Berlin. .

Das deutsche Bildungssystem hinkt im internationalen Vergleich an einigen Stellen hinterher. Bei den Bildungsausgaben schwächelt Deutschland ebenso wie bei der Zahl der Hochqualifizierten.

Der Anteil der Hochqualifizierten in Deutschland ist im Gegensatz zu den meisten anderen Industrieländern in den vergangenen fünf Jahrzehnten kaum gewachsen: Vor 50 Jahren erwarb knapp jeder fünfte junge Erwachsene einen Hoch- oder Fachschulabschluss beziehungsweise einen Meisterbrief, wie aus der OECD-Bildungsstudie hervorgeht (detaillierte Ergebnisse hier). Heute ist es nur jeder Vierte.

Während Deutschland vor 50 Jahren beim Anteil der Hochqualifizierten im Vergleich von 24 OECD-Ländern im Mittelfeld lag, ist es mittlerweile auf einen der untersten Plätze abgerutscht.

Deutschlands Anteil am globalen Pool an Talenten sei "deutlich geschrumpft", sagte OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher. In der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen stelle Deutschland noch 6,3 Prozent des Angebots an hochqualifizierten Kräften in den Industrieländern. Bei den 25- bis 34-Jährigen liege der Anteil nur noch bei 3,1 Prozent. Das liege zum einen daran, dass aufstrebende Nationen wie China dabei immer stärker ins Gewicht fallen. Zugleich habe sich aber in Deutschland die Zahl der Hochqualifizierten "außergewöhnlich langsam" verändert.

Wenig in Bildung investiert

Bei den Bildungsausgaben liegt Deutschland ebenso hinten: Private und öffentliche Stellen gaben 2008 nur noch 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildungseinrichtungen aus (nach 5,1 Prozent im Jahr 1995). Nur Tschechien und die Slowakei investieren weniger. Betrachtet man allein die öffentlichen Ausgaben, steht Deutschland allerdings besser da: Diese sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Die privaten Ausgaben sind dagegen niedriger - schon allein, weil keine Schulgebühren und kaum Studiengebühren anfallen.

Der OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher bemängelte, gerade die Investitionen in die Grundschule seien zu gering. Dabei sei die Förderung dort besonders wichtig. Auch bei der frühkindlichen Bildung hinke Deutschland hinterher.

Bei der Zahl der Menschen mit Abitur oder Berufsausbildung liegt Deutschland etwa im OECD-Mittel, bei der Zahl der Hochschulabsolventen dagegen auf einem der hintersten Plätze. Dabei bringt ein Abschluss der höheren Ausbildung - wie Uni-Abschluss oder Meisterbrief - laut OECD-Bericht viele Vorteile: Hochqualifizierte verdienen deutlich mehr, sind weniger von Arbeitslosigkeit bedroht, zufriedener und engagieren sich öfter ehrenamtlich.

In Deutschland kommt ein besonderer wirtschaftlicher Nutzen für den Staat hinzu: Neben den USA gebe es kein anderes Land, in dem die öffentliche Hand so sehr von den eigenen Bildungsausgaben profitiere, sagte Schleicher. Je mehr Hochqualifizierte, desto höher die Steuereinnahmen und geringer die sozialen Transferleistungen.

"Wir sind noch nicht am Ziel"

Bildungsstaatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen wertete den Bericht trotz der Beanstandungen als positives Signal. "Deutschland kommt voran auf dem Weg in die Bildungsrepublik", sagte sie. Der Staat stecke viel Geld in die Bildung. Der Bericht basiere aber im Wesentlichen auf Daten von 2008 und 2009. Die jüngsten Anstrengungen schlügen sich darin deshalb noch nicht nieder. "Wir sind noch nicht am Ziel", sagte Quennet-Thielen, "aber wir sind auf dem richtigen Weg." Auch Koalitionspolitiker sahen sich in ihrem Kurs bestätigt.

Gewerkschaften und Opposition reagierten dagegen mit großer Enttäuschung auf die OECD-Ergebnisse. Die stellvertretende DBG-Vorsitzende Ingrid Sehbrock bezeichnete die geringen Bildungsausgaben als beschämend. "Deutschland ist weit von einer Bildungsrepublik entfernt", sagte sie. Die Lehrergewerkschaften GEW und VBE beklagten eine Unterfinanzierung des Bildungssystems und werteten die Resultate als "Armutszeugnis".

Der SPD-Bildungspolitiker Ernst Dieter Rossmann verlangte eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern, um die Bildungsausgaben zu steigern. Grünen-Chef Cem Özdemir beanstandete, während andere Länder konsequent in die Bildung investierten, mangele es "ausgerechnet im Land der Dichter und Denker an Akademikern und qualifizierten Fachkräften". Die Linke-Bildungspolitikerin Rosemarie Hein nannte es einen "Skandal, dass eines der reichsten Länder dieser Erde ausgerechnet bei der Bildung knausert".Der Anteil der Studienanfänger habe jedoch mit 46 Prozent im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Elf Jahre zuvor lag die Quote erst bei 26 Prozent. „Eine gute Bildung ist Grundlage nicht nur für ökonomische, sondern auch für gesellschaftliche Teilhabe“, sagte Bildungsstaatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen. Deutschland heiße jeden neuen Studenten willkommen und investiere „Rekordsummen in die Schaffung weiterer Studienplätze“. (dapd / ap / afp)