Essen. . In NRW stürmen Abiturienten die Universitäten, doch das angekündigte zentrale Zulassungssystem wird einfach nicht fertig. Ein Skandal, findet NRW-Bildungsministerin Svenja Schulze. Den Vorwurf, das Land würde den Unis nach dem Aus der Studiengebühren zu wenig Geld geben, weist die Ministerin zurück.
32 Millionen Euro verlieren die Hochschulen in NRW durch den Wegfall der Studiengebühren. Zugleich steigt die Zahl der Studierenden rapide, was den Gebührenausfall noch vergrößert. Die Klage der Hochschulen, die Kompensationszahlungen des Landes von 249 Millionen Euro seien zu gering, weist NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) beim WAZ-Besuch zurück.
Müsste das Land den Hochschulen nicht mehr zahlen?
Svenja Schulze: Dass die Rektoren mehr Geld fordern, ist ihr gutes Recht. Doch sie wissen, dass sie in NRW gut aufgehoben sind. Die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung steigen 2012 auf 6,7 Milliarden Euro. Das ist ein Zuwachs gegenüber 2011 um 445 Millionen, eine Steigerung um 7,2 Prozent. Insgesamt steht den Hochschulen für die Verbesserung der Qualität der Lehre mehr Geld zur Verfügung als noch zu Zeiten der Studiengebühren. Das ist eine riesige Leistung des Landes, und den Hochschulen ist das auch klar.
Einen Teil ihres Geldes erhalten die Hochschulen über einen Leistungstopf. Mit Ihrer Neuregelung waren die Rektoren nicht glücklich...
Schulze: Kriterien für die leistungsorientierte Mittelvergabe sind nun die Zahl der Absolventen, die Höhe der zusätzlich eingeworbenen Forschungsgelder und die Zahl der Professorinnen, also die Gleichstellung. Die Zahl der Promotionen haben wir rausgenommen. Eine Uni für möglichst viele Doktorarbeiten zu belohnen, ist nicht sinnvoll. Aber es ist immer so, dass ein Teil mit der Verteilung nicht einverstanden ist. Es ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Deshalb wollen wir das gesamte Finanzierungssystem der Hochschulen auf den Prüfstand stellen.
Sie haben mit den Hochschulen Ziel- und Leistungskriterien für die nächsten Jahre vereinbart. Wollen Sie die Unis damit wieder an die kurze Leine nehmen?
Schulze: Nein, es gilt die Hochschulautonomie, wir mischen uns nicht in das Alltagsgeschäft ein. Aber das Land hat auch bildungspolitische Ziele. Wir wollen dadurch das Studienangebot sichern und die Profilbildung der Hochschulen fördern. Das ist wichtig, denn die Zahl der Studenten wird ab 2020 wieder sinken. Dann wird es einen Wettbewerb um die Studierenden geben.
Was bedeutet das für die Unis im Ruhrgebiet?
Schulze: Die Hochschulen der Region bereiten sich bereits darauf vor und sind sehr gut aufgestellt.
Derzeit aber gibt es einen Studentenansturm. Was kann NRW gegen das Zulassungs-Chaos tun?
Schulze: Seit Jahren wird nun an einem zentralen Online-Bewerbungssystem gearbeitet. Nun wird der Start wegen technischer Probleme wieder verschoben. Darüber bin ich wirklich sauer. Es ist absolut unverständlich, dass es wahrscheinlich zum doppelten Abiturjahrgang 2013 nicht starten kann. Wir werden die Einschreibungen nun mit den Bordmitteln der Hochschulen bewältigen müssen, das wollen wir optimieren. Ziel muss es dennoch sein, ein Online-Verfahren auf den Weg zu bringen. An einem Pilotbetrieb sollen daher auch NRW-Hochschulen teilnehmen.
Was unternimmt die Landesregierung, um die Forschung in der Region zu fördern?
Schulze: In Mülheim wird ein neues Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion gegründet. NRW wird das Institut mit 45 Millionen Euro anschieben. Die Forscher gehen der Frage nach, wie man Energie chemisch speichern kann. Das Ruhrgebiet ist dafür der beste Ort. Zudem werden wir ein regionales Innovationsnetzwerk Energieeffizienz Ruhr fördern. Zusammen mit der Wirtschaft sollen Forscher konkret daran arbeiten, die Energieeffizienz bestehender Gebäude, nicht Neubauten, zu verbessern. Das ist eine große Herausforderung, besonders bei dem Gebäudebestand im Ruhrgebiet.
Der Bund will mit den Ländern über einen stärkeren Anteil bei der nächsten Bafög-Erhöhung verhandeln, kann NRW das stemmen?
Schulze: Viel wichtiger ist es zunächst, das Bafög auf die Bachelor-Master-Struktur einzustellen. Derzeit gibt es beim Übergang zum Master oft noch monatelange Finanzierungslücken. Das ist ein Riesenproblem. Die zweite große Baustelle mit Berlin betrifft den Ausbau der Studienplätze. Der Bund übernimmt bisher nur seinen Anteil an 99 000 neuen Plätzen in 2011 für NRW, gekommen sind aber 118 000 neue Studenten. Da steht der Bund noch in der Pflicht.