Bochum.

Heute geht in Bochum die erste „Hochschule für Gesundheit“ an den Start. Sie ist das Herzstück des neuen Gesundheitscampus’.

Ein backsteinrotes Haus, prunkloser Stil: Es ist ein eher unaufdringliches Gebäude, das es aber bald schon in sich haben wird. Hier, an der Universitätsstraße am Rande der Bochumer Innenstadt, beginnt an diesem Montag etwas ganz Großes. Die Hochschule für Gesundheit (HSG) nimmt ihren Betrieb auf.

Zunächst werden insgesamt 200 Studenten aus fünf Studiengängen in den Hörsälen und Übungsräumen unterwegs sein. Sie kommen als Abiturienten und werden die Fachhochschule in wenigen Jahren als studierte Ergotherapeuten, als Hebammen, Logopäden, Pfleger oder Physiotherapeuten wieder verlassen. Nach der Regelstudienzeit von sieben bzw. acht Semestern sollen sie einen Bachelor-Abschluss in der Tasche haben.

Träne im Augenwinkel

Das ist neu, das ist deutschlandweit einmalig. „Wir fühlen uns ein bisschen wie unter dem Mikroskop”, sagt Prof. Anne Friedrichs, die Präsidentin. Die Medizinszene eines ganzen Landes blickt gespannt auf die erste staatliche Hochschule dieser Art. Viel Werbung in eigener Sache musste die HSG gar nicht machen. Da verhält es sich so ähnlich wie mit einer Wunderpille: Neue Chancen sprechen sich schnell rum. Entsprechend stark war die Nachfrage. 200 Studenten gehören also zu den Glücklichen, die einen Studienplatz erwischt haben, rund 1800 weitere Interessenten werden zum Semesterbeginn mit einer Träne im Augenwinkel nach Bochum schielen. Sie müssen leider draußen bleiben.

Gesundheit zieht. Allein 700 Bewerber gab es bei den Physiotherapeuten, nur 50 konnten genommen werden. Prof. Christian Grüneberg leitet diesen Studiengang. Ein Ausbildungsberuf wird hier akademisch. Dazu sagt Grüneberg: „Der große Vorteil bei uns ist die Art und Weise des Lernens.” Die Studenten könnten an Forschungsprojekten teilnehmen und Veränderungen im Gesundheitswesen aktiv mitentwickeln.

Studenten sollen echten Berufsalltag schnuppern

Für alle fünf Studiengänge an der jungen Bochumer Hochschule gilt: Theorie ist gut, doch die Kombination aus Theorie und Praxis ist besser. Schon nach drei Wochen sollen beispielsweise die angehenden Physiotherapeuten zum ersten Mal Hand anlegen und außerhalb der Vorlesungsräume mitten in den echten Berufsalltag schnuppern.

Ortswechsel: Ein Mann der Praxis ist Morus Scholl schon lange. Der 48-jährige Mülheimer arbeitet seit 20 Jahren als Physiotherapeut. Er betreut unter anderem die Spitzenleichtathleten des TV Wattenscheid. Wie finden es Praktiker wie er, dass ihr Job jetzt an der Hochschule angekommen ist? „Diese Aufwertung hat der Berufsstand wirklich verdient”, sagt Morus Scholl. Aber er sieht die neuen Studienmöglichkeiten auch kritisch und befürchtet Nebenwirkungen: Eines Tages werde womöglich eine ungewollte Konkurrenz zwischen den klassischen Auszubildenden und den Bachelor-Absolventen entstehen.

Zurück zur Hochschule. Vor der ersten Vorlesung trifft Vorfreude auf Optimismus. Heute lehren, was morgen begehrt sein wird, denken sie hier. Denn durch eine zunehmend älter werdende Gesellschaft erscheinen die Gesundheitsberufe auch abseits von Arztpraxen stark gefragt. Sie werden das Kindchen schaukeln. Davon geht man unter dem Dach der HSG übrigens nicht nur beim Hebammen-Zweig aus.

Die neue Hochschule ist zugleich Vorbote und Herzstück des großen Gesundheitscampus’, der bis 2013 auf einem Gelände westlich der Ruhr-Universität entstehen soll. Dorthin soll auch die HSG umziehen, die bis dahin ihr Studienplatzangebot auf 1200 Plätze ausbauen will. Dann erhalten auch die Bewerber wieder eine Chance, die in diesen Tagen noch mit einer Träne im Augenwinkel den Startschuss in Bochum verfolgen.