Lumbini. Lumbini gilt als Ursprungsort des Buddhismus. Der Religionspark sucht weltweit seinesgleichen, die Tourismusbehörde jubelt über jährliche Steigerungsraten von bis zu 25 Prozent. Doch der historische Ort könnte zum buddhistischen Disneyland verkommen.
Mit einem Wedel wischt Pema noch schnell die Sitzbank sauber, bevor er die Gäste auf seinen Rikscha-Sitz bittet. Er und seine Kollegen wirbeln den ganzen Tag Staub auf, der in jede Polster-Ritze dringt. Es ist mühsam für die kleinen Nepalesen, die Touristen auf den Feldwegen in den Heiligen Garten zu kutschieren, der als Ursprungsort des Buddhismus gilt. Hier in Lumbini wurde vor gut 2500 Jahren Siddharta Gautama geboren. Pema weiß nur wenig über die historisch-religiöse Bedeutung seiner Heimat. Er ist Muslim, wie alle seine Verwandten und die meisten seiner Nachbarn.
Für eine Milliarde Buddhisten in aller Welt ist Lumbini aber die Quelle ihres Glaubens. Hunderttausende pilgern jährlich in den Südwesten Nepals und finden dort einen Religionspark mit zig modernen Tempeln und buddhistisch-historischen Ausgrabungsstätten, der weltweit seinesgleichen sucht. Die örtliche Tourismusbehörde jubelt über jährliche Steigerungsraten bei den Besucherzahlen von 20 bis 25 Prozent und veröffentlicht exakte Daten: 426 250 Nepalesen, 65 150 Inder oder 37 645 Touristen aus Sri Lanka im Jahr 2010. Europäer tauchen in der Statistik kaum auf, Buddhas Geburtsort hat sich in der westlichen Welt noch nicht herumgesprochen, während er für japanische Wirbelwind-Reisegruppen längst zum Pflichtprogramm gehört.
Die Rumpel-Fahrt auf dem Rikscha-Rücksitz beginnt im Osten des drei Quadratkilometer großen Religionsparkes. Am Haupttor hat man einen guten Überblick über die Stupa-Kuppeln, Tempel-Spitzen und goldenen Figuren, die ringsum aus dem dichten Wald heraus ragen. 600 000 Bäume wurden vor einigen Jahren gepflanzt, um das Areal aufzuwerten und ihm einen Park-Charakter zu geben, nachdem bereits in den 70ern erste Pläne existierten, die Pilgerstätte weiter oben in der buddhistischen Religionslandschaft zu platzieren.
Mönche meditieren im Heiligen Garten
Erstes und zugleich wichtigstes Ziel für alle Touristen ist der Heilige Garten im Süden des weitläufigen Areals. Auf den Wiesen sitzen Mönche und meditieren im Dunst der Räucherstäbchen, der auch die Pilger einhüllt. Der Atmosphäre entsprechend schalten selbst japanische Besucher einen Gang runter, verharren im Schatten der Bäume, betrachten die Szenerie und halten sich sogar beim Fotografieren zurück. Dabei haben die Mönche gar nichts dagegen, wenn man sie knipst. Für Unruhe sorgt allein der Wind, der unablässig an den bunten Gebetsfahnen zerrt und die Bitten der Pilger in alle Welt trägt.
Ein junges Paar aus Korea hat sich an den Ständen vor dem Eingang ein Sixpack Gebetsfahnen gekauft und sucht nach freien Bäumen. Ein freundlicher Ordner kommt und hilft. Erst nachdem sie ihre Fahnen angebracht haben, fühlen sie sich bereit für die Höhepunkte der heiligen Stätte, die religiös und historisch-archäologisch gleichsam bedeutend sind. Ausgrabungen beweisen, dass Buddha dort bereits im dritten Jahrhundert vor Christus verehrt wurde. Zu dieser Zeit ist auch mindestens ein Kloster entstanden, das der indische Kaiser Ashoka – der erste prominente Buddha-Anhänger – errichten ließ. Im Laufe der Zeit geriet der Hain in Vergessenheit und wurde erst im 19. Jahrhundert von einem nepalesischen General wieder entdeckt. Seine Mannen legten eine Säule frei, die auf Ashoka zurückgeht und damit als wichtigster Beweis für Buddhas Geburt an diesem Ort gilt. Sie ist Nepals ältestes Monument, steht aber ziemlich verloren im Heiligen Garten.
Herzstück des heiligen Gartens
Die beiden Koreaner blicken ungläubig darauf und vergewissern sich noch einmal im Reiseführer, bevor sie sich gegenseitig fotografieren. Ein Blitzschlag spaltete die Säule vor über 1000 Jahren, so dass Metallbänder nötig sind, um die beiden Hälften zu fixieren. Die meisten Touristen halten sich dort nicht lange auf und folgen dem Strom hinüber zum Wasserbecken, das von einer indischen Frauen-Gruppe in Beschlag genommen ist. Die Damen sitzen auf den Stufen vor dem Bassin und trinken Tee. Sie würden sich wahrscheinlich ein Bad in dem klaren Wasser wünschen, so wie es einst Maja Devi an diesem Ort gemacht haben soll – unmittelbar bevor sie ihren Sohn Siddharta Gautama gebar. Auch das Herzstück des Heiligen Gartens ist ihr gewidmet: der Tempel Maya Devi Mandir, das älteste Bauwerk Nepals aus der Zeit 300 vor Christus. Die Original-Mauern wurden mit einem schmucklosen Bau umgeben, vor dessen Eingang sich die Schuh-Paare türmen.
Auch die beiden Koreaner haben ihre Sandalen abgelegt. Eine ganze Weile stehen sie an und betreten dann den Steg, an dessen Ende sie auf den 70 Zentimeter langen, rot-braunen, mit Panzerglas geschützten Markierungsstein blicken, der den Geburtsort Buddhas ausweist. Viele Touristen haken Lumbini in wenigen Stunden ab. Wer sich wahrhaftig mit der heiligen Stätte beschäftigen will, benötigt mehrere Tage. So gibt es auch einwöchige Meditations-Angebote für Gläubige in den Klöstern des Religionsparkes.
In der Nähe des Heiligen Gartens haben die tibetischen Buddhisten ihr Kloster errichtet. In einer Reihe sitzen hier Mönche und meditieren. Gebetstrommeln tanzen rhythmisch in ihren Fingern. Es herrscht eine friedvolle Atmosphäre, dem Anspruch des Parks angemessen, der die Einheit und das streitlose Miteinander aller Buddhisten demonstrieren will.
In den letzten Jahren hat der Religionspark eine beeindruckende Entwicklung hingelegt. Investoren aus aller Welt klopften an. Länderregierungen und buddhistische Gemeinschaften wollten Teil der allumfassenden Idee werden und pumpten Geld nach Lumbini zur Errichtung von Tempeln. Das Prinzip der buddhistischen Selbstverwirklichung manifestiert sich in den unterschiedlichsten Bauwerken.
Religiöser Wettbewerb im buddhistischen Disneyland
Jeder Geldgeber durfte seine eigenen Vorstellungen der Religion verwirklichen. Das Areal einer buddhistischen Vereinigung aus Deutschland ist kitschig geraten, mit goldverzierten Figuren. Interessant ist auch die Interpretation von Siddharta Gautamas’ Lebensstationen, die an den Kreuzweg von Jesus erinnern. Andere Länder haben die Wucht und Größe ihrer buddhistischen Gold-Tempel in den Park gepflanzt, während Thailand ein zurückhaltendes Modell aus weißem Holz gewählt hat. Mit Spannung wird derzeit die Fertigstellung der Kambodschaner erwartet, die sich noch hinter Holzbrettern verbirgt.
Knapp zwei Dutzend Tempel stehen, 20 zusätzliche Parzellen sind ausgewiesen, weitere sollen folgen. Nirgendwo sonst auf der Welt lassen sich so viele Ausprägungen des Buddhismus an einem Platz bewundern. Es besteht allerdings die Gefahr, dass der religiöse Schönheitswettbewerb eines Tages zum buddhistischen Disneyland verkommt. Wenn man mal ein paar Stunden mit der Rikscha über das Areal gerattert ist, erkennt man auch, dass einige Dinge noch im Argen liegen. Der zentrale, Hunderte Meter lange Kanal hat noch keinen Tropfen Wasser gesehen, das Religions-Museum gleicht einem Geisterbau. Es gibt keinen Meter Straße, nur Feld- und Hoppelwege, auf denen sich Touristen die Knöchel verstauchen würden. Da nimmt man gerne einen geschundenen Rücken durch die Rikscha-Fahrt in Kauf.