die Stadt vor allem bekannt für ihre Casinos. © John Foxx | Unbekannt
Die Space Needle wurde durch den Stuttgarter Fernsehturm inspiriert. Edward E. Carlson entwarf schließlich das
Die Space Needle wurde durch den Stuttgarter Fernsehturm inspiriert. Edward E. Carlson entwarf schließlich das "Restaurant im Himmel". © Jeremy Edwards | Unbekannt
Das Gebiet, welches heute zu Hollywood gehört, hieß früher Cahuenga Valley. Seinen heutigen namen erhielt es 1886.
Das Gebiet, welches heute zu Hollywood gehört, hieß früher Cahuenga Valley. Seinen heutigen namen erhielt es 1886. © Mark Ralston | Unbekannt
Der Name des Empire State Buildings ist von The Empire State abgeleitet, einem Spitznamen des US-Bundesstaates New York.
Der Name des Empire State Buildings ist von The Empire State abgeleitet, einem Spitznamen des US-Bundesstaates New York. © Hans Blossey | Unbekannt
Auf Hawaii auf Magic island und am Waikiki Beach trifft man oft auf Surfer.
Auf Hawaii auf Magic island und am Waikiki Beach trifft man oft auf Surfer. © Lucy Pemoni | Unbekannt
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Es war eine lange Fahrt. Viele Jahre war der Luxusliner in unfreiwilliges Exil verbannt. 1995 lief die 60-Millionen-Dollar-Majestät vom Stapel, wechselte Besitzer, erduldete Zwangspausen. 2008 konnte der Eigner die Raten endgültig nicht mehr zahlen. Die "Königin" bekam den Kuckuck aufgeklebt. Armaturen wurden eingepackt, elegante Mahagoni-Möbel eingemottet, und die degradierte Dame dümpelte fortan auf einem See in Texas vor sich hin. Erst 2011 retteten Investoren sie aus der Verbannung.

436 Gästebetten

Eigentlich hatte sie ja schon einen pompösen Namen für ihre Paddelboot-Proportionen von sechs Decks, 127 Metern Länge und 436 Gästebetten. Aber weil sich Priscilla Presley, die Ehefrau von Elvis Presley, als Promi-Taufpatin fand, wurde nochmal Champagner verspritzt.

Steamboating ist nicht billig, aber besonders. Das Schwesterschiff "Delta Queen" liegt in Chattanooga (Tennessee) als Hotelboot dauerhaft vor Anker. Die "Mississippi Queen" wurde sang- und klanglos verschrottet. Übrig blieb die "American Queen". Seit April 2012 ist sie als einzig authentisches Kreuzfahrt-Paddelboot wieder auf Wasserstraßen im Herzen Amerikas unterwegs.

In den Kabinen gibt es jetzt sogar Klimaanlagen

Ihr Schaufelrad funktioniert tatsächlich noch mit Dampf und ist für den Hauptantrieb zuständig. Zwei mit Diesel betriebene Ruderpropeller leisten Verstärkung. Wie riesige Grashüpferbeine treiben die gewaltigen Tandemkolben das feuerrote Paddel an. Hochgewirbelte Wassertropfen glitzern in der Sonne. Jede Stunde macht der Schmierer seine Runde und füllt rund drei Liter Öl nach. Passagiere dürfen zugucken. Es faucht und zischt. Maschinisten tragen Ohrstöpsel und kurze Ärmel. Heiß ist es hier unten.

Oben in den Kabinen gibt es neuerdings Klimaanlagen und Flachbildfernseher. Die Matratzen der hüfthohen Betten sind dick und neu. Die "Queen" bekam eine Schönheitsoperation. Doch der Rest des Retro-Interieurs passt immer noch in eine viktorianische Zeitkapsel: Blümchentapeten, Spitzengardinen, Kronleuchter und gelb-braune Sepia-Fotos in Goldrahmen. Zierliche Frisiertische stehen neben Korbgeflechtmöbeln und wo noch Platz ist, auch weiche Polstersofas.

Die Kabinen sind eher klein, wie es wohl für die Ära typisch war. Queen Victoria maß schließlich auch nur gut 1,50 Meter. Die Gemeinschaftsräume sind da schon großzügiger: der Card Room für Herren mit ausgestopftem Schwarzbär und gemütlichen Ledersesseln oder der Ladies Parlor mit Fransenlämpchen, Chaiselongue und Silbergeschirr auf dem Tabletttisch. Damit man gleich die Prioritäten begreift, belegt der opulente Speisesaal zwei komplette Stockwerke.

Piekfeine Damen in Reifrock-Kleidern

Wenn man die Augen zukneift, kann man sich gut vorstellen, wie piekfeine Damen in Reifrock-Kleidern und mit Federhut einst auf diesen ersten schwimmenden Palästen wandelten, als Kalifornien noch im Goldrausch steckte und Indianerhäuptling Crazy Horse geboren wurde.

Jane und Tom Elias gefällt das: "Darum fahren wir mit." Nach sieben Steamboat-Trips sind die pensionierten Eheleute aus Ohio bekennende Dampfschiff-Fans. Vorher, so geben sie kleinlaut zu, hätten sie auch mal Kreuzfahrten auf diesen modernen Riesenstädten auf dem Wasser gebucht, mit Tausenden von Passagieren und Partylaune, Geschäften und Gewimmel. Richtig erholt hätten sie sich dabei nicht.

Pool in der Größe von fünf Badewannen

Auf der "American Queen" gibt es eine Handvoll verwaiste Trimmräder und einen Pool so klein wie fünf große Badewannen, der manchmal Wasser hat und manchmal nicht. Zu Schnorcheltouren oder Fahrrad-Ausflügen animiert keiner. Die meisten Aktivitäten sind Vorträge oder Lesungen.

Selbst ein Elvis-Imitator mit Kajalstiftaugen und einem offenen Brustknopf zuviel, reißt abends im Grand Saloon niemand aus den gemütlichen Polstersesseln. Ein Großväterchen in Jeanslatzhose mit Baseballkappe ist sogar eingenickt. Offiziell ist das Durchschnittsalter der Passagiere 64. Aber ein weißhaariger Paul Revere von den "Raiders" - vielleicht noch von der '71er Hitsingle "Indian Nation" bekannt - witzelt von der Bühne, dass er hier mit seinen 74 Jahren wohl noch als junger Dachs durchgeht.

Das Ufer zieht an den Kabinenfenstern vorbei

Das Ufer zieht vor den Kabinenfenstern vorbei. Das National Quilt Museum in Paducah oder das über den Vogelkundler John Audubon in Henderson zählen nicht zu den wichtigen Sehenswürdigkeiten der Reise. In New Madrid (Missouri) hat Riley Bock eine Treckerrundfahrt auf Heuwagen-Anhängern für die Bootsgäste organisiert. Da kommt man sich ganz königlich vor. Am kleinen Higgerson Schulhaus tuckert der Trecker vorbei, und Riley erzählt, wie seine Oma 1927 das verheerende Hochwasser erlebte.

Seither halten Städte und Straßen Sicherheitsabstand oder ducken sich hinter Flutwänden. Von Bord sieht man oft nur einen Wasserturm in der Entfernung, Verladeanlagen und Schleusen, manchmal Stahlträgerbrücken. Dann klappt Kapitän John Sutton mit Adlernase, Pilotenbrille und dickem Goldring am rechten Zeigefinger die hydraulisch gelagerten Schornsteine automatisch vornüber, damit die "American Queen" darunter hindurch passt.

Es hat sich wenig verändert auf dem Mississippi

Wenn man die modernen Schubkähne geflissentlich übersieht, die bis zu 15, schwer mit Kohle, Getreide und Öl beladene Barkassen durch die Fluten bugsieren, scheint sich das Leben auf dem Mississippi erstaunlich wenig verändert zu haben. Die sandigen Ufer sind steil ausgewaschen.

Reiher stolzieren durch das seichte braune Wasser. Dahinter erhebt sich ein Dschungel von Baumkronen in mehreren Etagen mit grün bemoosten Stämmen. An den meisten Stellen ist der Mississippi eine Meile breit. Aber wenn die Fahrrinne nah genug am Land vorbeiführt, flattern Schmetterlinge an Bord. Huckleberry Finns Bretterfloß könnte gut hinter der nächsten Flussbiegung auftauchen.