Düsseldorf. . Er gilt in Nordrhein-Westfalen als „Professor Klartext“: Der Bochumer Wirtschaftswissenschaftler Stefan Winter hat in seinem Buch „Die Studiengebühren-Lüge“ mit der rot-grünen Hochschulpolitik abgerechnet - und tritt eine neue Debatte über die Semesterbeiträge los.

Das NRW-Wissenschaftsministerium reagiert trotz der strapazierten Loyalität des Professors zum Dienstgeber Land betont gelassen. Buchrezensionen gehörten nicht zum Aufgabenbereich des Ministeriums, wiegelte eine Sprecherin von Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) ab. Auch für Professor Winter gelte die Meinungsfreiheit.

Der Bochumer Wirtschaftswissenschaftler will mit seinem provokanten Stil eine neue Debatte über Studiengebühren entfachen.

Rot-Grün hatte die erst 2006/2007 eingeführten Semesterbeiträge von bis zu 500 Euro im Wintersemester 2011/12 wieder abgeschafft. Winter prophezeit, dass sich die Frage der Studienfinanzierung unter dem Druck der Schuldenbremse neu stellen werde. Bis 2020 sind die Bundesländer per Verfassung verpflichtet, ausgeglichene Haushalte vorzulegen.

Nur noch zwei Gebührenländer

Der Kampf um die Studiengebühren wogt in Deutschland seit Jahren hin und her. Als die rot-grüne Bundesregierung 2002 ein vollständiges Verbot der „Campus-Maut“ ins Hochschulrahmengesetz schreiben wollte, klagten sechs Bundesländer dagegen erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht.

In der Folge erhoben Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, NRW und das Saarland Semesterbeiträge. Wahlniederlagen von CDU und FDP führten – ähnlich wie an Rhein und Ruhr – zu einer Umkehrbewegung. Bis auf Bayern und Niedersachsen haben alle Länder die Studiengebühren wieder abgeschafft.

Für Professor Winter wird die Debatte über das Bezahlstudium von Befürwortern bislang zu hasenfüßig und technokratisch geführt. Seine These: „Die Gebührenfreiheit staatlicher Universitäten ist sozial ungerecht.“ Sie sei eine Umverteilung von unten nach oben, da die Gesamtheit der Steuerzahler jenen die Ausbildung spendiere, die später die besten Einkommen erzielten. „Wir können nicht einerseits die Gebührenfreiheit propagieren und andererseits unsere eigenen Kinder zum Studieren ins Ausland jagen, weil wir es nicht schaffen, genügend Studienplätze mit qualitativ hochwertigen Ausstattungen zu schaffen“, findet Winter.

Nachgelagerte Gebühren

Der Bochumer Betriebswirt hat gemeinsam mit seinem Doktoranden Alexander Pfitzner errechnet, dass ein Beitragsmodell wie in Australien in NRW auf größere Akzeptanz stoßen könnte und die notorische Finanzklemme der Hochschulen lindern würde. Studienbeiträge müssten erst nach Examen und Berufseinstieg bezahlt werden, gestaffelt nach Einkommen mit einer Freigrenze von 30 000 Euro Bruttojahresverdienst. Anders als bei festen Kreditverträgen wäre die Rückzahlung flexibel und über Jahre streckbar. So kämen für die NRW-Hochschulen 650 Millionen Euro pro Jahr zusammen.