Düsseldorf. An den Plänen für ein Kita-Gesetz in NRW scheiden sich die Geister. Die Regierung lobt sich. Die Erzieherinnen trauen der Botschaft noch nicht.
Das neue Kinderbildungsgesetz (Kibiz) soll laut NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) ein „Meilenstein für die Verbesserung der frühkindlichen Bildung“ sein. Am Mittwoch wurde der Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht und sorgte dort für heftigen Streit. Aus Stamps Sicht ist die Reform „eines der herausragenden Projekte“ der schwarz-gelben Landesregierung. Ab dem Kita-Jahr 2020/21 sollen zusätzlich jedes Jahr rund 1,3 Milliarden Euro von Bund, Land und Kommunen in die frühkindliche Bildung fließen. Das Geld soll die Existenz der Kindertageseinrichtungen sicher stellen und dazu beitragen, dass die Kinder künftig besser betreut werden. Für die Opposition gehen die Pläne nicht weit genug. Das Gesetz sei nicht geeignet, die Kita-Finanzierung langfristig solide aufzustellen. Im Mai demonstrierten in Düsseldorf rund 10.000 Erzieherinnen für bessere Arbeitsbedingungen. Am Dienstag hatte ein Aktionsbündnis vor dem Landtag rund 80.000 Protest-Unterschriften gegen die Kita-Politik der Landesregierung überreicht.
Seit Jahren klagen die Träger von Kitas in NRW über Finanznöte, Personalmangel und ausufernde Bürokratie. Die Landesregierung hat zur Problemlösung einen Gesetzentwurf für ein neues Kinderbildungsgesetz (Kibiz) in den Landtag eingebracht. Sie hält ihre Pläne für einen großen Wurf, einen „Meilenstein“ gar. Viele Erzieherinnen und Träger von Kindertageseinrichtungen trauen hingegen dem Kita-Gesetz überhaupt nicht.
Was plant die Landesregierung?
NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) möchte mit dem Gesetz mehrere Ziele erreichen. Die wichtigsten: Finanzielle Sicherheit für die Kitas, mehr Qualität bei der Betreuung der Kinder durch mehr Erzieher-Personal, mehr Betreuungsplätze und ein zweites beitragsfreies Kita-Jahr. Das zusätzliche beitragsfreie Jahr soll die Familien spürbar entlasten, erklärt der Minister. Aber die breite Diskussion nur über diesen Teil der Regierungspläne greife zu kurz. „Wir investieren in die frühkindliche Bildung jährlich 1,3 Milliarden Euro zusätzlich, davon fließt eine Milliarde Euro allein für die Verbesserung der Betreuungs-Qualität“, sagte Stamp am Mittwoch im Landtag.
Das beitragsfreie Jahr koste rund 200 Millionen Euro, der Platz-Ausbau etwa 100 Millionen Euro. Ermöglicht werden den Plänen zufolge auch flexiblere und längere Öffnungszeiten, eine verbesserte Sprachförderung für die Kinder und mehr Zeit für Kita-Leitungen für Verwaltungsaufgaben.
Woher kommt das zusätzliche Geld?
Vom Bund, vom Land NRW und von den Kommunen. NRW und die Städte stellen zusammen 750 Millionen Euro zur Verfügung. Der Bund beschert dem Land darüber hinaus mit seinem „Gute-Kita-Gesetz“ eine großzügige finanzielle Unterstützung. Die Bedeutung dieses Bundes-Anteils bewerten Regierung und Opposition aber sehr unterschiedlich. „Ohne das Gute-Kita-Gesetz hätten Sie hier keine einzige gute Botschaft“, sagte Dennis Maelzer (SPD) zur Regierung. Soll heißen: Erst die Hilfe von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) eröffne neue Chancen für die Kitas.
Für Marcel Hafke (FDP) bereitet das Gute-Kita-Gesetz dem Land NRW hingegen eher Probleme, weil es nur befristet ist: „Nach drei Jahren hört die Finanzierung auf“.
Wird das Problem der Unterfinanzierung gelöst?
Ja, die Landesregierung gibt den Kitas mehr finanzielle Spielräume. „Wir überwinden den Stillstand der vergangenen sieben Jahre“, sagte Joachim Stamp in Richtung SPD und Grüne. Das neue Kibiz soll sogar die tatsächlichen Verteuerungen auffangen, zum Beispiel die künftigen Gehaltssteigerungen für die Erzieherinnen. Dennoch ist das Kibiz nach Ansicht von Dennis Maelzer bloß „Mumpitz“. Der Gesetzentwurf erfülle die Erwartungen nicht einmal annähernd. „Sie schaffen es, die gesamte Kita-Landschaft enttäuscht zurückzulassen“, so Maelzer. Josefine Paul (Grüne) findet, dass die Landesregierung die Chance für einen echten Systemwechsel bei der Kita-Finanzierung versäume. „Sie geben oben Geld rein in der vagen Hoffnung, dass unten Qualität rauskommt“, sagte Paul. Auf die Realität in den Kitas – Ausfälle durch Urlaub, Krankheit, Fortbildung – nehme der Gesetzentwurf kaum Rücksicht.
Werden die Kinder bald von mehr Erzieherinnen betreut?
Das Geld dafür wäre da. Das Problem ist aber: Es gibt nicht genügend Fachkräfte. Die Regierung will daher Erzieherinnen (auch aus dem Ausland) anwerben und plant ein Quereinsteigerprogramm für Menschen, die noch keine Erzieher-Qualifikation haben.
Was bringt das zusätzliche beitragsfreie Kita-Jahr?
Laut Regierung mildert es die vielen Ungerechtigkeiten bei den Beiträgen. Sie sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich und belasten ärmere und wohlhabende Familien gleich. Martin Künstler vom Verband „Der Paritätische“ ärgert sich darüber, dass das bisherige „Gießkannen-Prinzip“ bei den Beiträgen, das auch Gutverdiener entlastet, nicht völlig abgeschafft wird. Außerdem sei die Not der Kitas so groß, dass man sich ein weiteres beitragsfreies Jahr gar nicht leisten könne. Dieses Geld sollte in die Verbesserung der Betreuung fließen. Die SPD findet Kita-Beiträge ungerecht.