Düsseldorf.. Viele kennen und fürchten ihn - den Tinnitus. Ein Piepsen oder Rauschen in den Ohren begleitet Millionen von Betroffenen. Trotz teilweise chronischer Beschwerden, wird der Tinnitus nicht als eigene Krankheit definiert. Ursachen gibt es verschiedene, genauso wie Behandlungsmöglichkeiten.
„Nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort, ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu.“ So beschrieb der Komponist Ludwig van Beethoven seinen Tinnitus im Jahr 1801 in einem Brief – und er war längst nicht der erste, den dieses Leiden betraf: Schon die alten Ägypter erwähnen Ohrgeräusche in ihren Keilschriften. Das unabhängige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) gibt an, dass jeder zweite Mensch irgendwann in seinem Leben solche Geräusche hört, und bis zu zwei von zehn Personen eine längere Tinnitus-Episode erleben. Etwa einer von 200 Menschen (0,5 Prozent) hat so heftige Ohrgeräusche, dass sie das Leben stark beeinträchtigen. Experten geben einen Überblick über verschiedene Möglichkeiten der Behandlung.
Was ist ein Tinnitus?
Das Wort setzt sich aus „tinnire“ und „aurium“ (Latein: Klingen, Erklingen der Ohren) zusammen. Ein Tinnitus ist keine Krankheit, sondern ein Symptom – also das Anzeichen verschiedener Erkrankungen. Das Rauschen oder Klingen ist meist für andere Personen nicht wahrnehmbar. Bei vielen Ohrenleiden hören die Betroffenen Töne als Begleiterscheinung.
Kann der Ton auch ohne Behandlung wieder abklingen?
„Ja“, sagt der Düsseldorfer Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Rainer Frerich. Wer etwa nach einem Besuch in einer lauten Disco oder einem ähnlichen Erlebnis einen solchen Ton hört, kann nach seinen Worten durchaus 48 Stunden warten und sich entspannen. Wenn es dann keine Besserung gibt: Am besten den HNO-Arzt aufsuchen und überprüfen lassen, ob es sich um Tinnitus oder um einen Hörsturz – das heißt einen plötzlichen Hörverlust, der ähnliche Symptome hat – handelt. Von einem akuten Tinnitus spricht man innerhalb der ersten drei Monate, danach kann das Symptom chronisch werden.
Wie stellt der Arzt die Diagnose?
Der HNO-Arzt ist in der Regel die erste Anlaufadresse – er stellt mit einem Blick ins Ohr fest, ob es nur verstopft ist (etwa durch zusammengedrücktes Ohrenschmalz oder durch Entzündungen des Gehörgangs). Auch eine Erkältung kann die Ursache sein, ebenso Probleme im Kiefergelenk bzw. an der Halswirbelsäule. Der Mediziner macht in der Regel einen Hörtest und eine Tinnitusmessung, er kann den Hörnerv messen und die zentrale Hörbahn im Gehirn bei einer Magnetresonanztomografie (MRT) überprüfen. Mit Hilfe spezieller Geräte werden Frequenz und Lautstärke des Tinnitus analysiert. Dabei wird ein Geräusch erzeugt und so lange verändert, bis es in der Wahrnehmung des Betroffenen den Tinnitus überdeckt.
Auch interessant
Dr. Martin Kusatz, Direktor der „Tinnitus Therapie Zentren Krefeld und Düsseldorf“ ist allerdings überzeugt: „Ohrgeräusche werden subjektiv wahrgenommen und sind nicht messbar. Jeder hat sie – aber einer hört sie, der andere nicht. Sie sind Signale des Körpers dafür, dass etwas nicht stimmt. Häufig sind Menschen betroffen, die zu Perfektionismus neigen und sich sehr für andere einsetzen.“
Gibt es eine Therapie dagegen?
Es existieren weder Spritze noch Pille, stattdessen verändern sich die Ansätze in der Tinnitus-Therapie immer wieder. „Über längere Zeit wurden Infusionen in die Vene gegeben, doch davon ist man wieder abgekommen – es gab keine Studien zur langfristigen Wirkung und die Kassen bezahlen diese Behandlungen nicht mehr“, sagt HNO-Arzt Frerich. In der akuten Phase der ersten Wochen wird der Tinnitus oft mit kurzfristigen Infusionen oder Cortison behandelt. Ist das Ohrgeräusch chronisch geworden, gehört zum Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten unter anderem der so genannte Tinnitus-Masker, der den Ton mit Hilfe eines Rauschens überdeckt, das über ein Hörgerät übertragen wird – oder seit neuestem die Musiktherapie.
Laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen gibt es jedoch für viele Behandlungen und Geräte, die Menschen mit Tinnitus Erleichterung verschaffen sollen, keine Studien, die langfristige Erfolge nachweisen. Dass mit dem Leidensdruck der Betroffenen oft Geld gemacht wird, weiß Volker Albert, Präsident des Selbsthilfeorganisation Deutsche Tinnitus-Liga mit Sitz in Wuppertal: „Wir empfehlen daher keine Therapie, sondern geben einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten.“
Welche Behandlung hat sich als wirksam erwiesen?
Volker Albert von der Deutschen Tinnitus-Liga sieht eine sogenannte kognitive Verhaltenstherapie als guten Ansatz an. Dabei setzt man sich mit Hilfe eines HNO-Arztes, eines Psychologen und eines Akustikers mit den Ursachen für sein Ohrgeräusch auseinander und findet Strategien, um sich davon abzulenken.
Diese sogenannte Tinnitus Retraining Therapie (TRT) kann in Kliniken, aber auch ambulant geschehen. Die Kosten des Trainingsprogramms, das Martin Kusatz Betroffenen an acht Werktagen in seinen Therapie-Zentren anbietet, übernehmen die Krankenkassen. Dabei wird in Gruppen besprochen, wann bei den Teilnehmern die Ohrgeräusche auftreten. Zur Behandlung gehört eine auditive Stimulationstherapie, bei der ein musikalisches CD-Programm die Töne in ein neues Umfeld versetzt und dadurch zum Teil verklingen lässt.
Auch Entspannung und verhaltenstherapeutische Ansätze wie ein individuell angepasstes Stressmanagement sind Teile des Programms: „Es geht darum, dass sich Betroffene auf ihre Stärken konzentrieren, ihre Kräfte richtig einschätzen und sinnvoll einsetzen“, sagt Kusatz, der die Wirksamkeit seiner Therapie durch Studien der Universitäten Düsseldorf/Göttingen sowie der Universität Witten-Herdecke bestätigt sieht.
Wie kann man Ohrgeräusche lindern?
Die gemeinnützige Selbsthilfeorganisation Deutsche Tinnitus-Liga informiert auf ihren Seiten über Tinnitus, Hörsturz und Hören allgemein. Volker Albert, Präsident der Liga: „In Gesprächen mit anderen Betroffenen kann man erfahren, wem welche Behandlungsmöglichkeit geholfen hat, den Alltag mit dem Tinnitus zu bewältigen oder den Ton im Ohr sogar nicht mehr zu hören.“
Die Tinnitus-Liga hat 14 000 Mitglieder, auch Nicht-Mitglieder können sich für 25 Euro beraten lassen. Infos: www.tinnitus-liga.de. Infos vom unabhängigen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen gibt es im Internet: www.gesundheitsinformation.de , Themengebiet Kopf und Nerven, Spezial: Tinnitus. Der Thieme-Verlag unterhält ein Informationsportal zum Thema Tinnitus unter der Adresse:
tinnitus.thieme.de Die Tinnitus Therapie Zentren Düsseldorf / Krefeld informieren auf der Seite www.t-t-z.de über ihr Trainingsprogramm.