Essen. Die alte Krankenkassenkarte hat ausgedient, doch längst nicht alle Versicherten haben schon eine neue Gesundheitskarte. Rund fünf Prozent - mehrere Millionen Deutsche - stehen aktuell ohne gültige Karte da. Wir erklären die Neuerungen - und was Betroffene vor dem nächsten Arztbesuch wissen müssen.
Seit Jahren wurde beraten und geplant, angekündigt und verschoben, vorbereitet und getestet – und jetzt ist sie Pflicht: Mit dem 1. Januar 2014 hat die elektronische Gesundheitskarte (egK) mit Foto die alte Chipkarte der Krankenkassen abgelöst, offiziell sind die alten Karten damit ungültig – unabhängig vom darauf aufgedruckten Ablaufdatum.
Haben jetzt alle Versicherten die neue Karte mit Foto?
Nein. Seit Herbst 2011 haben die Kassen ihre Versicherten angeschrieben und ums Bild gebeten, im Zweifel noch mehrere Male daran erinnert – und ein Großteil der Deutschen ist der Aufforderung irgendwann gefolgt. Aber eben nicht alle: „Gut 95 Prozent“, also rund 67 von 70 Millionen Versicherten, sind nach Auskunft des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) zum Jahresbeginn mit einer neuen Karte versorgt. Heißt im Umkehrschluss: Drei Millionen Deutsche haben aktuell keine gültige Karte.
Wie sieht es in NRW aus?
Eine Umfrage bei Krankenkassen in NRW bestätigt die bundesweite Tendenz. Bei der AOK Rheinland-Hamburg haben laut Sprecher André Maßmann aktuell rund 140.000 der knapp 2,9 Millionen Versicherten noch keine neue Karte – ungefähr fünf Prozent. Ähnlich die Lage bei der Techniker Krankenkasse (TK): Dort liegt die Quote nach Auskunft von TK-Sprecher Christian Elspaß ebenfalls bei fünf Prozent (rund 100.000 von 2,16 Millionen Versicherten).
Bei der Knappschaft hingegen haben nur „einige wenige Tausend“ Mitglieder noch keine Gesundheitskarte. Bei 1,75 Millionen Versicherten in NRW sei das nicht mal ein Prozent, erklärt die stellvertretende Sprecherin Claudia Müller. Dafür liegt die Quote bei der Barmer GEK in Nordrhein-Westfalen etwas höher: Etwa sieben Prozent der 2,1 Millionen Versicherten hatten hier zuletzt noch keine neue Karte. Über Weihnachten habe es aber noch mal einen Schub gegeben, berichtet Sprecherin Sara Damirchi. „Viele unserer Versicherten haben die Feiertage genutzt, um ein Foto für die elektronische Gesundheitskarte einzuschicken, so dass es hierbei einen erhöhten Eingang gab.“ Einen Tag später meldet Damirchi, die "Ausstattungsquote" sei inzwischen auf 94 Prozent gestiegen. Bei der AOK Hamburg-Rheinland habe man seit Jahresanfang noch mal eine "leichte Aufwärtsbewegung" festgestellt, sagt auch André Maßmann.
Ich habe noch keine neue Karte – kann ich jetzt nicht mehr zum Arzt gehen?
Doch, keine Sorge. Der Versicherungsschutz bleibt auch ohne gültige Karte bestehen. Und: Wer noch keine eGK habe, „kann vorerst die ‚alte’ Krankenversichertenkarte als Versicherungsnachweis nutzen“, stellte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zum Jahresende klar.
KBV und der GKV-Bundesverband hätten sich auf eine Übergangsfrist bis zum 30. September geeinigt, erklärt AOK-Sprecher André Maßmann. „So lange kann der Arzt auch die alte Karte noch zur Abrechnung nutzen.“ Der GKV-Spitzenverband – als Vertreter der Kassen naturgemäß an der Verbreitung der neuen Karten interessiert – schränkt jedoch ein: „Ob der Arzt von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und dann noch die alte Karte akzeptiert, kann und wird vermutlich unterschiedlich sein.“
Kann der Arzt die Behandlung ablehnen, weil ich keine gültige Karte habe?
„Niemand muss befürchten, wegen einer fehlenden Karte nicht behandelt zu werden“, beruhigt die Verbraucherzentrale NRW. Bei „akuter Behandlungsbedürftigkeit“ müsse „immer eine Behandlung erfolgen“, betont auch das Bundesgesundheitsministerium.
Was passiert, wenn ich ohne gültige Versichertenkarte zum Arzt gehe?
Dann hat der Patient aber immer noch bis zum Ende des laufenden Quartals die Möglichkeit, einen Versicherungsnachweis zu erbringen - in dem Fall muss der Arzt die Privatvergütung zurückerstatten. Geschieht dies nicht, kann der Arzt für die Behandlung eine Privatrechnung stellen. Dann hat der Patient aber immer noch die Möglichkeit, einen Versicherungsnachweis zu erbringen – in dem Fall muss der Arzt die Privatvergütung zurückerstatten. Die Gefahr, auf den Kosten sitzen zu bleiben, ist also eher gering.
KrankenversicherungWarum gibt es überhaupt eine neue Karte?
Das hat der Gesetzgeber so festgelegt. Auf der bisherigen Chipkarte sind die „Stammdaten“ des Versicherten gespeichert – also: Name, Geburtsdatum, Anschrift, Versichertenstatus. Mit der neuen elektronischen Gesundheitskarte will die Bundesregierung die Versorgung effizienter machen und die Kommunikation zwischen den beteiligten Stellen verbessen.
Auf einem Mikroprozessor können zusätzliche Informationen wie die Patientenakte, Notfallinfos, verordnete Medikamente oder die Impfdokumentation gespeichert werden. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik – bislang sind nur der Aufdruck der europäischen Krankenversichertenkarte auf der Rückseite sowie das Foto auf der Vorderseite neu. Durch das Bild soll sichergestellt werden, dass tatsächlich nur der Versicherte die Karte benutzen kann.
Welche Kritik gibt es an der Gesundheitskarte?
Das Projekt eGK läuft bereits seit Jahren, sollte gar schon 2006 umgesetzt sein, stockt aber immer wieder. Im Mai 2013 drohte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), aus dem Projekt auszusteigen. Die Kassenärzte bemängelten, dass die ursprüngliche Intention der Karte, Versorgung und Austausch zu verbessern, aus den Augen verloren worden sei. Stattdessen gehe es nur noch um die Interessen der Krankenkassen.
Kritiker ärgern sich aber nicht nur über den immensen Aufwand, hohe Kosten und die holprige Umsetzung – sondern fürchten vor allem Datenschutzprobleme durch die Gesundheitskarte. Mehr als 750.000 Menschen haben sich an der Petition „Stoppt die e-Card!“ beteiligt. Ein Bündnis von Ärzten, Bürgerrechtlern und Selbsthilfeverbänden sorgt sich, dass durch die eGK der gläserne Patient geschaffen wird und bezweifelt, dass die umfangreichen, sensiblen Daten sicher sind.
Was sagt das Gesundheitsministerium zur Datenschutz-Kritik?
Der Gesetzgeber betont, dass man für die Gesundheitskarte ein sicheres Netz aufbauen werde. Daten könnten von Ärzten nur ausgelesen werden, wenn sie sich durch ihren Heilberufsausweis ausgewiesen habe - und der Patient durch Eingabe einer PIN zustimmt. Zusatzfunktionen sollen nur nach Zustimmung des Patienten aktiviert werden. Und Ausgetauscht würden die Daten über ein sicheres "Gesundheitsnetz". Dieses sei vom Internet getrennt, und nur berechtigte Nutzer hätten nach elektronischer Identifikation Zugang, so das Bundesgesundheitsministerium.