Essen. Selbst im härtesten Motorsporteinsatz spricht die Karbon-Keramik-Bremsscheibe schnell an, zeichnet sich durch geringes Fading und konstante Bremskraft aus. Das ist bei Rennen enorm wichtig. Für den Privatmann sind diese Bremsen aber noch sehr teuer.
Im Motorsport hat die Karbon-Keramik-Bremsscheibe ihre Vorteile unter härtesten Einsatzbedingungen längst unter Beweis gestellt. Das schnelle Ansprechverhalten kombiniert mit einem sehr geringen Fading – nachlassen der Bremskraft – vermittelt einen hohen Grad an Sicherheit. Während des Renness können sie auf ein absolut gleich bleibendes Bremsverhalten selbst bei hohen Temperaturen vertrauen. Auch nach mehreren schnellen Nürburgring-Runden müssen die Anbremspunkte vor Kurven nicht verändert werden. Bis zu fünfhundert Mal drücken die Fahrer pro Rennen auf das Bremspedal.
Thermische Belastungsgrenze
„Jeder dieser Bremsvorgänge entspricht im Alltag prinzipiell einer Notbremsung aus hoher Geschwindigkeit“, erklärt Audi-Renningenieur Romolo Liebchen. „Da sich solche Bremsungen pro Runde sehr häufig wiederholen, wird die Bremsanlage permanent an der thermischen Belastungsgrenze betrieben.“ Dies gilt vor allem für Bremsbeläge und Bremsflüssigkeit. Die Karbon-Keramik-Bremsscheibe, die fast so hart ist wie ein Diamant, bleibt dagegen absolut unempfindlich. Aufgrund ihrer Werkstoff-Zusammensetzung aus Kohlefaser, Silizium und Siliziumcarbid beträgt ihre thermische Standfestigkeit weit über 1000 Grad Celsius, was übrigens der Hauptgrund für die enorme Fadingstabilität ist.
Trotz der großen Scheiben wiegen die Karbon-Keramik-Bremsscheiben deutlich weniger als vergleichbare konventionellen Grauguss-Scheiben. Pro Fahrzeug können über zehn Kilogramm Gewicht gespart werden – und das an entscheidender Stelle: Durch die Verringerung der so genannten ungefederten Massen verbessert sich das Einlenkverhalten, und das Fahrwerk kann feinfühliger abgestimmt werden. „Der Härtegrad dieses Werkstoffes ist so hoch, dass der Verschleiß im Vergleich zu Grauguss deutlich geringer ist. Ihre Lebensdauer ist im harten Motorsport-Einsatz etwa doppelt so hoch.“
Fünfmal längere Lebensdauer als Grauguss-Scheiben
Im öffentlichen Straßenverkehr wirkt sich dieser Vorteil noch stärker aus. Hier liegt die Lebensdauer etwa fünfmal höher als bei gewöhnlichen Grauguss-Scheiben – dies kann bis zu 300.000 Kilometer betragen. Im Straßen-Alltag können inzwischen Kunden von Audi, Lamborghini, Porsche und Mercedes-Benz auf die vielfältigen Vorteile der Hightech-Bremsscheibe vertrauen. Allerdings hat diese Technik ihren Preis. Für den Sportwagen SLS AMG und E 63 AMG bietet Mercedes-Benz die neu entwickelte Keramik-Bremsanlage an. Sie wird mit 11.305 Euro extra in Rechnung gestellt. Gegenüber einer herkömmlichen Verbundbremsscheibe sind die Keramikbremsscheiben etwa 40 Prozent pro Rad leichter.
Die Vorteile der „AMG Carbon Ceramic Brake“ sind ebenso wie im Rennsport ihre hohe Belastbarkeit, die Langlebigkeit und die Sicherheit auch bei extremen Einsatzbedingungen äußerst standfest zu sein. AMG-Ingenieur Kai Martens nennt zwei weitere Pluspunkte für die Keramik-Bremse: „Der Fahrer profitiert auch von dem noch präziser dosierbarem Druckpunkt und das Gewicht reduziert die ungefederten Massen, erhöht damit die Agilität des Fahrzeugs.“ Dem Fahrer wird zudem eine direktere Lenkansprache vermittelt, was sich vor allem in schnell gefahrenen Autobahnkurven auswirkt. Und die Keramik-Scheiben sind überdies korrosionssicher und damit unempfindlich gegenüber Streu- und Flüssigsalzen.
Kleine Stückzahlen, hohe Produktionskosten
Dass die Keramik-Bremsanlage noch sehr teuer ist, verwundert nicht. Der Grund liegt in den kleinen Stückzahlen, aber auch in den hohen Produktionskosten begründet, die hauptsächlich durch den langen Herstellungsprozess von rund 20 Tagen pro Scheibe verursacht werden. Die Grauguss-Scheiben werden innerhalb weniger Stunden gegossen. Ob sich dies mittelfristig ändern wird, liegt auch an den Herstellern der Keramik-Bremsen. Antonio Braiato, Geschäftsführer beim Spezialisten Brembo SGL, versichert: „Wir nehmen derzeit die gesamten Entwicklungs- und Fertigungsprozesse genau unter die Lupe, um die Effizienz weiter zu steigern.“ Dennoch zum Schnäppchen-Preis wird es diese Bremse auch in absehbarer Zeit nicht geben. Audi bietet sie im R8 für 8.820 Euro an, im Audi RS5 kostet sie 6.000 Euro und im Q7 V12 TDI schlägt sie mit 8.205 Euro zu Buche. Porsche stellt 8.032 Euro für die Keramik-Bremse beim 911 in Rechnung und Lamborghini verlangt beim Gallardo sogar 12.700 Euro.