Goch.. Im staatlichen Schulsystem NRWs ist alles prima - glaubt man offiziellen Verlautbarungen. Im Alltag sieht das für Lehrer und Schüler ganz anders aus - was zu einem Ansturm auf Privatschulen führt. Ein Besuch beim Katholischen Gymnasium Collegium Augustinianum Gaesdonck zeigt, warum das so ist.

Die Politik mag besänftigt sein durch den im Jahr 2011 ausgehandelten Schulfrieden in NRW; Eltern, Lehrer und Schüler sind es noch lange nicht. Sie klagen über lange Schultage und Leistungsdruck. Von dem Unmut profitieren die Privatschulen: Trotz sinkender Schülerzahlen steigt die Nachfrage nach einem Platz an einem kirchlichen Gymnasium, einer Waldorfschule oder einer International School – der teilweise hohen Gebühren zum Trotz. Als besonders renommiert gilt das katholische Gymnasium Collegium Augusti­nianum Gaesdonck. Bei einem Besuch wird schnell klar, warum.

Keine Gebühren für die "Externen"

Gaesdonck ist nicht einfach eine Schule. Gaesdonck ist ein Anwesen, das sich zwischen Goch und der niederländischen Grenze erhebt; eine Ansammlung aus Klosterkirche, Schulgebäuden, Konzertsaal und Sportstätten. 140 Menschen arbeiten dort, sie putzen, kochen, erziehen und gärtnern, halten dem Schulbetrieb den Rücken frei. Hinzu kommen 55 Lehrer für die 745 Schülerinnen und Schüler. Auf den ersten Blick eine Schule für die Oberen der Gesellschaft. Doch die Elite beschränkt sich auf die 98 Voll- und 166 Tagessinternatsschüler, deren Eltern monatlich zwischen 483 und 1533 Euro zahlen.

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Für die meisten Schüler – die „Externen“ – werden keine Schulgebühren fällig. Ob sie aufgenommen werden, entscheidet nicht der Geldbeutel, sondern (neben dem Grundschulzeugnis) die Konfession. Wer diese Hürde meistert, profitiert von der Ausstattung und einem entzerrten Schulalltag, der Kindern neun Jahre Zeit lässt bis zum Abitur – Gaesdonck gehört zu den 13 Schulen in NRW, die am Schulversuch G9 teilnehmen.

Es sieht aus wie auf Hogwarts

Schulleiter Jürgen Linsenmaier kennt alle Schüler mit Namen. Er weiß, dass die beiden Jungs auf der Fußballwiese am Rand stehen, weil sie erkältet sind und ärgert sich über die im Flur verstreuten Schultornister und hingeworfenen Jacken. Das ist aber schon die einzige Unordnung, die auf dem Gelände ins Auge fällt. Die Buchsbäume sind in Form geschnitten, die Wege sauber, Klassen- und Aufenthaltsräume sowieso. Linsenmaier führt durch Bibliotheken, Speisesäle wie auf der Harry-Potter-Schule Hogwarts oder den Kloster-Kreuzgang.

Wieso haben eigentlich die Mädchen und Jungen, die nach der Mittagspause über die Anlagen schlurfen, kein Smartphone in der Hand – noch nicht einmal heimlich? „Das bringt wenig“, sagt der Schulleiter. Gaesdonck liegt in einem Funkloch. Empfang gibt es, wenn überhaupt, nur über das niederländische Netz. Den Eltern gefalle das, sagt Linsenmaier. Und was sagen die Schüler? „Sie akzeptieren es.“ So wie die strengen Regeln des katholischen Alltags. Morgenkreis-Gebet und Schulgottesdienste sind Pflicht – ebenso wie das dreiwöchige Sozialpraktikum in einem Altenheim, einer Kita oder einer Ganztagsschule. „Ist ja schließlich eine katholische Schule“, sagt der 17-jährige „Interne“ Felix Genzmer. „Wer damit ein Problem hat, für den ist das nicht das Richtige.“

Der kurze Draht zum Lehrer

Felix geht seit der Sexta, wie die 5. Klasse altmodisch genannt wird, ins Internat. Das Korsett der Schule „hat mich nie gestört“, sagt er. Oder nur manchmal, wenn er beim Fußballspielen die Zeit vergessen hat. „Es ist ein Riesen-Vorteil, wenn die Freunde gleich da sind und der Fußballplatz nebenan.“

So wie das Schwimmbad, die Tennisplätze, die Reithalle, die Musikschule, die Kunstschule. Wenn Eltern es sich leisten können, übernimmt Gaesdonck die komplette Bildungs- und Erziehungsarbeit – auch und gerade, sobald Schwierigkeiten auftreten.

Jeder fünfte Jahrgang beginnt mit knapp 90 Schülern. Das Abitur legen aber immer 100 ab. „Wir haben viele Seiteneinsteiger“, erklärt Linsenmaier. Kinder, die in den Leistungen abrutschten, die unter der Trennung der Eltern leiden oder gemobbt wurden.

Auf der Gaesdonck kümmern sich Erzieherinnen und Erzieher darum, dass Regeln eingehalten werden und es in der Schule klappt. So wie Heribert Schnittker, der sich seit 22 Jahren um die Internatsjungen kümmert. Wenn der Schüler sich ungerecht benotet fühlt, wenn die Chemie zum Lehrer nicht stimmt, „dann setzen wir uns gemeinsam an den runden Tisch“, sagt der Erzieher. Er hat, wie er sagt, zu allen einen kurzen Draht. Schnittker: „Ich gehe im Lehrerzimmer täglich ein und aus. Das ist das Geheimnis meines Erfolgs.“