Essen. Sie studieren drei Jahre unter Hochdruck. Bei der Jobsuche kommt zumindest für Bachelor-Absolventen, die sich im öffentlichen Dienst bewerben, dann oft die Ernüchterung.
Viele Bachelor-Absolventen werden nicht eingestellt, weil sie mit ihrem Abschluss noch nicht im Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst eingruppiert werden können. Dabei gibt es Bachelor-Studiengänge schon seit 2001. Hier ein Versuch, die verworrene Lage zu erklären:
Bachelor-Studiengänge wurden eingeführt, um die Studienzeit auf sechs bis acht Semester zu verdichten, einen stärkeren Praxisbezug sowie eine Vereinheitlichung in Europa zu schaffen. Aber: „Die neuen Studienabschlüsse passen noch nicht zum Tarifsystem”, bestätigt Jan Jurczyk, Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, entsprechende Informationen dieser Zeitung.
Verhandlungen
Auf Länderebene haben die Verhandlungen gerade erst begonnen. Bund und Kommunen haben sich nach Verdi-Angaben noch gar nicht gerührt. Die Folge: Bewerber mit einem Bachelor in der Tasche haben es schwerer, im öffentlichen Dienst unterzukommen. Verdi-Sprecher Jurczyk: „In der Wirtschaft kann man flexibler bezahlen.”
Peter Neumann sitzt für Verdi in den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft der Länder am Tisch. Bis Weihnachten wollen beide Seiten nach seinen Angaben zu einer Einigung kommen. Der Tarifexperte spricht von „mehreren offenen Problemen”.
"Phantasie der Landesregierungen"
Den Hintergrund sieht er auch in der „Phantasie der Landesregierungen”, ihre Hochschulen unabgestimmt mit dem Bund umzubenennen. Neumann: „Fachhochschulen werden als Universitäten ausgewiesen. Da können die Arbeitgeber nicht mehr unterscheiden, woher der Bewerber wirklich kommt.”
Doch diese Informationen braucht er, um das Gehalt für den Bachelor-Absolventen zu berechnen. Aus dem Abschluss sei auch nicht zu ersehen, ob der Kandidat ein vollwertiges Studium absolviert hat. Verdi, so Neumann, habe immer wieder versucht, die Probleme in Gesprächen mit öffentlichen Arbeitgebern auf die Tagesordnung zu setzen. „Seit 2005 tut sich aber gar nichts”, so der Tarifexperte.
"Entgeltordnung kennt Bachelor nicht"
Doch jetzt laufen Eingruppierungs-Verhandlungen – zumindest auf Länderebene. Verkehrte Welt: Knut Bredendiek, Geschäftsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, wiegelt ab: „Es hat bislang keine Probleme gegeben. Die Entgeltordnung kennt den Bachelor gar nicht. Er ist wörtlich nicht erwähnt.” Bei der Eingruppierung von fertigen Studenten in den Landesdienst werde allein die künftige Tätigkeit bewertet und nicht der Abschluss.
Keine Probleme sieht auch die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. „Bachelor-Absolventen werden bei entsprechender Tätigkeit bisher eingruppiert wie Fachhochschul-, Master- sowie Universitätsabsolventen”, heißt es vom Dachverband der Städte und Gemeinden.
"Wenig Praxiserfahrung"
Zumindest in der kirchlichen Praxis indes läuten die Alarmglocken: Anna Stegemann vom Caritasverband im Bistum Essen etwa kritisiert, dass Erzieher und Psychologen mit Bachelor-Abschlüssen „nur wenig Praxiserfahrung mitbringen”.
Zudem zeigten die Erfahrungen, dass fertige Bachelor-Pädagogen aufgrund fehlender Regelungen „häufig auf Praktikatenstellen gesetzt und demnach nicht korrekt vergütet werden”. Stegemann sieht eine „große Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis”, derer sich ein Arbeitsausschuss auf Bistumsebene angenommen habe.
Das NRW-Wissenschaftsministerium war trotz mehrfacher Anfragen nicht zu einer Stellungnahme bereit.