Paris. Die französische Revolution bleibt aus: Der batteriebetriebene Twizy erweist sich mehr als überdachter Roller mit vier Rädern denn als mit dem Smart vergleichbarer Kleinstwagen. Für seinen hohen Preis bietet der Zweisitzer von allem zu wenig.

„Was ist es, was es ist?“, so fragt der Franzose wörtlich übersetzt, wo der Deutsche nur schlicht „Was“ sagt. Was ist es nun, das neue Elektromobil Twizy von Renault? Es ist, wie es ist, mehr ein überdachter vierrädriger Motorroller als ein auf das Minimum reduziertes Auto wie der Smart. An der Definition gemessen ist das, was hinter dem aus Twice (zweimal) und Dizzy (schwindelig) im schönsten Englisch zusammengesetzten Kunstwort steht, nicht billig.

Zwar trägt der Twizy die Attribute des Autos – vier Räder, Sitz statt Sitzbank, Lenkrad statt Lenker, normale Fußpedale für Gas und Bremse statt handbetätigte Hebel. Aber ihm fehlt die geschlossene Karosserie und Sitzplätze nebeneinander. Twizyisten sitzen hintereinander und trotz Überdachung mehr im Freien, warum man konsequenterweise auf eine Heizung gleich verzichtet hat.

Der Charakter des Messerschmitt Kabinenroller mit zwei Sitzplätzen hintereinander ähnelt dem des Renault Twizy.
Der Charakter des Messerschmitt Kabinenroller mit zwei Sitzplätzen hintereinander ähnelt dem des Renault Twizy. © NRZ | NRZ

Somit fällt der 2,32 Meter kurze Zweisitzer in die Kategorie der Rollermobile. Höher (1,46 Meter) als breit (1,20 Meter), steht er einem Messerschmidt Kabinenroller charakterlich viel näher als der Smart, der im direkten Vergleich als vollwertiges Auto erscheint. Passenderweise fällt er zulassungsrechtlich unter die Quads. Ende des Jahres kommt er in Frankreich auf den Markt, im März 2012 auch in Deutschland.

Mit seinem geringen Gewicht – dank Kunststoffkarosserie über Stahlrohrrahmen leer 450 Kilogramm – und dem ansatzweise Gokart-ähnlichen Fahrverhalten geht der batteriegespeiste Mini-Renault als Spaßmobil durch. Den Eindruck stört nur die indirekte Lenkung. Die ohne Servounterstützung auskommen muss – ein Manko. Gut dagegen: der geringe Wendekreis von 6,80 Meter. Im Gegensatz zu dreirädrigen MP3 von Piaggio lehnt er sich nicht in die Kurve.

Der MP3 von Piaggio lehnt sich im Gegensatz zum Twizy in die Kurve.
Der MP3 von Piaggio lehnt sich im Gegensatz zum Twizy in die Kurve. © -- | --

Zumindest in der stärkeren 20-PS-Version kommt Fahrfreude auf. Bis 60 km/h geht es halbwegs flott voran, weiter Richtung Endgeschwindigkeit von 80 km/h – damit darf man in Deutschland sogar zum Lasterrennen auf der Autobahn antreten – wird es zunehmend zäher. So fahrradmäßig gut durchs Großstadtgewühl wie mit einem zweirädrigen Roller kommt man naturgemäß mit einem breiteren Vierrad nicht.

Die auf 5 PS und 45 km/h gedrosselte Einstiegsversion des heckgetriebenen Twizy, in Deutschland zu fahren ab 16 Jahren mit dem Führerschein der Klasse S stand nicht für erste Testfahrten zur Verfügung. Viel an Fahrerlebnissen verpasst haben dürfte man dadurch nicht. In Frankreich darf man die langsamere Version gänzlich ohne Führerschein fahren, auch wenn man wegen Alkohol am Steuer keinen mehr hat.

Dank seiner Kürze fällt Twizy unter die Kategorie Parkplatzwunder, wenn auch hier die Servounterstützung vermisst wird. Der Platz hinter dem Fahrer ist ein reiner Notsitz, auf dem man breitbeinig wie auf einem Sattel hockt. Auf, hinter und unter ihm lässt sich aber anständig Handgepäck verstauen. Der Fahrersitz lässt sich ausschließlich im Abstand zum Lenkrad verstellen, dieses gar nicht – es passt, oder es passt nicht.

Der Fahrer muss sich etwas umständlich mit zwei Gurten anschnallen. Zur Sicherheitsausstattung gehört ein Fahrerairbag, aber kein ABS, geschweige denn ein Elektronisches Stabilitätsprogramm – ein klarer Fall von am falschen Ende gespart.

Das endgültige Design des Twizy bleibt hinter den Erwartungen zurück. Innovativ ist das nicht, sondern eher langweilig. Details wie die Scheinwerfer wirken billig.

Warum ein großer Hersteller sich auf das Wagnis eines Rollermobils einlässt, ist nur als Teil der Gesamtstrategie von Renault zu verstehen. Kein anderer Autobauer setzt so konsequent – Kritiker sagen: einseitig - auf das batteriebetriebene Fahrzeug. Da geht es auch darum, die kostensenkenden Stückzahlen für die teuren Lithium-Ionen-Akkus zu erreichen, die bei 500 bis 800 Euro pro Kilowattstunde (kWh) liegen.

Die Batterie hat im Twizy eine Kapazität von sieben kWh, nach der sehr beschönigenden Verbrauchsnorm ausreichend für 115 Kilometer. Energie zurückgewonnen wird beim Bremsen nur an der angetriebenen Hinterachse. Unter widrigen Umständen kann die Reichweite auf nur 55 Kilometer sinken, so der Projektleiter. Bei kompletter Entladung dauert das „Betanken“ an der normalen 230-Volt-Steckdose drei Stunden. Eine Schnellladung an 380 Volt ist nicht möglich.

Bei all seinen Schwächen ist der Smart, anders als der Renault, ein richtiges Automobil.
Bei all seinen Schwächen ist der Smart, anders als der Renault, ein richtiges Automobil. © ddp | ddp

Was kostet der Spaß? 7000 Euro in der Minimalversion, der türartige, nach oben schwenkende Spitzschutz noch exklusive. 80 km/h sollen zum Preis eines Twingo angeboten werden. Dazu kommen monatliche Leasingkosten von 45 Euro (bei 7500 Kilometern Fahrleistung im Jahr). Renault verspricht, nach der dreijährigen Leasingdauer auf Wunsch neue Batterien zum selben Preis anzubieten. Wer mit der Restkapazität der alten weiterfahren möchte, erhält ein entsprechend günstigeres Angebot.

Was verspricht sich Renault von dem Experiment? Die Franzosen äußern keine Erwartungen, indirekt nur so viel: Twizy wird im großen spanischen Renault-Werk Valladolid gefertigt. Für eine Kleinserie würde sich der Aufwand kaum lohnen. Eine mittlere fünfstellige Produktionszahl pro Jahr wäre wohl das Mindeste, was erreicht werden muss.

Fazit: Renault verkauft ein wenig innovatives Rollermobil viel zu teuer zum Preis eines Kleinwagens.