Altagracia.. Zwei Ozeane, über 400 Inseln und 40 Vulkane hat das Land, prächtige Kolonialstädte, schläfrige Dörfer: Nicaragua ist kein Ziel für Massen. Dafür bietet es authentisches Zentralamerika, eine beneidenswerte Lässigkeit - und einen Flughafen, dessen Zaun als Wäscheleine dient.

Eine Mutter mit zwei Töchtern wäscht Kleider und Tücher nahe des Ortes Altagracia im Nicaragua-See. Zum Rubbeln der Wäsche benutzt sie einen kleinen Felsen. So haben das ihre Vorfahren vom Volk der Chorotega schon vor Jahrhunderten gemacht. Für die Bewohner von Ometepe sind der Blick auf das grünblaue Wasser und ihre Inselvulkane Concepción und Maderas Alltag. Touristen wissen gar nicht, wohin sie so schnell die Kamera richten sollen: Auf die Waschszene, die Fischerboote oder die Vulkangipfel zwischen weißen Wolken. Und gerade schwirrt ein Kolibri nahe der Familie auf eine Bougainvillea und nippt an einer weißen Blüte.

Nicaragua ist noch kein Ziel für Massentourismus. Es bietet jedoch für Individualreisende besondere Erlebnisse. Der Nicaragua-See ist so eines mit seinen etwa 400 Inseln. Ometepe ist die größte. Über ein Dutzend Haciendas werben dort als "Fincas verdes" (grüne Fincas) gemeinsam um Gäste. Alle Herbergen sind familiär, haben exotische Gärten, bieten Kajak- und Wandertouren. Zu den schönsten zählen die Finca "Magdalena", wo auch Kaffee und Honig produziert wird, "El Ojo de Agua" mit eigener Quelle und Spaziergängen zu Affen im Wald sowie "San Juan de la Isla" mit See- und Vulkanblick.

Prächtige Kolonialstadt am See

"So gewinnt jeder", sagt Immanuel Zerger, der über 20 Jahre im Land lebt. "Die Touristen haben neue Ziele, die Eigentümer mehr Einnahmen, die Insulaner mehr Jobs." Der Bayer hat mit seiner Nica-Frau das Touristik-Unternehmen Solentiname Tours aufgebaut. Im Solentiname-Archipel des Lago Nicaragua, der 15 Mal so groß wie der Bodensee ist, bringt die Familie Einheimische und Touristen zusammen. Über 50 Maler und Künstler leben im Archipel, etliche auf der Insel Mancarrón. Gäste vom gleichnamigen Ökohotel können lernen, Papageien aus Balsaholz zu schnitzen und zu bemalen – auch ein großer Spaß für Kinder.

Zu den Highlights Nicaraguas gehört auch Granada, die prächtige Kolonialstadt direkt am See mit ihrer Kathedrale. Und das historische Städtchen Masaya mit dem gleichnamigen Vulkan. Busse und Autos fahren durch Lavagestein bis an den Kraterrand. Der Schwefelgeruch ist kräftig.

Lässiges Leben ist ansteckend

Spektakulär ist der Blick vom Mirador de Catarina auf die Laguna de Apoyo. Vom höher gelegenen Kraterrand mit Ausflugslokalen sind bei guter Sicht hinter der Vulkanlagune die Stadt Granada und der Nicaragua-See zu erkennen.

Wem es in der Lagune zu kühl für ein Bad ist, schwimmt und faulenzt an einem der vielen Sandstrände des Pazifiks. Die Hauptstadt Managua bietet nicht viele Sehenswürdigkeiten. Etliche Viertel sind vor allem nach Sonnenuntergang gefährlich. In den vergangenen Monaten kam es vermehrt zu bewaffneten Überfällen, warnt das Auswärtige Amt.

Zum Schluss lohnt Ausspannen auf Corn-Island. Hosen und Blusen hängen zwischen Holzhäusern und Kokospalmen auch auf dem Flughafen-Zaun zum Trocknen. Aus Wohnhäusern und Bars der Karibikinsel dröhnen Merengue und Reggae, gemischt mit Wortfetzen in Spanisch und Englisch. Tourismus, Fischfang und Handel sorgen bei den Einheimischen für das Nötigste. Das lässige Leben steckt auch Touristen schnell an. (dpa)