Dortmund. Der Physiker Kai P. Schmidt ist einer der besten Forscher im Revier. Das Land Nordrhein-Westfalen ehrt ihn mit dem Innovationspreis in der Kategorie Nachwuchs. Er brütet täglich über "frustriertem Quantenmagnetismus" und hofft auf die Erforschung des besten Computers der Welt.
Einsteins Erben leben manchmal mitten unter uns. Doktor Kai P. Schmidt ist so einer. Ein Physiker, ein kluger Kopf, einer der besten Forscher im Revier. Dafür bekommt er in Kürze den Innovationspreis des Landes NRW in der Kategorie Nachwuchs.
Nachwuchs? Klar, mit 34 ist man in der Wissenschaft noch jung. Forscher, Physiker zumal, erscheinen in unserer Phantasie ja eher als ältere Semester: angegraute Herren, die einsam und zerstreut über Büchern und Dateien brüten. Kai Schmidt ist kaum älter als seine Studenten, und er brütet schon über Dingen, die ganz grauenvoll klingen: „frustrierter Quantenmagnetismus” zum Beispiel. Wohin führt so viel Frust?
„Vielleicht zum besten Computer der Welt”, sagt Schmidt. Zu einem Quantencomputer. Der würde mehr können als ein herkömmlicher Rechner mit Siliziumchips. Unendlich viel mehr: „Da Quantencomputer enorm viele Operationen gleichzeitig verarbeiten können, werden sie unfassbar schnell sein. Sie könnten vielleicht das Weltklima retten, den Verkehr vom Stau erlösen und möglicherweise helfen, die menschlichen Erbinformationen zu entschlüsseln.” Die Kehrseite: „Heutige Sicherheitssysteme könnte solch ein Quantencomputer leicht knacken. Zum Beispiel Sicherheitscodes, für die ein klassischer Computer Milliarden Jahre bräuchte, dieser Rechner aber nur ein paar Minuten.”
"Erfolg geht nicht allein über normale Arbeit"
Im Moment ist das nur Zukunftsmusik. Dennoch: Überall auf der Welt schreiben Experten gerade die Melodien dazu. Wann könnte es solche Super-Rechner geben? „Bestimmt nicht in fünf, aber vielleicht in 20 Jahren”, schätzt der Naturwissenschaftler, der an der Technischen Universität (TU) Dortmund eine Forschungsgruppe leitet.
Erfolgreich studieren ist eine Sache, erfolgreich im Wissenschaftsbetrieb zu bestehen eine ganz andere. Schmidt nennt ein Rezept: „Erfolg geht nicht allein über normale Arbeit. Du musst viel in Fachzeitschriften veröffentlichen, klar. Aber du musst auch ein Team führen können, gute Leute finden und dir eine Nische suchen, in der du dann auch wahrgenommen wirst.”
Studiert in Bonn und Sydney
Der gebürtige Rheinländer wird in der Physiker-Szene wahrgenommen. Er ist sogar seit diesem Jahr Mitglied im Jungen Kolleg, also in der Nachwuchsabteilung der NRW-Akademie der Wissenschaften und Künste. Er hat in Bonn und Sydney studiert, in Lausanne geforscht, in Köln den Doktortitel erworben und schon einmal einen großen Preis gewonnen: 2007 den „European Young Investigator Award”. „Das war ein Ritterschlag”, findet Schmidt. Ein Meilenstein in der Karriere.
Und dennoch gibt es da noch einen Funken Unsicherheit. Der junge Familienvater kann vielleicht an den Gesetzen der Physik rütteln, aber nicht an den Regeln der deutschen Hochschullandschaft. Da mag einer noch so gut sein, aber das allein führt nicht automatisch zum Ziel. Schmidt: „Der Weg zur Professur, also zu der ersten festen Stelle an einer Uni, ist weit. Du musst häufig umziehen, und das ist nicht familienfreundlich. Ich wünschte, wir Forscher hätten verlässlichere Perspektiven. Mit 34 sollte man eigentlich eine feste Stelle haben und keinen Zeitvertrag.”
"Im Ruhrgebiet tut sich was"
An „seiner” Uni, der TU Dortmund, genießt der Doktor die volle Rückendeckung der Fakultät. „Ich darf da alles: forschen, lehren, Promotionen abnehmen. Ich habe die Möglichkeit, gute Studenten für meine Forschung zu gewinnen und auszubilden. Das wäre an einer der Elite-Unis in München oder Berlin wegen der großen Konkurrenz nicht unbedingt so. Hier im Ruhrgebiet tut sich was und der Wohlfühlfaktor stimmt.”
Weil die drei großen Revier-Unis zusammenwachsen, weil er hier seine Nische gefunden hat, und weil seine Arbeit hier preiswürdig ist: 50 000 Euro ist die Auszeichnung wert. Deutlich mehr als ein Quantum Trost für den Quantenphysiker. „Das Geld ist für die Forschung”, unterstreicht Schmidt. Einsteins Erbe wird also nicht verjubelt.