Washington. Die republikanische Politikerin Cheney gilt als stärkste Widersacherin Donald Trumps. Damit könnte sie sich selbst nach oben arbeiten.
Vor ein paar Tagen konnte Liz Cheney hautnah miterleben, wie zersplittert die republikanische Partei der USA im Jahr 2022 ist. Die Auslöserin war ausgerechnet sie selbst. Denn während die einen in der Republikanerin die stärkste Gegnerin von Donald Trump sehen, hassen andere sie genau deswegen.
In der Präsidenten-Bibliothek von Ronald Reagan im kalifornischen Simi Valley hielt die 55-jährige Cheney eine Rede, die schon zum Auftakt demonstrativen Beifall auslöste. Die Konservative hat sich zur entschiedensten und wirkungsmächtigsten Widersacherin ihres Parteikollegen Donald Trump aufgeschwungen – und führte ihren Kampf auch an jenem Tag beinahe heldinnenhaft.
"Wir müssen uns entscheiden. Republikaner können nicht zu Donald Trump loyal sein und gleichzeitig zu unserer Verfassung", sagte Cheney gegen Ende ihrer Rede und holte sich damit Standing Ovations ihres Publikums ein. Was dabei mitschwang: Reagan, der Hollywood-Schauspieler, mag wie Trump einst Seiteneinsteiger in der Politik gewesen sein. Ein narzisstischer Zerstörer, der sich Republik und Republikaner auf Teufel-komm-raus zu Untertanen machen will, war er nie.
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USA: Konservative sehen fünffache Mutter Cheney als "Drachentöterin"
Gemäßigte Konservative alten Schlages sehen in Cheney, Mutter von fünf Kindern, insgeheim die "Drachentöterin", die die Partei von Trump befreit. Als Vize-Chefin des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Sturm aufs Kapitol in Washington legt sie mit stoischer Emotionslosigkeit und Messerschärfe das Sündenregister Trumps im Zusammenhang mit dem Coup-Versuch frei. Seither ist ihr Ansehen auch über Parteigrenzen hinweg gestiegen. Freilich: Trump-Fans hassen sie wie die Pest.
Erst vor wenigen Tagen drückte Cheney der Aufarbeitung der laut Präsident Biden "schwärzesten Stunde" der US-Demokratie ihren Stempel auf, als sie Trump zwischen den Zeilen in die Nähe strafbaren Handelns rückte. Demnach habe sich der Rechtspopulist womöglich der versuchten Zeugenmanipulation schuldig gemacht. Cheney warnte ihren Widersacher: "Wir werden jeden Versuch, Zeugenaussagen zu beeinflussen, sehr ernst nehmen."
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USA: Wird Cheney am Ende selbst für die Präsidentschaft kandidieren?
Cheneys unerbittliche Verfolgung des früheren Präsidenten lässt in den USA die Frage nicht abwegig erscheinen, ob sie 2024 selbst den Hut für eine Kandidatur zum Weißen Haus in den Ring werfen könnte. "Darüber habe ich noch nicht entschieden", sagte Cheney im TV-Sender ABC dem Star-Journalisten Jonathan Karl.
Dass sich Liz Cheney die Option offenhält, liegt an der zweiten Wirklichkeit, in der die Tochter des seit Irak-Krieg-Zeiten übel beleumundeten ehemaligen Vize-Präsidenten Dick Cheney lebt. Lesen Sie auch: Wollte Trump Kapitol-Zeugen beeinflussen?
In ihrem ländlichen Heimatbundesstaat Wyoming, der in einigen Wochen seine Kandidaten und Kandidatinnen für den Kongress in der Hauptstadt kürt, trachtet man der resoluten Juristin politisch mit härtesten Bandagen nach dem Leben. Einige erklären sie bereits für "Toast". Was so viel heißt wie: erledigt.
Ex-US-Präsident Trump will Rache an Cheney
Niemand anderes als Donald Trump persönlich hat zur Abwahl der Kongress-Abgeordneten aufgerufen und sein politisches Kapital hinter die in Umfragen mit 30 Prozentpunkten führende Kontrahentin Harriet Hagemann gewuchtet.
Und das alles, weil Cheney sich gegen Trump nicht einfach nur auflehnt, sondern weil sie ihn für seine Strippenzieherei bei der Gewaltexplosion im Januar 2021 am und im ehrwürdigen Kongressgebäude in Washington angeklagt sehen will. Danach soll er durch eine Gefängnisstrafe dauerhaft so kompromittiert sein, dass der Name Trump aus dem Pool präsidialer Familiennamen ein für alle Mal getilgt wird – so Cheneys Ziel.
Und dabei richtet sie sich auch gegen seine Unterstützer. Jedem Parteifreund, der anders taktiert, der Trumps Aufstands-Inszenierung wegen der angeblich "gestohlenen Wahl" 2020 irgendwie für legitim und dem 76-Jährigen den Steigbügel für einen dritten Anlauf Richtung Oval Office hält, schleudert Cheney entgegen: "Es wird der Tag kommen, an dem es Trump nicht mehr gibt. Aber eure Schande wird bleiben."
USA: Reihenweise Konservative stellen sich gegen Trump
In Washington und darüber hinaus macht das zunehmend Eindruck. Seit der Untersuchungs-Ausschuss reihenweise republikanische Ex-Top-Berater und Ex-Minister des Präsidenten dazu brachte, die staatsgefährdenden Allüren Trumps unter Eid beim Namen zu nennen, kippt im rechten Lager latent die Stimmung.
Seit klar ist, dass Trump am 6. Januar 2021 dazu bereit war, über Leichen zu gehen, senken wichtige konservative Meinungsbildner den Daumen. Das "Wall Street Journal" oder der "Washington Examiner" – jahrelang publizistische Beiboote Trumps – erklären, der New Yorker Milliardär dürfe wegen Unfähigkeit nie wieder für das höchste Staatsamt kandidieren.
Auch andere Stimmen im Umfeld der "Grand Old Party" sehen Trump nach den Enthüllungen bereits jetzt so schwer beschädigt, dass er den Nominierungs-Marathon in zwei Jahren nicht überstehen würde.
USA: Trump verliert Ansehen bei seiner Wählerschaft
Jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass selbst in der republikanischen Wählerschaft Trump-Fatigue eingesetzt hat. Fast die Hälfte ist der Meinung, er sollte nicht noch mal kandidieren. Vor allem in der Altersklasse unter 35 sind die Vorbehalte gegen Trump groß. Ron DeSantis gilt hier als Geheimfavorit, sollte es einen Wachwechsel geben: Der Gouverneur von Florida ist politisch eine Kopie Trumps, allerdings ohne den erratischen Drama-Anteil.
Käme es so, hätte Liz Cheney mit ihrer besonnenen, strukturierten Art, der US-amerikanischen Öffentlichkeit die staatsgefährdenden Aktionen Trumps vor Augen zu führen, daran einen erheblichen Anteil. Noch dazu dann, wenn der Preis wäre, dass ihr eigene parlamentarische Karriere vorläufig beerdigt würde.
Ihr Kredo jedenfalls gewinnt an Zustimmung: Donald Trump könne sich nicht mit dem Hinweis aus der Affäre ziehen, er sei in punkto Wahlbetrugs-Lüge "vorsätzlich blind" gewesen für die Realität nach der Präsidentschaftswahl 2020 und von schlechten Beratern umgeben gewesen.
"Das ist natürlich Unsinn", sagt Liz Cheney, "Präsident Trump ist ein 76 Jahre alter Mann. Er ist kein leicht zu beeindruckendes Kind." Wenn es nach der Republikanerin geht, ist die Zeit der Ausreden für den ehemaligen Präsidenten vorbei: "Wie jeder andere in diesem Land auch ist er für seine eigenen Handlungen und Entscheidungen verantwortlich."