Düsseldorf. „Meine Erzieher sind kaputt - kaufst du Neue?“ Über 20.000 Menschen mit sozialen Berufen haben in Düsseldorf demonstriert. Was vor Ort los war.
Mehr als 20.000 Menschen haben am Donnerstag vor dem Landtag in Düsseldorf für den Erhalt von sozialen Angeboten demonstriert. Das Motto der Kundgebung, die von über 140 wohltätigen Organisationen unterstützt wurde: „NRW bleib sozial!“ Befürchtet werden Versorgungsengpässe in Kitas, im offenen Ganztag an Schulen und in der Pflege und Betreuung von Senioren und Menschen mit Behinderungen.
„Wir brauchen für manche Bereiche sofort ein Rettungspaket“, sagte Christian Woltering, der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege in NRW. Nötig sei ein Plan, der die soziale Infrastruktur langfristig sichere. „Nordrhein-Westfalen muss das soziale Gewissen Deutschlands bleiben.“
Auf dem Platz vor dem Landtag hallt am Donnerstag die Stimme eines Demonstranten durch die Lautsprecher: „Wir haben genug von warmen Worten von Politikern. Es müssen jetzt Taten folgen. Macht Lärm, damit die uns im Landtag hören.“ Sofort folgt ein Trillerpfeifen-Konzert mit Beifall. Viele Protestierende haben selbstgemalte Plakate dabei. „Meine Erzieher sind kaputt - kaufst du Neue?“, steht mit schwarzem Edding auf einem davon. „Soziale Arbeit: Rest in Peace“, auf einem anderen.
Demonstration in Düsseldorf: Viele Kitas können ihre Kosten nicht mehr decken
In der Menge steht Rosa Hartge, Geschäftsführerin des Kinderzentrums Rappelkiste in Mönchengladbach. Bei dem Verein arbeiten 80 Angestellte, die rund 200 Kinder betreuen. „Wir sind Ende 2024 insolvent, wenn die Politik nicht handelt. Wir können unsere Mitarbeiter jetzt schon kaum mehr bezahlen, weil die Löhne gestiegen sind“, sagt Hartge, und ihre Stirn legt sich in Falten.
Dasselbe Problem gibt es in der Kita Kinderreich in Dülken. „Für alles ist Geld da. Aber nicht für Bildung, Kita und Pflege“, kritisiert Nicole Fahl, stellvertretende Leiterin. Die 54-Jährige erzählt, dass sie schon vor zehn Jahren für mehr Förderung von sozialen Berufen demonstriert hat. Die aktuelle Versorgungsnot sei ihrer Meinung nach das Ergebnis jahrelangen politischen Wegschauens. „Eine Besserung ist immer noch nicht in Sicht. Das ärgert mich. Wir können nicht mehr“, so Fahl.
Arbeitsplätze im Sozialbereich in Gefahr: „Werde ich in Zukunft noch einen Job haben?“
Auch andere Demonstranten äußern ihre Sorgen. Viele haben Angst davor, aufgrund von Sparmaßnahmen gekündigt zu werden. „Das ist ein bedrückendes Gefühl, nicht zu wissen: Werde ich in Zukunft noch einen Job haben?“, sagt Frank Golasch, der beim Sozialdienst Katholischer Männer in Neuss arbeitet.
Seine Chefin Serena Becker beklagt: „Durch die steigenden Löhne ist die Refinanzierung nicht mehr gesichert. Wir wissen einfach nicht, wie wir das bezahlen sollen. Wir haben schon in diesem Jahr nur rote Zahlen geschrieben.“
Vielerorts in NRW Leistungen aus finanziellen Gründen bereits eingeschränkt
Laut einer deutschlandweiten Umfrage der Diakonie, der Arbeiterwohlfahrt und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands haben soziale Einrichtungen seit Anfang 2022 eine Kostensteigerung von 16 Prozent verzeichnet. 65 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sie kurzfristig weitere Einschnitte bei Angeboten und Leistungen vornehmen müssen.
Von den 567 befragten Organisationen und Einrichtungen allein in NRW gaben knapp 30 Prozent an, sie hätten aus finanziellen Gründen bereits Leistungen einschränken müssen. 20 Angebote - rund 3,7 Prozent - mussten demnach sogar ganz eingestellt werden.
Demonstration in Düsseldorf: Teilnehmerzahl um ein Vielfaches übertroffen
Bei der Kundgebung in Düsseldorf waren mehr als 20.000 Demonstranten aus ganz Nordrhein-Westfalen vertreten. Die ursprünglich erwartete Besucherzahl wurde damit nach Angaben von Polizei und Veranstaltern um das Vierfache übertroffen. Landesweit gab es weitere dezentrale Aktionen.
Unter dem Motto „Es donnert in den Kitas – Kinder und Beschäftigte gefährdet“ ruft zudem die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) ab Donnerstag zu wöchentlichen Mahnwachen für die Kindergärten auf. Die Personaldecke in den Kitas sei inzwischen so dünn, dass weder für Eltern noch für die Kinder ein verlässliches Angebot zu gewährleisten sei, erklärte Verdi in einer Mitteilung. Bis Weihnachten solle es deshalb vor den Staatskanzleien der Länder, Bundesministerien oder dem Kanzleramt regelmäßig Mahnwachen geben.
(mit dpa)