Düsseldorf. Die Ministerin und NRW-Frauen-Union-Chefin Ina Scharrenbach über die fehlende Sichtbarkeit von Frauen in der CDU.
Frauen müssen in der CDU besser sichtbar sein, fordert Ina Scharrenbach, Vorsitzende der Frauen-Union in NRW und Gleichstellungsministerin, vor dem Bundesparteitag der CDU. Die 45-Jährige bewirbt sich am 21. Januar erneut für einen Platz im Bundesvorstand ihrer Partei. Im Gespräch mit Matthias Korfmann betont sie, die Union benötige eine neue, frauenfreundlichere Parteikultur.
Frau Scharrenbach, Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer verschwinden von der politischen Bühne, Ursula von der Leyen arbeitet in Brüssel. Beginnt jetzt wieder eine Männer-Ära in der CDU?
Scharrenbach: Nein. Wir sind jetzt Opposition im Bundestag, und Opposition bietet immer die Chance zur Profilierung, auch für die Frauen.
Drei Männer haben für den CDU-Vorsitz kandidiert. Ist so viel Männer-Übergewicht nicht beschämend?
Scharrenbach: Auch in den Bewerber-Runden zuvor traten nur Männer an, obwohl die Bewerbung Frauen offenstand. Es stand jedem frei, zu kandidieren, darum ist die Kandidaten-Auswahl nicht zu kritisieren. Wir müssen aber die Sichtbarkeit von Frauen in der Union grundsätzlich verbessern.
Der engste Kreis des CDU-Präsidiums besteht aus elf Männern und vier Frauen, der erweiterte aus sechs Männern und einer Frau. Wird sich das beim Parteitag am 21. Januar ändern?
Scharrenbach: Ich gehe davon aus. Friedrich Merz hat angekündigt, mehr Frauen in die engere Führung zu holen. Die Frauen-Union fordert das auch mit Nachdruck. Der erste Meilenstein auf dem Bundesparteitag muss die bessere Sichtbarkeit von Frauen im engeren Führungskreis sein.
Braucht die CDU eine Frauenquote?
Scharrenbach: Eine Frauenquote würde helfen, die gläserne Decke, die es in der Politik gibt, zu überwinden. Manche CDU-Landesverbände tun sich leichter damit als andere. NRW hat zum Beispiel die ersten zehn Plätze der Landeslisten-Kandidaten für die Landtags- und die Bundestagswahl paritätisch besetzt. Wir stehen jetzt vor der Aufstellung der Landesliste für die Landtagswahl im Mai. Ziel muss sein, die ersten 20 Plätze paritätisch zu besetzen. Auch der Vorsitz der NRW-CDU besteht nun aus drei Männern und drei Frauen.
Die Frage nach der Quote ist aber die eine, die nach der Parteikultur eine andere. Wir müssen an beiden Stellen ansetzen. Die für mich wichtigste Frage ist: Lädt die Kultur in der CDU Frauen dazu ein, mitzumachen? Da müssen wir in Zukunft noch mehr hinkommen.
Die frühere Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) hat gesagt: „Ohne Quote werden wir es nicht schaffen, mehr Frauen für die Politik zu begeistern.“
Scharrenbach: Das ist wohl so. Ich ziehe einen Vergleich zur Wirtschaft: Der Versuch der Großen Koalition im Bund, die DAX-Unternehmen auf freiwilliger Basis dazu zu bringen, die Zahl der Frauen in Spitzenpositionen zu erhöhen, ist gescheitert. CDU, CSU und SPD haben dann gesagt: Wir verpflichten die Konzerne dazu. DAX-Konzerne mit mehr als drei Vorständen müssen bei Nachbesetzungen mindestens eine Frau in den Vorstand holen. Ich sage: Wenn man diese Konsequenz für die Wirtschaft anwendet, dann muss man die auch in der eigenen Partei anwenden. Freiwillig scheint das weder in der Wirtschaft noch in der Politik zu funktionieren.
Friedrich Merz haftet der Ruf eines Machos an. Kann dieser Mann Frauenförderung?
Scharrenbach: Die CDU tut gut daran, jetzt einmal alles auf null zu setzen. Friedrich Merz muss einen Vertrauensvorschuss dafür bekommen, dass er die CDU neu aufstellt und zwar in all ihren Facetten. Wir sind Volkspartei, und dazu gehören Frauen, Männer, Lesben, Schwule, Selbstständige, Angestellte, Rentner, Schüler – eben die Breite unserer Gesellschaft. Merz braucht Beinfreiheit, um die CDU so auszurichten.
Sollte die Union eine Kandidatin gegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier antreten lassen?
Scharrenbach: Ich halte nichts von Alibi-Kandidaturen. Wenn es eine realistische Chance gäbe, die Bundespräsidentin zu stellen, machte das Sinn. Wenn man aber eine Kandidatin sozusagen als Feigenblatt präsentiert, bringt das nichts.
Anmerkung der Redaktion: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte sich schon vor Wochen für eine Frau als neue Bundespräsidentin ausgesprochen. "Nachdem die Union die erste Bundeskanzlerin, die erste Bundesverteidigungsministerin und die erste EU-Kommissionspräsidentin gestellt hat, wäre es nur folgerichtig, wenn sie auch die erste Bundespräsidentin vorschlägt", sagte er der "Welt am Sonntag". Friedrich Merz, CDU-Bundesvize Thomas Strobl und zahlreiche andere Unions-Politiker schlossen sich dieser Haltung an.
Die Frauen-Union in NRW fordert ein nationales Impfregister. Was spricht dafür?
Scharrenbach: Eine Impfpflicht ohne nationales Impfregister ergibt keinen Sinn. Ein solches Register wäre sogar ohne eine Impfpflicht sinnvoll, weil es die Kontrolle über die Wirksamkeit von Impfungen verbessern würde. Viren hat es immer gegeben, und es wird sie immer geben.
Aber es bleibt kaum noch Zeit, um das Impfregister rechtzeitig für eine mögliche Impfpflicht aufzubauen.
Scharrenbach: Wir reden seit Dezember 2020 auf der Bundesebene über ein nationales Impfregister. Das sind zwölf Monate. Beratung ist wichtig in der Demokratie, aber es muss auch entschieden werden. Diese Entscheidung muss spätestens dann fallen, wenn der Bundestag eine Impfpflicht beschließt. Wie gesagt: Es geht nicht nur um Corona, sondern um Daten- und Erkenntnislage zu künftigen Problemen mit Viren, die mit anderen Ländern, die ebenfalls ein Impfregister haben, ausgetauscht werden können.
Viele Bürgerinnen und Bürger werden an ihrer Heizungsrechnung merken, wie teuer Energie geworden ist. Was kann der Staat tun, um die Folgen zu mildern?
Scharrenbach: Die Bürger werden im Frühjahr einen Heizkosten-Hammer spüren und erstmals merken, was die Energiewende kostet. Menschen müssen da mitkommen, sonst verlieren wir sie. Die Energiepreise spalten die Gesellschaft. Ohne Sozialleistungen und eine Umverteilung wird es hier nicht gehen. In einem ersten Schritt sollten zumindest jene mit kleinem Geldbeutel, die Wohngeld erhalten, ein Extra-Wohngeld bekommen.
Rund 51 Prozent des Strompreises besteht aus staatlich veranlassten Steuern, Abgaben und Umlagen. Seit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 hat sich dieser Kostenblock vervierfacht. Bezahlbare Energie gehört zur Daseinsvorsorge. Deshalb ist auch die Bundesregierung in der Pflicht, drohende Energie-Armut zu verhindern. Um Bürger zu entlasten, wäre eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energieträger auf neun oder sieben Prozent denkbar. Davon würden alle Bürger profitieren.
Die Politik muss sehr schnell klären, wohin die Reise bei der Energie grundsätzlich gehen soll. Andreas Pinkwart fordert zu Recht eine staatliche Gasreserve. Es wir bei der Energie globale Verteilungskämpfe geben, und es gibt Staaten, die mit Energielieferungen Politik machen wollen. Die Bundesrepublik muss bei Strom und Wärme weitgehend autark sein von anderen Staaten.
Zur Person:
Ina Scharrenbach (45) lebt in Kamen und engagiert sich seit 1996 in der CDU im Ruhrgebiet. Sie ist NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, Vorsitzende der Frauen-Union in NRW und stellvertretende CDU-Landesvorsitzende. Scharrenbach gilt als besonders fleißig und ehrgeizig. Sie war als mögliche Kandidatin für das Amt des NRW-Ministerpräsidenten im Gespräch, als sich die Union im Herbst nach dem Weggang von Armin Laschet personell neu aufstellte.