1908 erlaubte Preußen Frauen den Zugang zu den Universitäten. Ein Kongress an der Universität Duisburg-Essen widmete sich dem historischen Ereignis und zog eine kritische Bilanz

Vor 100 Jahren erlaubte Preußen Frauen den Zugang zu den Universitäten. Im Rahmen eines Kongresses zogen Prof. Anne Schlüter (2. v.r.) und ihr Team mit rund 150 Interessierten Bilanz.  Fotos: Arnold Rennemeyer
Vor 100 Jahren erlaubte Preußen Frauen den Zugang zu den Universitäten. Im Rahmen eines Kongresses zogen Prof. Anne Schlüter (2. v.r.) und ihr Team mit rund 150 Interessierten Bilanz. Fotos: Arnold Rennemeyer © WAZ

SCHWERPUNKT 100 JAHRE FRAUEN AN DER UNI Sie tummeln sich heute so selbstverständlich auf dem Campus, als sei es nie anders gewesen. Doch vor 100 Jahren waren Frauen an Universitäten noch eine Sensation. Unter dem Motto "100 Jahre Frauen im Studium - gelöste und ungelöste Fragen" widmete sich ein Kongress an der Universität Duisburg-Essen (UDE) dem Jubiläum und zog eine kritische Bilanz.

Aktuell sind 15 126 Studierende (50,6 Prozent) der UDE weiblich. "Das zeigt, dass in den vergangenen Jahrzehnten viel für die Frauen erreicht wurde", so Prof. Dr. Anne Schlüter vom Fachbereich Bildungswissenschaften, der diesen Kongress zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten der UDE und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) organisiert hatte. "Doch diesen Zugang zur Uni haben sich die Frauen schwer erkämpfen müssen", so Schlüter. So musste die Frauenbewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert zunächst mal dafür kämpfen, dass Frauen überhaupt das Abitur machen konnten.

1908 war dann ein einschneidender Zeitpunkt in der weiblichen Wissenschaftsgeschichte. Preußen ließ Frauen versuchsweise zum Studium zu. Schlüter: "Aber man hatte nicht daran geglaubt, dass sie diese Möglichkeit so zahlreich in Anspruch nehmen würden."

Ab 1920 stiegen die Zahlen der weiblichen Studierenden deutlich. In der Tradition des Lehrerberufs waren vor allem die Geisteswissenschaften und Mathematik gefragt. Viele Frauen interessierten sich aber auch für die Naturwissenschaften, studierten Chemie und Biologie. Der Nationalsozialismus bescherte den Frauen wiederum harte Zeiten durch einen geschlechtsspezifischen Numerus clausus, der die Anzahl der weiblichen Studierenden einer Universität auf zehn Prozent beschränkte. Während des Krieges war der Zugang wieder einfacher, da sich die meisten Männer an der Front befanden. Nach dem Krieg waren wiederum die Männer eher an den Universitäten erwünscht. "Frauen wurden in diesen Zeiten wie eine Verschiebemasse behandelt", so Schlüter.

Auch in den 50er und 60er Jahren beherrschte ein eher konservatives Bild den Campus. "Frauen sollten nicht mit den Männern konkurrieren, für sie hatte die Uni eher als Heiratsmarkt zu gelten", so Schlüter. Erst in den 80er Jahren stürmten die Frauen die Universitäten. "Dadurch verbreiterte sich auch das Spektrum der Forschung, andere Themen hielten Einzug in die Wissenschaft, die dadurch objektiver wurde", resümiert Schlüter.

Der Kongress zeigte jedoch auf, dass es auch heutzutage noch ungelöste Probleme gibt - trotz Frauenpolitik, Gender-Portal und Mentorinnenprogrammen. "Die naturwissenschaftlichen und technischen Fächer stellen weiterhin eine hohe Barriere für Frauen dar", so Schlüter. "Zudem ist es für Frauen schwer, Familie und Wissenschaft unter einen Hut zu bekommen", so Prof. Dr. Ute Klammer, Prorektorin für Diversity Management. "Mit zunehmender akademischer Hierarchie wird der Frauenanteil immer geringer. Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf, denn Frauen nutzen ihre Bildungserfolge zu wenig. Es gibt noch viel zu tun."