Essen .
Ein einfacheres Bewerbungssystem - das ist das Ziel des neuen Online-Zulassungssystems der Stiftung für Hochschulzulassungen (früher ZVS), das eigentlich schon Mitte April an den Start gehen sollte. Doch momentan sieht es nicht so aus, als ob dieser Termin eingehalten werden kann. Mit dem neuen System sollen sich Studenten zukünftig nicht mehr an allen Unis einzeln bewerben müssen. Stattdessen können sie sich einmalig in dem Onlineportal anmelden, alle geforderten Unterlagen hochladen und sich mit einem Klick an mehreren Hochschulen gleichzeitig bewerben. Und das NRW-Wissenschaftsministerium setzt sich für die Umsetzung des Verfahrens ein.
Doch in der Praxis hapert es. Hinter den Kulissen herrscht Missstimmung. Die vier großen Universitäten im Ruhrgebiet haben erhebliche Vorbehalte gegen das Angebot der Stiftung. Die TU Dortmund äußerte sich bereits kritisch. Die anderen Universitäten zogen nun nach. Josef König, Sprecher der Universität Bochum, bestätigte, dass sich die Ruhr-Uni entschieden habe, in der kommenden Bewerbungsrunde im Wintersemester 2011/12 mit ihrem bisherigen Zulassungsverfahren weiterzuarbeiten. „Wir interpretieren die Empfehlungen des Wissenschaftsministeriums so, dass wir nicht verpflichtet sind, mit dem anscheinend noch nicht funktionierendem System der Stiftung zu arbeiten“, sagte König.Am bundesweiten Verfahren nehme man zwar auch teil, aber nur "wenn dessen fehlerfreier Start gewährleistet ist".
Auch die Universität Münster hat sich nun nach wochenlangen Überlegungen dazu entschieden, das neue Zulassungssystem vorerst nicht anzuwenden, wie vom Ministerium gefordert: „Eine Weisung, die objektiv nicht zu erfüllen ist, ist nichtig“, zitiert Norbert Robers, Sprecher der Universität Rektorin Ursula Nelles. Die Stiftung für Hochschulzulassungen habe der Universität Mitte März mitgeteilt, dass das Zulassungssystem in seiner momentanen Version Zweifächerkombinationen nicht berücksichtigen könne.
Mehr Frust als Entlastung
Ab diesem Moment sei für sie klar gewesen, dass es keinen Sinn habe, das System anzuwenden. Denn: „Zwei Drittel unserer Studienfächer sind Zweifachkombinationen“, erklärt Robers. „In den letzten Wochen war es äußerst frustrierend, künftigen Studenten keine Auskunft darüber geben zu können, wo und wie sie sich bewerben sollen“, so der Sprecher. „Das war eine untragbare Situation und dem haben wir nun ein Ende gesetzt.“
Alle anderen Universitäten rechnen damit, wenn auch zähneknirschend, das von der Firma T-Systems entwickelte Computersystem Hochschulstart schon bald verwenden zu müssen. Die Stiftung gab jetzt bekannt, dass der Start der Software nach jetzigem Stand am 16. Mai für Bewerber freigeschaltet werden soll. Die Aufregung von Seiten der Hochschulen kann die Stiftung nur teilweise verstehen. „Wir sehen das Problem, dass in der momentanen Version nur Studienfächer mit einem Fach berücksichtigt werden“, gibt Sprecher Peter Scheer zu. Jedoch seien die Universitäten von Anfang an in die Entwicklung des Programms miteinbezogen worden.
Das neue System überzeugt nicht
Scheer zeigte sich überzeugt, dass alle Universitäten im Grunde von der Notwendigkeit überzeugt seien, die Studienplatzvergabe nicht länger dezentral zu organisieren. „Das neue Zulassungssystem hat den eindeutigen Vorteil, dass ein Student, der einen Studienplatz an einer Universität annimmt, automatisch bei den anderen Hochschulen aus dem Bewerbungsverfahren herausfällt“, erklärt er. Somit würden lange Nachrückverfahren vermieden. Dass es nun „kleinere technische Schwierigkeiten“ gebe, sei dem engen Zeitrahmen geschuldet, den das Projekt sich gesteckt habe.
Dass es sich jedoch nicht nur um kleinere Probleme handelt und dass auch nicht alle Universitäten im Ruhrgebiet diese Einsicht teilen, zeigt der Blick nach Essen-Duisburg. Mehrere Universitäten vermeldeten in den letzten Wochen, das neue Programm sei instabil und zudem mit ihrer universitätseigenen Software nicht kompatibel. Anstatt die Universitäten zu entlasten, führt die Einführung des neuen Zulassungssystems momentan zu einem Mehraufwand.
Das Ministerium zeigt sich unschlüssig
In Duisburg-Essen scheint man sich mit der Anweisung aus dem Ministerium zwar arrangiert zu haben. Doch: „Wir begrüßen die Zwangsverpflichtung von Seiten des Ministeriums nicht, werden aber alles tun, damit jeder unserer Studienbewerber seinen Studienplatz erhält“, sagte Sprecherin Beate Kostka. Gäbe es die Weisung aus Düsseldorf nicht, würde die Universität an dem Projekt nicht teilnehmen. „Wir sehen keinen Sinn darin. Unser altes System lief reibungslos, es gab keine Probleme. Warum an so etwas rütteln?“, fragt Beate Kostka.
Ob das neue Zulassungssystem nun tatsächlich schon in der kommenden Bewerbungsrunde angewendet wird, dazu wollte sich das Wissenschaftsministerium auf Anfrage nicht äußern. Auch zu der Entscheidung der Ruhr-Uni und der Uni Münster, entgegen der Anweisung des Ministeriums das neue System vorerst zu boykottieren, wollte Ministeriums-Sprecher Dirk Borhart keine Angaben machen. Fest steht aber, dass der Stiftungsrat am kommenden Dienstag, 12. April, noch einmal zusammentreffen wird, um dann endgültig zu beschließen, ob eine rasche Inbetriebnahme des Online-Portals realistisch ist - oder aufgrund der technischen Schwierigkeiten auf das Sommersemester 2012 verschoben wird.